zum Hauptinhalt
Pinar Atalay.

© TV Now MG RTL D / Morris Mac Matz

Wie geht es Pinar Atalay bei RTL?: „Es hätte schlechter laufen können.“

Pinar Atalay ging von den „Tagesthemen“ zu RTL. Dort fühlt sich die Erste Journalistin noch immer sehr wohl.

Wenn am heutigen Dienstag die Regierungschefs der G20 zum Gipfel auf Bali eintreffen, wird auch Pinar Atalay um die halbe Welt gejettet sein. Als „Anchor on location“ wird sie, wie es der Name ihrer Sendung „RTL direkt“ impliziert, direkt vom politischen Geschehen auf der Götterinsel berichten und Interviews führen wie zuvor schon beim G7 in Elmau. Auch mal raus aus dem Studio: Was ihr die ARD-„Tagesthemen“ nicht gewährten, macht RTL möglich.

Ist also alles immer noch gut nach dem spektakulären Jobwechsel im vorigen Jahr? „Ich bin jetzt Erste Journalistin RTL. Es hätte schlechter laufen können“, lacht Atalay und will zugleich betont wissen, dass sie bei ihrem neuen Sender geblieben sei, was sie ist: politische Journalistin und Nachrichtenmoderatorin.

15 „gute Jahre“ verbrachte sie bei der ARD, die letzten sieben davon bei den auch als „Krone des Journalismus“ verstandenen „Tagesthemen“. Die auf bundesweiter Nachrichtenbühne aufgebaute Bekanntheit nahm sie im August 2021 mit zu RTL. Für die Privatfernsehmacher in Köln war es der perfekte Marketingcoup, um der begonnenen Informationsoffensive Gewicht zu geben.

Das Pendant zu „Tagesthemen“ und „heute-journal“, das neue, in Berlin produzierte „RTL direkt“, wofür Atalay mit Mann und Tochter aus Hamburg in die Hauptstadt zog – das moderiert sie. Im Wechsel mit Jan Hofer.

Einen neuen Job habe sie nicht aktiv gesucht

Es ist schon eine Aha-Konstellation, auf die sich die vormalige ARD-Anchorwoman da einließ: auf der einen Seite die über Jahrzehnte gewachsene Sprecherinstitution der „Tagesschau“, geübt im Ablesen von Meldungen, aber nicht unbedingt in der Moderation, auf der anderen Seite die Verfasserin ihrer eigenen Moderationstexte, die nichts mehr ärgert, als wenn man sie zur „Nachrichtensprecherin“ degradiert.

Einen neuen Job habe sie nicht aktiv gesucht, sagt sie. Mit dem Standing, das sie sich aufgebaut hatte, „war alles gut“, aber sie war neugierig. Berührungsängste mit dem Privatfunk kannte die heute 44-Jährige nicht: „Meine Biografie zeigt: Ich bin kein Urgestein des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.“

Nachrichten bleiben im Kern, was sie sind, nämlich Nachrichten.

Pinar Atalay

Bei Radio Lippe in Detmold fing die Tochter eines Tischlers und einer Schneiderin aus der Türkei journalistisch zu arbeiten an. Sie war 19 und durfte gleich am ersten Tag O-Töne aus dem Finanzausschuss einholen, wie aufregend war das denn?

Für ein Gastarbeiterkind aus dem Plattenbau in Extertal-Bösingfeld, das sich nach dem Abi zunächst als Boutiquenbesitzerin versuchte, war dieser Weg nicht vorgezeichnet, wie in Atalays Autobiografie „Schwimmen muss man selbst“ nachzulesen ist. Aber sie biss sich durch.

Peter Kloeppel und Pinar Atalay zum Wahlduell 2021 im Fernseh-Studio in Berlin-Adlershof. 

© dpa Bildfunk RTL

Sie wurde die „Hallo Wach“-Frau von Antenne Münster, bevor sie mutig kündigte, um für den NDR frei zu arbeiten. Bis zur Inlandskorrespondentin und Moderatorin der Hauptnachrichten im NDR-Dritten schaffte sie es. Nebenher moderierte sie auch „Cosmo TV“ (WDR) und für Hardcore-Politikfans die „Phoenix Runde“. Und machte so Andreas Cichowicz auf sich aufmerksam.

Der NDR-Chefredakteur zählt zu Atalays frühen Förderern. Von ihm klaute sie das „Schwimmen“-Zitat, das zum Buchtitel wurde. Über ihn gelang ihr bis dato wichtigster Karriereschritt. Dass sie das „Tagesthemen“-Pult im Mai 2021 verließ, ist für viele noch immer unbegreiflich. Bei der ARD hatte sie es ja nicht schlecht. Ein Fast-Beamtenstatus schien ihr sicher.

Bei der ARD sah sie diese Möglichkeit nicht

Gleichbleibend gut lieferte sie ab. Machte an keiner Stelle grobe Fehler. Sammelte 2018 Beachtung ein für das Exklusiv-Interview mit dem türkischen Ministerpräsidenten Yildirim, das sie als „Puzzleteil in der Freilassung des Journalisten Deniz Yücel“ betrachtet. Und doch sah sie offenbar für sich keine Chance, einmal so was wie den Status eines Hanns Joachim Friedrichs oder Ulrich Wickert zu erreichen. Was RTL ihr anbot, war jedenfalls mehr, als ihr die ARD zutraute.

Gleich mit der Moderation eines „Triells“ an der Seite von RTL-Urgestein Peter Kloeppel zu starten, also diesem neuartigen Triple-Wumms der Kanzlerkandidierendenbefragung – da habe RTL gewusst, wie man sie kriegen könne, sagt Atalay.

Bei der ARD sah sie diese Möglichkeit nicht. Die RTL-Offerte schloss noch mehr Entfaltungsmöglichkeit für sie ein. So präsentiert sie neben den täglichen Nachrichtensendungen „RTL direkt“ und „RTL aktuell“ auch Sonderformate wie den Bürger-Talk „Am Tisch mit Olaf Scholz“.

Und dann gebe es ja noch den Standortvorteil

Auf die Unterschiede in der Nachrichtenvermittlung angesprochen, hat die Journalistin schon in diversen Interviews mitgeteilt, dass sie, was Themenfindung und Relevanz der Themen betrifft, keine sieht zwischen den unterschiedlichen Nachrichtensendungen bei ARD und RTL. „Nachrichten bleiben im Kern, was sie sind, nämlich Nachrichten.“

Dass ein paar Dinge doch anders laufen, das sieht sie aber schon.

Mit 20 Minuten Sendezeit ist „RTL direkt“ kürzer als die öffentlich-rechtlichen Konkurrenzformate, oft serviceorientierter und manchmal Brücke zum Fußball oder zum „Dschungelcamp“. Pinar Atalay stört das nicht, im Gegenteil: Dank der Kürze und dank des Umstands, dass „RTL direkt“ in der Redaktion über eigene Reporter verfügt, die ohne vorherige aufwendige Absprache sofort bundesweit drehen und schalten können, „kommen wir schneller und dynamischer bei unserem Kernpublikum an“.

Und dann gebe es ja noch den Standortvorteil. Ob Ministerinnen, der Kanzler oder Experten: „Wir haben sie alle leibhaftig im Studio stehen. Dadurch entstehen lebendigere Gespräche, als wenn man nur schaltet“, findet Atalay. Schon im Vorfeld könne sie die Stimmung ihres Gegenübers abchecken und leichter unterbrechen. Immer wieder höre sie von Politikern, dass sie sehr froh sind, „dass RTL mit guten, seriösen Sendungen am Start ist, gerade in diesen Zeiten“. Nicht zuletzt wollten auch sie das junge Publikum erreichen.

Die Marktanteile geben Pinar Atalay recht. Obwohl noch relativ frisch auf dem Bildschirm, hat „RTL direkt“ im ersten Jahr bei den 14- bis 49-Jährigen die Marktführung übernommen, vor „heute-journal“ und „Tagesthemen“. Diesen Erfolg will sie, natürlich, weiter tatkräftig mit ausbauen. Und sie lässt sich auch nicht beirren vom plötzlichen Abgang des RTL-CEOs Stephan Schäfer.

Ja, dass von den beiden Stephans, die mit ihr das Einstellungsgespräch führten, inzwischen nur noch Stephan Schmitter als Geschäftsführer von RTL News an Bord ist, habe „erhebliche Veränderungen im Medienhaus“ mit sich gebracht, doch nicht für sie, betont Atalay. Sie freut sich vielmehr, die gesamte Power, die in ihrem neuen Arbeitgeber ohnehin schon steckte und die etwa mit Neuzugängen wie Gregor Peter Schmitz („Stern“) und Nico Fried („Süddeutsche Zeitung) aufgestockt wurde, nutzen zu können. „Je mehr Leute, desto besser.“

Für sie gibt es also überhaupt kein Vertun, dass es RTL ernst meint mit der Info-Offensive. Da passt der Slogan ihres Senders doch wunderbar: Willkommen zu Hause, Pinar Atalay.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false