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In einer Reihe mit „Monaco Franze“. Dauerstudent Jaksch (Jakob Schreier) ist über beide Ohren in die Musikerin Hanna (Isabella Wolf) verliebt.

© ZDF und Johannes Brugger

ZDF-Serie „Fett und Fett“: Das Schweben der Bohème

Aus dem Web ins Fernsehen: Mit der erfrischend wilden Serie „Fett und Fett“ sucht das ZDF das Lebensgefühl Ende 20.

Schlendern im Glockenbachviertel, Grillen an der Isar, Flirten im Schwabing-Café – kaum eine deutsche Stadt hat Filmemacher in Sachen absurde und alltägliche Geschichten dermaßen angeregt wie München. Franz Xaver Kroetz, Helmut Dietl, Dominik Graf, Klaus Lemke. Man fragt sich ja schon, was passiert, wenn Lemke nicht mehr seinen jährlichen München-Film dreht, der dann regelmäßig im ZDF ausgestrahlt wird.

Und schaut auf das Autoren-Team Jakob Schreier/Chiara Grabmayr. Die beiden Filmstudenten haben vor drei Jahren aus Spaß eine Serie fürs Online-Portal Vimeo produziert und nun, nach viel viralem Auftrieb, eine Fortsetzung gefunden, dazu das große ZDF als Partner („Fett und Fett“, Montag, ZDF, ab 0 Uhr 15, elf Folgen am Stück, auch in der ZDF Mediathek).

Als ob München diese Figuren ausspucken würde: Schreier ist Jaksch, Ende 20, ein gemütlicher Typ, Studium der Theaterwissenschaften, hohe Wuschelfrisur, eine Mischung aus Stan Laurel und Monaco Franze. Klingt ungewöhnlich genug, man muss das gesehen haben.

Jaksch hat keinen Job und keine Freundin, er radelt, chillt, trinkt, quatscht und feiert durch München. Wenn er etwas Ernstes wie ein Bewerbungsgespräch als Regieassistent bei Matthias Lilienthal vor der Brust hat, tauchen Freunde mit Bier oder Wodka in der Hand auf.

Das lässt ihn in schwächeren Stunden kurz vorm 30. Geburtstag auch schon mal an seiner Zukunft zweifeln und in die Arme einer Psychotherapeutin laufen, die mit Jaksch nichts Rechtes anzufangen weiß.

Mit der Handkamera durch Clubs, Isarauen, Wohnungen und Straßen Münchens, später auch Berlins – notorische ZDF-Zuschauer werden sich bei der temporeichen elfteiligen Serie, keine Folge ist länger als 20 Minuten, die Augen reiben, auch wenn sie vom kleinen Fernsehspiel einiges gewohnt sind an Unkonventionellem.

„Sorry, ich bin grad’ einfach ein Penner“

Schreier, der auch Gags für die „heute-show“ schreibt, ist ein Naturtalent. Chiara Grabmayr und er haben sich an der Hochschule für Fernsehen und Film in München kennengelernt. Bei einer Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn soll sie es so amüsant gefunden haben, wie Schreier isst, dass sie dachte: Das muss vor die Kamera.

Herausgekommen ist eine erfrischend authentische, klug geschriebene, nicht immer klischeefreie Serie über 30-jährige Großstädter. Hier wird über eine App-Idee diskutiert, dort darüber, wie man dem Keyboard zu Hause echte Kunst entlockt.

Der neue yogische Mitbewohner stellt sich bei Jaksch vor, dieser braucht eine Waschmaschine und verliebt sich in Club-Bekanntschaft Hanna (Isabella Wolf), die wiederum ist hin- und hergerissen zwischen Slackertum und musischen Ambitionen. Irgendwann landen die beiden in der Badewanne und gestehen sich später in Berlin ein, dass man das wohl Beziehung nennt, nennen muss.

Zwischendurch vergräbt Jaksch nach einer Zech-Nacht mit einer Zufallsbekanntschaft, einem kleinen Mädchen, Spielzeug im Park. Von ferne lässt Dietls „Monaco Franze“ grüßen.

Die Mini-Serie lebt von kleinen, alltäglichen Momenten. Und wie wir schon von Lemke wissen: Vom Alltag zu erzählen ist hohe Kunst, weil Film und Serie sonst immer zur Dramatisierung und Zuspitzung neigen.

In „Fett und Fett“ wird nichts überhöht. Stattdessen echte Menschen, die selten druckreif sprechen. „Sorry, ich bin grad’ einfach ein Penner“ sagt Hanna zu Jaksch, kurz bevor sie sich von ihm zu trennen versucht. Gut, manchmal nervt der Drogenkonsum, das Sich-Hängen-Lassen der Protagonisten.

Aber dann gibt es unglaublich surreale, schwebende Geschichten wie Jakschs Fahrradtour in Unterhose durch München, zurück zu dem Ort, an dem er nachmittags bei einem Grillfest in die Isar gestiegen und einfach mal so fortgetrieben ist.

München leuchtet wieder. Beiläufig, spontan. Und das ZDF ein klein bisschen dazu, wenn auch zu unmöglicher Sendezeit. Aber dafür gibt’s ja die Mediathek.

Bei allem „funk“-Gedöns des öffentlich-rechtlichen Jugendangebots – wann ist es ARD und ZDF schon mal so unterhaltsam gelungen, eine Art Lebensgefühl der Generation einzufangen, die ihr im linearen Fernsehen verloren zu gehen droht? Das gilt nicht nur für München.

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