zum Hauptinhalt
Roger Schawinski führt bei seinem eigenen Radiosender zweimal wöchentlich selbst durchs Programm. Nun kehrt er auch ins Schweizer Fernsehen zurück. Foto: ddp

© ddp

Aufregung: Zurück zum Monopolisten

Ex-Sat 1-Chef Roger Schawinski wird Polit-Talker im Schweizer Fernsehen. Nicht jedem gefällt das.

Das hat es in der Schweiz so noch nicht gegeben: Ein Bundesrat, also ein Regierungsmitglied der Eidgenossenschaft und eigentlich dem Grundsatz der Trennung von Staat und Rundfunk verpflichtet, poltert drauf los, weil ein „narzisstisch veranlagter Opportunist“ einen Polit-Talk im Schweizer Fernsehen bekommen soll. Der Parteichef der rechtspopulistischen SVP kündigt obendrein an, er werde ein Kalb aus seinem Stall nach dem Moderator taufen: „Roger“. Für gute Unterhaltung ist also schon vor der Premiere von „Schawinski“ gesorgt, dem neuen Talk im öffentlich-rechtlichen Programm SF 1. Vom 22. August an wird dort, wo nach ARD-Maßstäben noch herzlich wenig getalkt wird, „der beste Talker der Schweiz“ (Sender-PR) und frühere Sat 1-Geschäftsführer Roger Schawinski wöchentlich eine halbe Stunde eine Persönlichkeit aus Politik oder Wirtschaft befragen.

Wenn man Schawinski zu „Schawinski“ befragt, hört man diebische Freude heraus darüber, dass die Rechte nach wie vor allergisch auf ihn reagiert. SVP-Politiker hat der links verortete Journalist und Medienunternehmer schon immer gerne feste gekitzelt. Wenige Monate vor den Parlamentswahlen im Oktober ist den meisten Politikern anscheinend aber nicht nach Kitzeln zumute.

Auf seinem eigenen „Sender für Erwachsene“, Radio 1, führt der Chef donnerstags und sonntags persönlich durchs Programm. Er grillt dort SVP-Vize Christoph Blocher, der sich wieder ins Parlament wählen lassen will, oder fachsimpelt mit Marc Sway über Schweizer Pop. Dazu will er nun montags kontroverse Gespräche im Fernsehen führen, „irgendwo in der Mitte zwischen Beckmann und Friedman“. Schawinski glaubt, dass er aufgrund seiner journalistischen und unternehmerischen Erfahrungen mit den führenden Leuten des Landes „auf Augenhöhe diskutieren“ kann. Nach einer Online-Umfrage des Boulevard-Blatts „Blick“ finden 64 Prozent Schawinskis Comeback auf SF 1 nicht gut; er sei ein Selbstdarsteller.

1974 erfand Schawinski für SF 1 das Verbraucherformat „Kassensturz“, das noch immer gut läuft, mit lebenshilfreichen Themen wie „Crèmes gegen Cellulite“. Dann machte er sich auf, die eidgenössische Medienlandschaft umzukrempeln. Ohne diesen schlagfertigen Schlawiner aus Zürich, der im Juni seinen 66sten feierte, gäbe es vielleicht kein kommerzielles Radio und Fernsehen in der Schweiz. Er gründete das erste Schweizer Privatradio (Radio 24), den ersten nationalen Privatsender (Tele 24), und er ließ nie eine Gelegenheit aus, gegen das „Monopolfernsehen“ zu wettern, für das er nun nach über 30 Jahren wieder arbeiten wird.

Der Monopolist, das ist die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft, mittelkurz SRG SSR idée suisse genannt. Ein privater Verein mit 20 000 Mitgliedern und 6100 Angestellten, der Programm macht für acht TV- und 18 Radiostationen in vier Sprachen. Das Schweizer Fernsehen mit den deutschsprachigen Kanälen SF 1, SF 2 und SF info (zusammen 30,7 Prozent Marktanteil in der ersten Jahreshälfte 2011) sowie die DRS-Radios (61,2 Prozent) sind die mit Abstand beliebtesten Sender im Land. Ihren gesellschaftlichen Auftrag, den Service Public, finanziert die SRG zu gut zwei Dritteln aus Empfangsgebühren. Das Vorjahr 2010 schloss sie mit tiefroter Bilanz ab. Dabei zahlen die Eidgenossen nach den Dänen (Stand 2008) in Europa am meisten für TV und Radio an das GEZ-Gegenstück Billag: 462 Franken (367 Euro) pro Jahr.

Gegen das „Gebührenmonster“ laufen SRG-Kritiker wie die SVP-Politikerin Natalie Rickli Sturm. Im Mai reichte sie beim Bundesrat eine Petition ein, die wählerfreundlich fordert: „200 Franken sind genug.“ Außerdem findet die fesche Nationalrätin, dass die SRG zur Erfüllung ihres Service Public nicht so viele Kanäle braucht und dass Quiz-, Koch- und Casting-Shows wie „Die größten Schweizer Talente“ nicht ins Staatsfernsehen gehören. Was private Sender machen könnten, solle auch den Privaten überlassen werden. So was hören Ricklis Kunden sicher gerne – hauptberuflich verkauft sie Werbung im Privatfernsehen. Eine vorberatende Kommission im Bundesrat wies allerdings Ende Juni die Rickli-Petition mit großer Mehrheit ab.

Applaus für ihren Anti-Billag-Kurs bekommt der SVP-Nachwuchsstar nach wie vor von vielen Schweizern – nur nicht von Roger Schawinski, der eigentlich immer Freund der Privatsender und Feind der SRG war. In der Basler Zeitung bezeichnete er die Rickli-Petition als „völligen Schrott, total undurchdacht“. Ein gewisser Unmut gegen die SRG sei normal: „Ein Monopolist ist nie besonders sympathisch.“ Das sind neue, neu gewandete Töne eines Talkmasters, der bald mit Schweizer Gebührengeldern bezahlt wird und glaubt, dass er „einen Schuss Vielfalt und Unabhängigkeit“ in das System SRG einbringen kann. Seine wiederentflammte Sympathie für das öffentlich-rechtliche Fernsehen erklärt Schawinski, dem nachgesagt wird, er höre und sehe sich gerne reden, schlicht mit der neuen Anstaltsführung: Roger de Weck.

Der frühere Chefredakteur von „Zeit“ und „Tages-Anzeiger“ (Zürich) löste im Januar überraschend den Bürokraten Armin Walpen ab als SRG-Generaldirektor, also als oberster Manager des Schweizerischen Rundfunks. Mit Walpen, der das SRG-Monopol ausbaute und unter dem Stichwort „Konvergenz“ die Fusion von Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) anschob, lag Schawinski über Kreuz. Mit de Weck lief er Marathon in New York. Man ist befreundet. Man teilt laut Schawinski die Meinung, „dass mehr inländische Konkurrenz für die SRG besser wäre“. Was übersetzt heißt: Bitte mehr kommerzielles Fernsehen in der Schweiz.

Die Veränderungen, die Superdirektor de Weck in seiner kurzen Amtszeit angestoßen hat, seien bisher „in erster Linie klimatischer Hinsicht“. Aber man spüre, sagt der ältere über den jüngeren Roger, „da ist erstmals einer an der Spitze, der sich fürs Programm interessiert“. Das könne viel auslösen. Das sei auch bei ihm der Fall gewesen, als er 2003 zu Sat 1 kam und sich die Nachrichtenleute dort über seine persönlich vorgetragene Fernsehkritik freuten, glaubt Schawinski.

Er sei noch immer angefixt und studiere jeden Morgen die Quoten von Sat 1 und Co. Ein erneutes Engagement im deutschen TV-Biz schließt Schawinski allerdings aus: „Das war eine wunderbare Zeit in Berlin. Aber das ist vorbei.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false