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„Duckmäusertum“ wirft Enthüllungsjournalist Wallraff dem WDR vor.

© ddp

Geheime Recherche: "Wir hätten nie geklagt"

33 Jahre nach der Sperre für den Wallraff-Film über "Bild" liegt der Schwarze Peter beim WDR.

Das Buch war besser. Das gilt – zumindest im übertragenen Sinn – auch für „Der Aufmacher. Der Mann, der bei ,Bild‘ Hans Esser war“. Zumindest dürfte Günter Wallraffs Enthüllungsbuch von 1977 erheblich wirkungsvoller sein als jener Film des Westdeutschen Rundfunks (WDR), der im gleichen Jahr auf Grundlage des Buches entstand, aber dann unausgestrahlt im „Giftschrank“ des Senders verschwand, meint der Dortmunder Zeitungsforscher Horst Röper.

Nun, über 33 Jahre später, hat der WDR die Sperre von WDR-Fernsehdirektor Heinz Werner Hübner aufgehoben. Wallraff hatte zuvor selbst an den Springer-Verlag, gegen dessen Boulevardzeitung „Bild“ er mit drei Büchern zu Felde gezogen war, geschrieben und angefragt, ob der WDR wegen des Films noch immer rechtliche Schritte befürchten müsse. Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner hatte Wallraff daraufhin versichert, dass er den Film als ein Zeitdokument betrachte, gegen das Springer nie etwas unternommen hätte und auch in Zukunft nichts unternehmen werde. Das Verhalten des WDR bezeichnete der inzwischen 67-jährige investigative Journalist als „Armutszeugnis“, Anzeichen für „Duckmäusertum“ und „vorauseilenden Gehorsam“.

Unter dem Decknamen Hans Esser hatte Wallraff 1977 für dreieinhalb Monate bei „Bild“ Hannover über die Arbeitsweise der Boulevardzeitung recherchiert. Nach der Veröffentlichung von „Der Aufmacher“ sprach der Presserat gegen „Bild“ sechs Rügen aus. Auch Wallraff erhielt eine, für seine „nicht zulässige verdeckte Recherche“.

Die Wirkung des Buches war jedenfalls enorm. Sogar im Schulunterricht wurde „Der Aufmacher“ eingesetzt, um den Kindern Medienkritik beizubringen, erinnert sich Röper. „Vieles aus dem Film dürfte heute hingegen altbacken wirken“, meint der Leiter des Formatt-Instituts, „auch wenn dies weniger mit inhaltlichen Fragen zu tun hat als mit der anderen Schnitttechnik.“ Wie der Film heute ankommt, hänge überdies davon ab, in welchem Umfeld die Dokumentation gezeigt wird, ob die Themen danach zum Beispiel in einer Expertenrunde eingeordnet würden. „Am besten wäre sicherlich ein recherchierter Filmbericht darüber, was sich seither verändert hat“, meint Röper.

Die Zeiten haben sich auch für den Springer-Verlag geändert. „Bild“ sei damals anders gemacht worden, räumt Edda Fels, Sprecherin des Verlages, ein. „Wir hatten eine andere Zeit mit einem anderen Deutschland, einer anderen Politik und einer anderen Befindlichkeit in der Bevölkerung“, sagte Fels dem Tagesspiegel. Heute gebe es ein anderes Verständnis davon, wie guter Boulevard gemacht werde. Man sei auch viel entspannter damit, eigene Fehler einzugestehen.

Unabhängig davon habe es aber bereits damals keine Absicht für eine Klage gegen den Film gegeben, noch sei mit einem solchen Schritt gedroht worden. Anders beim Buch. Der Springer-Verlag setzte vor Gericht durch, dass Passagen aus der ersten Ausgabe nicht weiterverbreitet wurden. Dabei handelte es sich um Zitate von „Bild“-Mitarbeitern, die in den weiteren Ausgaben geschwärzt wurden.

Dass der Verlag so gelassen mit dem Reizthema umgeht, liegt für Röper durchaus im Interesse von Springer. So werde das Thema längst nicht so spektakulär behandelt, als wenn gegen die Ausstrahlung opponiert würde. Die „Bild“ aus Hans Essers Tagen existiere ohnehin nicht mehr. Es gebe zwar weiterhin Kampagnen, dabei sei „Bild“ aber längst nicht mehr so aggressiv auf einen politischen Gegner fixiert, meint Röper. Kurioserweise wurde der Film trotz des Sperrvermerks des WDR in einem Dutzend Länder gezeigt. Ob und wann der Wallraff-Film nun ausgestrahlt wird, ist offen. Im Moment ist keine Ausstrahlung vorgesehen, teilte der WDR auf Nachfrage mit. Zudem wäre der Beitrag auch ohne Sperrvermerk erneut redaktionell abzunehmen. Kurt Sagatz

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