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Genug ist genug. Der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow fordert einen tiefgreifenden Neuanfang im Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB).

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ARD-Senderchefs distanzieren sich von RBB-Spitze: „Wir haben kein Vertrauen mehr“

Der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow fordert die RBB-Geschäftsführung zum Rücktritt auf. Kurz zuvor war die Ratsvorsitzende Friederike von Kirchbach zurückgetreten.

Kaum war der Rücktritt von Friederike von Kirchbach als Vorsitzende des Rundfunkrates des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) vermeldet, da lud auch schon der ARD-Vorsitzende und WDR-Intendant Tom Buhrow zum Pressegespräch. „Friederike von Kirchbach setzt damit das Signal für einen tiefgreifenden Neuanfang beim RBB“, sagte Buhrow. Dieser werde auch die amtierende Geschäftsführung des Senders betreffen müssen.

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„Ich muss leider sagen: Wir, die Intendantinnen und Intendanten der ARD, haben kein Vertrauen mehr, dass der geschäftsführenden Leitung des Senders die Aufarbeitung der diversen Vorfälle zügig genug gelingt“, so Buhrow. Nach wie vor würden die Senderchefs immer neue Vorwürfe ausschließlich aus der Presse erfahren.

Für ihn sei es fraglich, ob der RBB mit dieser Aufstellung stabilisiert werden könne. Das sei aber im elementaren Interesse der ARD, „der leidgeprüften Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch der Menschen im RBB-Sendegebiet“.

Was Buhrow sagte, sagte er ausdrücklich im Namen aller Intendantinnen und Intendanten – exklusive des geschäftsführenden RBB-Chefs Hagen Brandstäter, der an den aktuellen Beratungen in der ARD-Runde nicht beteiligt ist.

Tom Buhrow betonte, dass die Krise im RBB keine Krise der ARD sei, die Strukturen in den anderen Häusern seien stabil. „Im RBB dagegen beginnen sie sich aufzulösen.“ Was die Intendantinnen und Intendanten tun könnten, das sei begrenzt. „Wir können nur Hilfe anbieten, sofern sie gewünscht ist. Wir wollen die Unruhe im RBB ja nicht verschärfen.“

Was es gilt: Die Handlungsfähigkeit des RBB wiederherzustellen. Die Intendantinnen und Intendanten sind nach Buhrows Worten der festen Überzeugung, dass es dazu einen tiefgreifenden Neuanfang brauche - mit einem Sanierer, einem Krisenmanager an der Spitze, der entweder alleine oder mit einem Team kommt. Das sollte schnell geschehen.

Friederike von Kirchbach, Vorsitzende des RBB-Rundfunkrates, ist mit sofortiger Wirkung von ihrem Amt zurückgetreten.

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Neuanfang, das war das Zauberwort am Samstag. Auch Friederike von Kirchbach begründete damit ihren Rückzug: „Der RBB steht vor einem Neuanfang. Nach zehn Jahren als Vorsitzende des Rundfunkrates möchte ich dazu einen Beitrag leisten und stelle mein Amt zur Verfügung. Unser Gremium hat mit der Abberufung von Patricia Schlesinger als Intendantin den Weg für neue Strukturen und Personen im RBB frei gemacht. Für alles, was jetzt kommt, sehe ich neue Verantwortliche in der Pflicht, deshalb trete ich zurück“, sagte von Kirchbach laut einer Sendermitteilung.

Der Rundfunkrat sei eine zentrale Institution des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. „Für mich war die ehrenamtliche Arbeit in diesem Gremium bereichernd, die Aufgabe als Vorsitzende habe ich gerne wahrgenommen“, sagte von Kirchbach.

In der fortlaufenden Debatte um die ARD-Anstalt und das öffentlich-rechtliche System solle es nicht um Personen gehen, für sie stehe die Sache im Vordergrund. Dazu gehöre die selbstkritische Betrachtung der Arbeit im Rundfunkrat in der Vergangenheit. Diese Diskussion jetzt noch mit angestoßen zu haben, sei ihr wichtig.

Sorge um die eigene Integrität

Wie sehr die anhaltende Krise die (gewesene) Rundfunkratsvorsitzende umtreibt, zeigt sich in folgenden Sätzen: „Ich bin andererseits nicht bereit, meine berufliche Integrität als Pfarrerin und Seelsorgerin in Frage stellen zu lassen, das geschieht öffentlich und ist für mich nicht hinnehmbar. Die Geschicke des rbb werden in neue Hände gelegt. Meine Verantwortung war es, diesen Prozess einzuleiten, das ist getan und ich ziehe einen Schlussstrich.“

Erkennbar ist, dass von Kirchbach ihre Verantwortung wahrnimmt, auch indem sie die größere Verantwortung für die Vorgänge im öffentlich-rechtlichen Sender indirekt an die abberufene Intendantin Patricia Schlesinger weiterschiebt. Friederike von Kirchbach stand dem Rundfunkrat seit Januar 2013 vor und war seit 2007 Mitglied des Gremiums, das sie ebenfalls mit sofortiger Wirkung verlässt. Entsandt wurde sie von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.

Der stellvertretende Rundfunkratsvorsitzende ist Dieter Pienkny, der die Amtsgeschäfte vorerst kommissarisch übernimmt. Wolf-Dieter Wolf war als Vorsitzender des Verwaltungsrates bereits zurückgetreten.

Brandenburger Landtag bleibt dran

Auch Brandenburgs Landtag bleibt an der Affäre um die RBB-Intendantin Patricia Schlesinger dran. Am Freitag schickte der Vorsitzende des Hauptausschusses des Potsdamer Landtags, Daniel Keller (SPD), erneut einen Fragenkatalog an die Führungsspitze des Senders. So erkundigen sich die Abgeordneten erneut nach dem Inhalt der Zielvereinbarungen mit Schlesinger, den Gästen bei den Abendessen der Intendantin und den umstrittenen Bonuszahlungen für das Führungspersonal des RBB.

„Was wir von Herrn Brandstäter mit Blick auf Bonuszahlungen erleben, ist eine Salamitaktik“, sagte Keller dem Tagesspiegel. Am Dienstag im Hauptausschuss wehrt er sich noch gegen den Begriff Bonuszahlungen, am Mittwoch veröffentlicht er die Bonuszahlungen und jetzt erklärt er, dass es diese Zahlungen nicht mehr geben wird.“

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Aus Sicht des SPD-Fraktionschefs befindet sich der RBB in der schwersten Krise seit seinem Bestehen. Der geschäftsführende Intendant sei zunehmend mit der Situation überfordert und setze die falsche Selbstwahrnehmung von Patricia Schlesinger fort, sagte Keller. „Er muss aufpassen, dass er nicht selbst zum Teil des Problems wird.“

Gemeinsame Sitzung von Landtag und Abgeordnetenhaus

Wie Keller ferner mitteilte, soll es am 17. Oktober im Berliner Abgeordnetenhaus eine gemeinsame Sitzung des Brandenburger Hauptausschusses mit dem für Medien zuständigen Ausschuss des Berliner Abgeordnetenhaus geben. Im Zentrum soll dabei eine Anhörung zum derzeit in Überarbeitung befindlichen RBB-Staatsvertrag sowie zum Staatsvertrag über die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) geben.

Ebenfalls am Freitag kritisierte der Medienexperte der Brandenburger Linken, der Prignitzer Abgeordnete Thomas Domres, ein Schreiben, das am Tag zuvor im Intranet des RBB veröffentlicht wurde. „Wir fordern den uneingeschränkten Zugang zu Informationen und eine Herausgabe solcher Daten an recherchierende Journalisten, auch an solche, die für den RBB tätig sind“, erklärte Domres. „Es kann nicht sein, dass sich selbst das Rechercheteam des Senders an die Pressestelle des Senders wenden muss.“

Offenbar wolle die Geschäftsleitung mit dieser Taktik weitere Informationen unter der Decke halten. „Wer Whistleblowern droht, muss große Angst haben“, sagte der Linken-Abgeordnete. „Das kann und darf erst recht nicht den Kriterien eines öffentlich-rechtlichen Senders entsprechen.“ Aufklärung und Transparenz seien geboten.

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