Praxistest Peugeot 308 SW Active BlueHDi 120: Mit innerer Größe und besonderem Kick
War der Vorgänger 307 SW noch eine Mischung aus Van, Kombi und Großraumlimousine mit bis zu sieben Sitzen, so ist der neue 308 SW wieder konventionell gestrickt. Also ein weiterer Kombi im großen Angebot der Kompaktklasse? Auf diese Frage gibt unser Praxistest eine überraschende Antwort.
Peugeot hat wieder zu sich gefunden – und sich beim aktuellen Modell für einen „richtigen“ Kombi entscheiden. Wie schon bei der Limousine haben die Franzosen beim 308 SW wieder zu früherer Stilsicherheit und zu neuer Qualität zurück gefunden. Denn sie haben einigen Hirnschmalz investiert, um den 308 SW zu einer überlegenswerten Alternative zu den etablierten Kompaktklasse-Kombis zu machen. Inklusive eines supersparsamen Diesels und eines neuartigen Cockpit mit dem besonderen Kick.
Außen und Innen
Der 308 SW ist 33 Zentimeter länger als die 4,25 Meter lange fünftürige Limousine. Aber es wurde nicht einfach das Heck verlängert, sondern auch gleich der Radstand um elf Zentimeter vergrößert. Mit 2,73 Meter (Skoda Octavia Combi 2,69 Meter) verfügt der 308 SW über den größten Radstand unter den Kompaktkombis. Das bringt mehrere Vorteile: Die Linienführung des Kombis wird harmonischer und zugleich dynamischer. Für Passagiere und Gepäck steht mehr Platz zur Verfügung. Und der Raum kann optimal genutzt werden.
Verarbeitung wie auch Materialauswahl sind auf dem besten Stand der Dinge in dieser Klasse. Da hat Peugeot gegenüber dem Vorgänger einen Riesen-Qualitätssprung gemacht. Man fühlt sich wohl in diesem Franzosen, der so gar nichts mehr von französischer Verspieltheit an sich hat und der dennoch mit seinem ungewöhnlichen i-Cockpit einen Blickfang bereit hält. Dazu später mehr.
Sitzen und Laden
Beim Raumangebot wird klar, dass die Peugeot-Techniker ihre Arbeit sehr gut erledigt haben. Vorn hat man üppig Platz, und auch die zweite Reihe präsentiert sich für ein Auto dieser Größe luftig. Im Fonds haben die Knie wegen des elf Zentimeter längeren Radstandes nun drei Zentimeter mehr Platz als in der Limousine. So ist die Beinfreiheit sogar besser als in einem 4,7 Zentimeter längeren VW Golf Variant. Und außerdem ist die Fondbank nicht so tief montiert wie beispielsweise in einem Opel Astra Sports Tourer, um so Kopffreiheit zu schaffen. Damit sitzt man im Peugeot besser als im Opel und hat dennoch ausreichend Luft über dem Scheitel.
Bei den Sitzen haben die Franzosen stark aufgeholt. Sie wirken „deutsch“ und geben keinen Anlass zur Kritik: straff, großzügig dimensioniert, großer Verstellbereich. Beim 308 sind die vorderen Serien-Sitze Spitze. Ganz ohne Aufpreis. Man fühlt sich sicher und bequem aufgehoben.
Beim Kapitel Laden kann sich der konventionell gestrickte Kombi trotz seiner dynamischen Form sehr gut in Szene setzen: Mit dem Kofferraumvolumen von 610 bis 1660 Litern rangiert er am oberen Ende der Kompaktklasse-Kombis. Nur der acht Zentimeter längere Skoda Octavia Combi bietet mit seinem Volumen von 610 bis 1740 Liter noch mehr Stauraum in dieser Klasse.
Clever im 308: Im Nu lässt sich die asymmetrisch geteilte Rücksitzlehne mit einem Zug an einem Hebel an der geraden, Seitenwand umklappen. Die entstehende Ladefläche ist fast eben. Überdies liegt die Ladekante mit nur 62 Zentimetern extrem rückenfreundlich niedrig.
Fahren und Tanken
Der Franzose wartet mit einer Besonderheit auf, dem sogenannten i-Cockpit. Eine Weltneuheit. Hier soll der Fahrer über das sehr kleine und sehr tief platzierte Lenkrad auf die Instrumente schauen. Da kommt man sich fast so vor wie beim Kart-Fahren. Für einen Familienkombi ist das hingegen ungewöhnlich, und diese Anordnung passt auch nicht für jede Statur. Beim 1,70-Meter-Autor ist sie okay. Dennoch ist Vorsicht angeraten: Kleines Lenkrad und längerer Radstand – diese Kombination erfordert eine längere Anpassungszeit beim 308 SW. Besonders Lkw-Fahrer dürften damit schlecht zurande kommen. Das Mini-Lenkrad simuliert ein Kart-Gefühl, welches diesen Kombi subjektiv deutlich agiler macht. Da ist viel Gefühl und Ruhe am Volant gefragt, um vor allem das unbeladene Auto nicht zu verreißen. Doch nach einigen hundert Kilometern Eingewöhnung findet man das Ganze mit dem Kart-Lenkrad sogar ganz gut – und freut sich über das reduzierte Cockpit.
Eine Eingewöhnung erfordert auch die „Arbeit“ mit dem 9,7 Zoll großen berührungsempfindlichen Bildschirm, der viele Knöpfe überflüssig macht. Diese Reduzierung empfindet man, gerade im direkten Vergleich zur Knopfflut in einem zuvor getesteten Opel Astra, aber als Wohltat. Da das Bedienkonzept selbst nahezu selbsterklärend ist, findet man sich in den Menüs dann schnell zurecht. Und man findet auch die richtigen Druckpunkte auf dem berührungsempfindlichen Bildschirm. Apropos finden: Der nützliche Tempomat wird vom Mini-Lenkrad völlig verdeckt. Dennoch dauert es nur kurze Zeit, bis man ihn „blind“ bedienen kann. Er funktioniert sehr gut. Bei der Federung überrascht der an sich komfortabel abgestimmte Kombi, denn seine Vorderachse neigt bei schlechten Straßen ganz leicht zum Poltern. Bei einer zuvor getesteten Limousine trat dieses Phänomen nicht auf.
Der neue Diesel belegt, dass die Franzosen gute Selbstzünder bauen können. Er gehört zu den Besten der 1,6-Liter-Klasse und erfüllt die strenge Euro-6-Abgasnorm mittels BlueHDi-Technologie. Diese senkt sowohl Stickoxid- als auch Rußpartikelemissionen um bis zu 90 Prozent und senkt überdies Verbrauchs- und CO2-Werte um bis zu vier Prozent. Die Franzosen setzen den zusätzlichen SCR-Kat, welcher mittels einer in den Abgasstrom eingespritzten Harnstofflösung die Stickoxide reduziert, vor den Rußpartikelfilter, was ein besonders schnelles Ansprechen der Abgasreinigung nach dem Motorstart bewirkt sowie einen geringeren Verbrauch als bei anderen Reinigungstechniken ermöglichen soll.
Das maximale Drehmoment von 300 Newtonmeter liegt bereits bei 1750 Touren an. In der Praxis gefällt dieser neue Diesel mit seiner Elastizität und Laufruhe. Die Höchstleistung von 120 PS wird bei niedrigen 3500 U/min erreicht. Ordentlich agiert die serienmäßige Stop-Start-Automatik. Sie arbeitet deutlich besser als das VW-System.
Vor allem auf langen Autobahntouren fühlt sich der Vierzylinder wohl. Der sechste Gang des gut schaltbaren Getriebes ist allerdings aus Verbrauchsgründen sehr lang übersetzt. Bei 130 km/h dreht sich die Kurbelwelle im höchsten Gang ganze 1900 Mal pro Minute. Der neue 120-PS-Diesel arbeitet deshalb nicht nur extrem leise, sondern auch extrem sparsam. Bei normalem Landstraßentempo zeigt der Bordcomputer 4,3 Liter an, bei konstant 130 km/h sind es nur 5,1 Liter. Bei Tempo 150 auf der Autobahn kratzt er an der Sechs-Liter-Marke , und im Schnitt auf den insgesamt 1400 Testkilometern sind es lediglich 5,1 Liter. Ein Klasse-Wert, mit dem dieser agile Kompakt-Kombi beim realen Verbrauch sogar Kleinwagen unterbietet. Trotz der ausgewiesenen Effizienz dieses Dieselmotors strömen aus dem Lüftungsdüsen bereits nach gut zwei Kilometern die ersten lauwarmen Winde, im Winter eine feine Sache.
Hören und Sehen
Meistens hört man in diesem Auto so gut wie nichts vom Motor. Auch die Abrollgeräusche halten sich vornehm zurück, denn das Auto ist sorgsam gedämmt. Dafür klingt das serienmäßige Radio mit seinen sechs Lautsprechern richtig gut. Der große Peugeot-Kombi gehört zu den übersichtlicheren Autos. Nach vorn ist die Sicht gut, schräg nach hinten wegen der schmalen D-Säulen noch okay. Die direkte Sicht nach hinten behindert jedoch die recht kleine Heckscheibe. Gut, dass es hintere und vordere Parkpiepser für 320 Euro im günstigen Paket mit Nebelscheinwerfern und elektrisch anklappbaren Außenspiegeln gibt.
Wählen und Zahlen
Unser Testwagen kam in der mittleren Ausstattung Active – bereits mit vielem an Bord, was das Fahren angenehm macht. Allerdings gibt es keine Option auf Fahrerassistenzsysteme, welche heutzutage in dieser Klasse von vielen anderen Herstellern angeboten werden. Die gibt es ausschließlich in der Topversion. Der 308 SW Allure BlueHDi 120 Stop&Start kostet 24600 Euro. Die Basisversion Access, welche mit dem neuen 110 PS starken Dreizylinder-Benziner bereits ab 19450 Euro angeboten wird, ist für den 120-PS-Diesel nicht lieferbar. Der günstigste Diesel mit 100 PS startet erst ab 21300 Euro. Einen guten Diesel zu fahren hat bei Peugeot halt seinen selbstbewussten Preis.
Gutes und Schlechtes
Diesel konnten die Franzosen schon immer bauen. Dieser Neue mit 120 PS hier ist ein Ausrufungszeichen wert: leicht, leise, kräftig, kultiviert, macht er den dynamisch auftretenden, aber sehr geräumigen Peugeot 308 SW zum sparsamsten Kombi in der Reihe unserer Praxistests! Lediglich 5,1 Liter im Schnitt flossen alle 100 Kilometer aus dem 52-Liter-Tank. Bei etwas verhaltenem Gasfuß waren es gar nur 4,3 Liter, ohne dass man deswegen langsam unterwegs war. So gibt es eine klare Antwort auf die eingangs gestellte Frage: Nein, der 308 SW ist nicht nur irgendein neuer Kombi mehr in der Kompaktklasse, sondern ein eigenständiger Typ mit Stil, Platz, Qualität und sehr geringem Verbrauch.
Als weniger gut hingegen erweist sich die Aufpreispolitik der Franzosen. Wichtige sicherheitsrelevante Ausstattungsdetails wie LED-Hauptscheinwerfer oder solche Fahrerassistenzsysteme wie automatische Gefahrenbremsung, Radar-Tempomat, aktiver Einparkautomate oder Totwinkelassistent sind nur im Topmodell Allure zu haben, welches 2300 Euro mehr kostet als die schon gut ausgestattete Active-Version, mit der unser Testwagen zu uns kam.
Leider ist dieser famose 1.6er Diesel nicht mit einer Automatik lieferbar. Wer die schnell schaltende und komfortable Sechsstufen-Wandlerautomatik vom japanischen Spezialisten Aisin ordern will, muss gleich 4850 (!) Euro mehr ausgeben. Denn sie gibt es nur für den 150-PS-Zweilliter-HDI in der höchsten Ausstattung – erst ab 29450 Euro, ohne Extras.
Stärken:
Sehr gutes Raumangebot
Sehr gute Sitze
Überzeugender Antrieb
Schwächen:
Gewöhnungsbedürftige Bedienung
Keine Automatik für 1.6er
Leichtes Vorderachspoltern
Konkurrenz
VW Golf Variant
Skoda Octavia Combi
Opel Astra Sports Tourer
Technische Daten | Peugeot 308 SW Active 120 Stop&Start |
---|---|
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) | 4,59/1,80/1,46 Meter |
Leergewicht | 1365 Kilogramm |
Kofferraumvolumen normal/Rückbank umgelegt | 610 Liter |
Maximale Zuladung | 505 Kilogramm |
Sitzplätze | 5 |
Tankvolumen | 52 Liter |
Motor | Reihen-Vierzylinder-Diesel-Motor mit Direkteinspritzung und Abgasturbolader, Start-Stop-Automatik serienmäßig |
Hubraum | 1560 Kubikzentimeter |
Getriebe | 6-Gang-Handschaltgetriebe |
Leistung (kW/PS) | 88/120 |
Drehmoment | 300 Newtonmeter bei 1750 Umdrehungen/Min |
Beschleunigung 0 - 100 km/h | 10,1 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 194 km/h |
Verbrauch laut Hersteller (innerorts / außerorts / kombiniert) | 3,6/3,0/3,2 Liter |
Verbrauch im Test | 5,1 Liter |
Typklassen (KH/VK/TK) | 18/20/20 |
Preis als Basisfahrzeug | 24 600 Euro |
Preis des Testwagens | 26380 Euro |
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid:
- showPaywallPiano:
- false