zum Hauptinhalt
Clint Eastwood.

© Agat Films

Wer ist Clint Eastwood?: Von wegen Macho

Ein Arte-Dokumentarfilm geht der sechs Jahrzehnte umfassenden Karriere von Clint Eastwood nach.

Es gibt diese Persönlichkeiten, die bereits zu Lebzeiten Kultstatus genießen, zur vielbeschworenen lebenden Legende werden. Ein Filmtitel aus seiner über sechs Jahrzehnte umfassenden Karriere genügt, oder auch nur der Name einer seiner längst ikonisch gewordenen Rollen aus der „Dirty Harry“-Pentalogie, und man weiß, wer gemeint ist: Clint Eastwood.

Dem am 31. Mai 1930 in Kalifornien geborenen Schauspieler, Regisseur, Drehbuchautor und Produzenten ist ein Dokumentarfilm von Clélia Cohen gewidmet („Clint Eastwood. Der Letzte seiner Art“, Arte Mediathek). Es sind keine neu geführten Gespräche mit dem Star zu sehen, auch keine mit Weggefährten. Seine Stärke bezieht die Doku mit Ausschnittes aus Eastwoods Filmographie und Archivmaterial, das Eastwood am Set zeigt.

1955 soll alles beginnen. Der Sohn des Buchhalters Clinton Eastwood und dessen Frau Margaret Ruth Runner tritt in ersten Nebenrollen auf, in Jack Arnolds Horror-Spektakel „Tarantula“ oder in „Die Rache des Ungeheuers“. Es sind unbedeutende Rollen, die in den kommenden Jahren folgen sollen. Zwischendurch ist Eastwood, der zuvor diverse Schulen besuchte und das College abbrach, arbeitslos. Die erste wirklich wichtige Wegmarkierung bedeutet die Western-Serie „Rawhide“, ab 1959.

Eastwood spielt einen Cowboy. Es ist keine Herausforderung. In Drehpausen beobachtet der junge Schauspieler die Produktionsabläufe am Set. Ohne Ausbildung holt er sich hier sein Rüstzeug für das, was er später einmal, ab 1971, neben dem Schauspiel ausüben wird: Regie führen.

„Play Misty For Me“ – deutscher Titel: „Sadistico“ – ist das Regiedebüt des 40-jährigen Eastwood, der bis in die jüngste Zeit hinein – seine bislang letzte Regiearbeit ist „Cry Macho“ von 2021 – fortan konsequent zweigleisig fährt, vor wie hinter der Kamera. Der dem rauen Figurentypus aus den „Dollar“- und den „Dirty Harry“-Filmen, den er vor der Kamera anderer Regisseure zeitlebens verkörpert hat, einen entschiedenen Kontrapunkt hinter der Kamera entgegensetzt: den einfühlsamen Regisseur seiner eigenen Filme.

Eastwood habe als Regisseur geradezu einen weiblichen Blick

Meryl Streep, Protagonistin in seinem berührenden, 1995 produzierten Film „Die Brücken am Fluss“, konstatiert angefasst, Eastwood habe als Regisseur geradezu einen weiblichen Blick. Mit diesem Blick inszeniert er Stoffe, die seine ureigene Handschrift tragen und die ihm – anders als seine von der Kritik lange Zeit verpönten Western- und Thriller-Heroen – die Anerkennung und den Respekt nicht nur des globalen Publikums, sondern auch der Kritik und der Branche einbringen.

Später wird er mit vier Oscars für seine Filme „Erbarmungslos“ und „Million Dollar Baby“ ausgezeichnet.

„Clint Eastwood. Der Letzte seiner Art“ geht, eher en passant, auch auf die schwierigen Seiten des Schauspielers und Regisseurs ein: darauf, dass er Zeit seines Lebens mehrere Präsidentschaftskandidaten der Republikaner unterstützte und selbst auch republikanisch wählt. Darauf, dass er seine beiden Ehefrauen mit Affären offen betrog und insgesamt acht Kinder in die Welt setzte.

Darauf, dass das von ihm verkörperte Macho-Bild heute natürlich vollkommen überholt ist und als Rollentypus gar nicht mehr denkbar. Problematisch hingegen wird es allerdings, wenn der deutsche Off-Kommentar – eingesprochen von der Schauspielerin Nina Kunzendorf – ihn gleich mehrfach frank und frei ganz selbstverständlich als „Fascho“ bezeichnet.

Wie auch immer dies in der französischen Originalfassung ausgedrückt wird, es bringt an diesen Stellen einen unangenehmen Ton in den Film, der unweigerlich einen Hautgout mit sich führt, den weder diese dokumentarische, sehenswerte Arbeit, geschweige denn ihr Protagonist verdient haben. Thilo Wydra

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false