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Wenn Medien in Orakeln sprechen: Koalieren, sondieren, phantasieren

Wenn es wenig zu berichten und viel zu spekulieren gibt, blüht der Sondierungs-Journalismus. Das fordert Mitleid heraus. Eine Glosse

Der 26. September war, wie sich jetzt herausstellt, ein Unglückstag. Drei Wahlen an einem Sonntag, Wahnsinn. Berlin, das sich gerne als den Nabel der Republik sieht, hat bei dieser Aufgabe krachend versagt, möglich, dass die Abgeordnetenhauswahl teilweise oder komplett wiederholt werden muss. Auch die Wählerinnen und die Wähler haben es vergeigt. Ihre Unentschlossenheit bei der Stimmabgabe resultiert in Dreierkoalitionen. Das ergibt in der Summe eine Vielzahl an Mit- und Gegeneinander weit über Ampel und Jamaika hinaus.

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Ganz Deutschland muss jetzt sondieren. Da kann dem Beobachter der Kopf schwirren, wer gerade mit wem zusammensitzt. Für die Medien eine sehr diffizile wie anstrengende Herausforderung. Da ist es nur gut, dass nach dem Wahlkampf- der Sondierungsjournalismus ins Werk gesetzt wurde. Da muss im Umfeld kein Neid aufkommen. Bei aller Aufregung gibt es öfters wenig bis nichts zu berichten und selbst „Bild“ hat unter #HandyAlarm nur ein paar Durchstechereien als vermeintliches As im Ärmel stecken.

Orakel-Berichte

Selten ist Journalismus spekulativer als in Sondierungsphasen. Was aber soll es anderes geben als diese Orakel-Berichte, wo alles im Fluss und nichts unumstößlich ist. Manche sehen weißen Rauch über einem der wechselnden Sondierungsorte aufsteigen – und dann haben sie nur eine Wolke zum Faktum halluziniert.

Das Publikum, seien wir ehrlich, ist schon ein bisschen angefressen: erst dieser unübersichtliche Wahltag und jetzt die noch unübersichtlicheren Konsequenzen. Da muss der tapfere Teil des Journalismus versuchen, im dichten Nebel Struktur und Ordnung zu erkennen und entsprechend zu vermitteln. Vielleicht wäre es kein schlechter Ansatz, öfters einzugestehen, dass die Gewissheiten nur vermeintlich, die Ergebnisse vorläufig, der Ausgang der Sondierung offen ist.

Wo bleibt die Geduld?

Was ein Grundproblem trifft: Es fehlt an Geduld. Der Ruckizucki-Mensch will noch vor dem Problem die Lösung serviert bekommen. Das setzt die Sondierer und die Sondierungs-Journalisten unter besonderen Druck. Ständig muss geliefert werden. Nix wissen ist dann die Ohnmacht, die sich als Macht tarnt.

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