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25. November 2019. Mitarbeiter der Spurensicherung vor dem Dresdner Residenzschloss mit dem Grünen Gewölbe.

© dpa/Sebastian Kahnert/Bearbeitung Tagesspiegel

Millionencoup im Grünen Gewölbe: Warum die Juwelendiebe noch frei sind

Der Kunstdiebstahl aus dem berühmtem Museum in Dresden am 25. November 2019 gilt als einer der spektakulärsten Einbrüche Deutschlands. Sechs Männern wurde der Prozess gemacht.

Wird irgendwo in Deutschland ein spektakulärer Einbruch entdeckt, werden Gold oder Juwelen gestohlen, dann fällt der Verdacht zügig auf die Remmos. Dutzende einschlägig bekannte Männer gehören zur Großfamilie, die überwiegend in Berlin lebt. Weltweit bekannt wurde der Clan wegen des Juwelendiebstahls aus dem Grünen Gewölbe in Dresden.

1 Der Einbruch

Das ganz große Ding sollte es werden. Mehrfach fuhren im Herbst 2019 Männer der Großfamilie Remmo von Berlin nach Dresden. Dort telefonierten sie mit anonym gekauften Mobilnummern und nutzten mit falschen Papieren besorgte Autos, darunter einen Mercedes. Der wurde wie ein Taxi hergerichtet, um unauffällig am Grünen Gewölbe parken zu können. Mit einem Spezial-Schneidegerät wurde ein Fenster geöffnet, doch das offene Fenster zunächst verborgen.

Eine sogenannte Aigrette, ein Haarschmuck, die unter den gestohlenen Juwelen war. Insgesamt kamen 4300 Diamanten weg.
Eine sogenannte Aigrette, ein Haarschmuck, die unter den gestohlenen Juwelen war. Insgesamt kamen 4300 Diamanten weg.

© dpa/Grünes Gewölbe

Am 25. November 2019 kurz vor 5 Uhr morgens wurde dann ein naher Stromkasten in Brand gesteckt, die Laternen am Grünen Gewölbe fielen aus. Zwei Täter stiegen durch das manipulierte Fenster ins Museum, hackten mit 56 Axthieben die Juwelen-Vitrinen auf und rissen 21 Schmuckstücke aus der Verankerung, Versicherungswert: 114 Millionen Euro. Die Männer flohen in einem Audi, der in einer Tiefgarage angezündet wurde. Nach Berlin ging es im Mercedes. Diesen konfiszierten Polizisten – aber nur, weil er scheinbar herrenlos an der Straße parkte. Kurz darauf stand der Wagen auf einem Berliner Sicherstellungsgelände in Flammen. Auffällig: Schon öfter brannten Wagen aus dem Clanmilieu auf Polizeiarealen.

Auf der Flucht: Die Einbrecher fahren nach dem Einbruch mit einem hellen Audi A6 Kombi durch Dresden.
Auf der Flucht: Die Einbrecher fahren nach dem Einbruch mit einem hellen Audi A6 Kombi durch Dresden.

© dpa

2 Der Prozess

Dresdens Polizei richtete schnell eine 40-köpfige Sonderkommission ein. Es gab DNA-Spuren am Tatort, bald waren die Remmos im Visier. Einer von ihnen war gerade für einen Bruch verurteilt worden, bei dem Spreiz- und Schneidegeräte gestohlen wurden. Der Mann war 2017 zudem im Berliner Bode-Museum dabei, wo eine 100-Kilogramm-Goldmünze entwendet wurde. Die Verdächtigen bemerkten die Observation, fotografierten die Zivilfahnder und schickten Bilder im Clan herum.

25. November 2019. Polizisten am Morgen nach dem Einbruch in Dresden.
25. November 2019. Polizisten am Morgen nach dem Einbruch in Dresden.

© dpa/Sebastian Kahnert

Es half ihnen wenig: In einer Novembernacht 2020 durchsuchten 1650 Polizisten in Berlin diverse Wohnungen, Garagen, Läden. Sechs schon aktenkundige Remmos wurden sukzessive festgenommen. Von einer „klaren Botschaft“ sprach Berlins damaliger Innensenator Andreas Geisel (SPD). In Dresden vertraten 13 Verteidiger die sechs Männer. In einem Justiz-Deal um mildere Strafen gaben die Angeklagten einzelne, wenngleich beschädigte Beutestücke zurück.

Im Mai 2023 wurden fünf Angeklagte zu Freiheitsstrafen zwischen vier Jahren und vier Monaten sowie sechs Jahren und drei Monaten verurteilt, einer wurde freigesprochen.

3 Die Fragen

Einer der fünf Verurteilten akzeptierte seine Jugendstrafe, in vier Fällen laufen Revisionen. Drei Verurteilte sind im Zuge der Justiz-Absprache bis zur Rechtskraft ihrer Urteile auf freiem Fuß. Einer sitzt ein, weil er bereits für den Diebstahl der 100-Kilogramm-Goldmünze verurteilt wurde: Die Tat in Dresden verübte er während des Goldmünzen-Prozesses. Er saß nicht in U-Haft.

Unbeantwortet ist: Wer war dabei, als einige Täter das Grüne Gewölbe auskundschafteten – und wo übernachteten sie? Wer beschaffte die Tatwagen, lackierte sie um, zündete den konfiszierten Flucht-Mercedes an? Wo waren die Juwelen, bevor sie nach drei Jahren auftauchten? Was ist mit den Diamanten, die noch fehlen?

Derzeit wird einem 24-Jährigen wegen Beihilfe zum Diebstahl mit Waffen, Sachbeschädigung und Brandstiftung der Prozess gemacht. Er ist Bruder beziehungsweise Cousin der Verurteilten und soll in Berlin ein Ablenkungsmanöver veranstaltet haben, damit die späteren Einbrecher unbehelligt nach Dresden konnten. Nach wie vor werden Schneide- und Spreizgerät aus Berliner Feuerwachen gestohlen, verdächtigt werden auch Remmo-Sprösslinge. Ein Onkel der Haupttäter traf im Dezember 2023 in einem Hotel übrigens zufällig Andreas Geisel und stellte sich ungeniert dem Ex-Innensenator vor.

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