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Lanz

© dpa

Fernsehen: "ZDF bedeutet Schwarzwald, nicht Ibiza"

ZDF-Moderator Markus Lanz talkt und kocht statt Johannes B. Kerner. Ein Gespräch über Frauen, Wohlfühlen und Sklaverei.

Was hat Ihnen bei RTL gefehlt, das Sie nun beim ZDF bekommen – außer mehr Geld?

Wie kommen Sie denn darauf? Nein, das Angebot war inhaltlich sehr reizvoll und genau das, worauf ich lange gewartet hatte. Der Wechsel war keine Entscheidung gegen RTL. Ich hatte mich persönlich in eine andere Richtung entwickelt. Und ich konnte den Traum verwirklichen, den wohl auch der Mann am Fließband bei Ford hat: raus aus der täglichen Mühle.

Was hat Sie daran so genervt?

Wir haben mit RTL-„Explosiv“ jeden Tag eine aktuelle Sendung produziert, unter ziemlich hohem Druck. Jeden Morgen um 8 Uhr 30 gab’s das Zeugnis in Form von Quoten und davon hing ab, ob die Laune den Rest des Tages über eher gut oder eher schlecht war. Am nächsten Tag begann das Spiel wieder von vorne. Kein Mitleid: Ich habe während dieser Zeit als Redaktionsleiter sehr viel gelernt und durfte gestalten. Ich wollte keine Vorlesepuppe sein, und RTL hat mir diese Chance gegeben.

Mit ihrer eigenen ZDF-Talkshow können Sie zwar eigene Themen setzen. Das Zeugnis dafür bekommen Sie mit der jeweiligen Zuschauerzahl trotzdem weiterhin.

Stimmt, allerdings nicht täglich. Und es ist schon so, dass Sie bei einem kommerziellen Sender noch sehr viel mehr von marktwirtschaftlichen Kennziffern abhängig sind. Nur gute Quoten bringen Geld. Umgekehrt bedeuten Gebührengelder viel Verantwortung, und das ZDF steht vor großen Herausforderungen: einerseits Massenmedium bleiben, andererseits Anspruch. Einerseits jünger werden, andererseits die Stammzuschauer nicht vergraulen. Sie können ja nicht eine coole Party auf Ibiza schmeißen, wenn der Bus mit den Gästen vorher in den Schwarzwald abbiegt. Die Herausforderung besteht dann eher darin, auch im Schwarzwald cool zu sein. Das geht, ist aber nicht ohne Risiko.

Haben Sie Angst zu scheitern?

Nein, ich kalkuliere das durchaus mit ein. Scheitern ist auch nichts Ehrenrühriges.

Jetzt höre ich mich schon fast an wie der neue ZDF-Psychologe.

Passt doch, Sie übernehmen vertretungsweise den Sendeplatz von Johannes B. Kerner. Warum hat das ZDF Sie engagiert?

Das hat vielleicht was mit der Zuschauerstruktur zu tun: Das Talkshowpublikum um diese Uhrzeit ist vor allem weiblich. Frauen regieren also nicht nur die Welt, wie Roger Cicero singt, sondern auch die Fernbedienung.

Aber Sie wollen sicher auch Männer begeistern?

Ja, klar. Keine Männer sind auch keine Lösung... Und ich glaube, es ist schon wichtig, dass Fernsehleute irgendwie mehrheitsfähig sind. Wenn Sie wie Michel Friedman zu sehr polarisieren, dann ist das zwar journalistisch höchst spannend, trotzdem schalten die Leute oft ab, weil es zu aufdringlich wirkt.

Talkshows dürfen also nicht wehtun?

Harte Polittalks wie der von Frank Plasberg in der ARD sind etwas anderes. Wenn Sie so wie wir am späten Abend senden, müssen sie auch Wohlfühlfernsehen machen. Da geht es nicht zuletzt auch darum zu unterhalten. Es bringt nichts, nur politisch korrekt und emotionslos zu sein: Irgendwann droht die Gefahr, an der eigenen politischen Korrektheit zu ersticken.

Also sitzt auf Kerners Stuhl nun plötzlich Herr Lanz, aber alles andere bleibt gleich?

Nicht ganz. Wir werden eher mit Themenschwerpunkten arbeiten und daraus die Gäste ableiten. Außerdem wird es nicht die große Runde sein. Wir haben eine Ecke für ein intensives Zweiergespräch, aber auch eine, in der wir ein aktuelles Thema durchaus kontrovers diskutieren können. Daraus wird sich wohl auch ergeben, dass wir am Ende nicht so viele Prominente in der Sendung haben wie Johannes.

Aber es gilt doch die Regel: Je höher die Promidichte, desto höher ist auch die Einschaltquote?

Da bin ich mir gar nicht so sicher. Ich glaube, die Menschen interessieren vor allem Themen, die auch für sie selbst von Belang sind. Beispiel: Tokio Hotel. Die Jungs einfach abzufragen, würde Teenies sicher interessieren. Aber alle anderen? Es wäre aber interessant mal zu sehen, wie eine ganze Familie dieses Phänomen erlebt: Wie teuer ist es eigentlich, Tokio-Hotel-Fan zu sein? Was muss der Vater erdulden, wenn die Tochter infiziert ist? Was sagt der Lehrer, wenn das Fräulein nie da ist? So holen Sie zwei Generationen auf einmal ab.

Sie werden auch Kerners Kochshow übernehmen, „Lanz kocht“ heißt es ab Freitag. Wie soll das ein Erfolg werden, wenn Sie allein zum Einkaufen zu faul sind?

Stimmt, zum Einkaufen bin ich oft zu faul, aber nicht zum Kochen. Vor allem qualifiziert mich aber, dass ich gerne esse. Im Ernst: Ich habe die faszinierende Lebensgeschichte von Horst Lichter zu einem Buch verarbeitet: „Und plötzlich schaust Du bis zum lieben Gott – die zwei Leben des Horst Lichter“. Seitdem begeistern mich Spitzenköche.

Weshalb?

Das sind extreme Menschen. Auch deshalb, weil sie in einer absurd harten Konkurrenzsituation stehen. Lichter hat zwei Hirnschläge und einen Herzinfarkt überlebt. Viele von denen suchen sich zu ihrer Arbeit einen ungewöhnlichen Ausgleich. Johann Lafer fliegt Hubschrauber, Alfons Schuhbeck arbeitet nachts bis eins, geht zwei Stunden ins Fitnessstudio und schläft dann vier Stunden. Solche extremen Menschen machen mich neugierig.

Und was begeistert die Zuschauer an Kochshows?

Jede funktioniert anders. Das „Perfekte-Promi-Dinner“ zum Beispiel über den Schlüssellocheffekt: Die Zuschauer wollen wissen, wie die Menschen wohnen. Unsere Sendung lebt von der hohen Dichte an Spitzenköchen: Das gibt es nirgendwo sonst. Und ich glaube, sie lebt auch von der Sehnsucht nach einem Gefühl, das es schon gab, als in der Höhle das Feuer angezündet wurde, um ein Stück Mammut zu braten. Dieses Gefühl: Die Familie versammelt sich.

Sie haben als „Gastronomie-Sklave“ gearbeitet. Was haben Sie lernen müssen?

Durchzuhalten. Das lernt man in der Gastronomie wirklich. Drei Monate an einer Spüle in einem Hotel, in dem alleine 200 Essen nur zum Mittagessen rausgehen: Da bekommen sie ein Gefühl dafür, was Arbeit so alles bedeuten kann. Hitze, Lärm, das ist eine richtige Schinderei. Die Küche mit dem Koch als uneingeschränktem Herrscher ist der Vorhof zur Hölle. Da lernt man sich durchzubeißen.

Das Interview führte Sonja Pohlmann.

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