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Nichts gegen Ironie, aber ein Programm, das die Zuschauer stimuliert, ist besser.

© rbb

Unruhe an der Masurenallee: Was ist los beim RBB?

Der RBB hat mit schlechten Quoten und schlechter Stimmung zu kämpfen. Und zu Ostern kommt noch ein weiteres Problem hinzu.

An einem Heidegarten hat man das ganze Jahr über seine Freude. Es kommt auf die richtige Kombination der Blütezeiten an. Moderatorin Jule Jank gibt sich am Donnerstagnachmittag im RBB-Fernsehen alle Mühe, den Zuschauern zu zeigen, wie man so einen Garten anlegt.

Aber so richtig Zuschauer zieht das vor drei Monaten gestartete Service-Format „schön und gut“ nicht, mit dem der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) sein Vorabendproblem in den Griff kriegen wollte. 2,7 Prozent Marktanteil, 40 000 Zuschauer am Donnerstag, das ist weniger als RBB-Durchschnitt, der derzeit bei 5,4 Prozent liegt (2021: 6,3 Prozent). 

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Damit ist der Zweiländersender mit Abstand das Dritte Programm mit der schlechtesten Quote, noch hinter den Hessen. Und das RBB-Programm könnte rund um Ostern sogar noch schlechter werden.

Hunderte von freien Mitarbeitern, die Inhalte zu vielen TV-Sendungen und -Magazinen beisteuern, haben für die Ferienzeit zur Aktion #wirsindnichtda aufgerufen.

Frust bei den Freien

Dagmar Bednarek, Sprecherin der RBB-Freienvertretung, kennt die Ursachen für den Unmut der Freien Mitarbeiter: „Die Gründe sind unterschiedlich, aber das Maß ist in allen Bereichen voll“, sagt die Reporterin, die seit Jahrzehnten für den Sender arbeitet.

„Vor allem bei den langjährigen festen Freien sitzt der Schock nach den Kündigungen der ,zibb‘-Kolleg*innen tief. Sie fordern endlich klare Bestandsschutz-Regelungen, die es an vielen anderen Sendern seit vielen Jahren gibt“, sagt sie und verweist auf entsprechende Klauseln unter anderem bei BR, HR, SR und SWR sowie beim ZDF und dem Deutschlandradio.

Über einen solchen Bestandsschutz wurde bereits verhandelt, die Gewerkschaften brachen die Gespräche jedoch nach sechs Runden ab, weil das Angebot des Senders vielen Freien keine akzeptable Perspektive böte, so die Begründung.

„Das Scheitern der Verhandlungen ist ein Tiefschlag gerade für die Älteren und besonders loyalen Freien.“ Zudem sorge der Umbau des Senders gerade in der Aktualität für Mehrarbeit und Arbeitsverdichtung – „dazu kommen in diesen Wochen so viele Corona-Fälle wie noch nie zuvor, die Redaktionen gehen auf dem Zahnfleisch“.

Bestehende Teams wurden auseinandergerissen

Über das gemeinsame Ziel, den Aufbruch des RBB in die digitale Zukunft, ist man sich durchaus einig. Für Konflikte sorgt der Weg dorthin, zumal unter den Freien die Angst umgeht, dass Digitalisierung plus Sparen unweigerlich Personalabbau nach sich zieht.

Da Streiks für Freie nicht so ohne Weiteres möglich sind, wurde nach anderen Wegen des Protests gesucht.

Denn da es sich bei rund der Hälfte der Beschäftigten des RBB um Freie handelt, bleibt es nicht ohne Wirkung, wenn plötzlich viele von ihnen keine Aufträge mehr annehmen oder wie jetzt in den Osterferien einfach mal nicht da sind.

Über 350 Freie haben bereits ihre Mitwirkung an der Aktion bestätigt. Was wiederum zu Lasten der Festangestellten geht, die dann in der Ferienzeit den Job der Freien machen müssen und somit nicht in den Urlaub fahren können.

Die Verstimmungen im RBB haben auch damit zu tun, dass sich viele Mitarbeiter bei den zahlreichen Veränderungen, die es in den vergangenen Jahren gegeben haben, nicht hinreichend mitgenommen fühlen. Das betrifft den Umbau von großen Teilen des RBB-Fernsehprogramms und dabei speziell des Vorabends.

Andererseits hat sich die Arbeitsweise massiv verändert, weil viele Themen inzwischen zentral für die drei Mediengattungen TV, Radio und Online entwickelt werden. Bestehende Teams wurden auseinandergerissen, Arbeitsplätze verlagert, die einzelnen Redaktionen haben einen Teil ihrer Autonomie verloren.

Es ist also, nicht zum ersten Mal, schlechte Stimmung im RBB, und eben nicht nur bei den Freien, trotz aller Anstrengungen und Imagekampagnen, die Intendantin Patricia Schlesinger und Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus unternommen haben.

Zuletzt mit der Programmreform am Vorabend, wobei das Magazin „zibb“ den neuen Formaten „schön und gut“ sowie dem Talk „studio 3“ um 18 Uhr 45 weichen musste.

Die Kosten für das digitale Prestige-Projekt

Es hat (noch) nicht so viel genützt. Wer weiter reinhört in den riesigen Sender mit seinen rund 3500 Mitarbeitern (etwa 1500 davon als arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiter) an der Masurenallee oder am Standort Babelsberg, bekommt Aussagen zu hören wie: Das Programm vor allem am Nachmittag versteppe weiter. 

Oder auch: Das ständige Eigenlob der Führungskräfte sei unerträglich. Viele Mitarbeiter klagen über Stress, und scheinen, schlussendlich, all die Wege in die Zukunft mit dem Bau des digitalen Medienhauses für 2025 und bereits jetzt des Crossmedialen News Centrums (CNC) in der Masurenallee bei gleichzeitigem Sparen im Programm nicht immer nachvollziehen zu können.

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Ganz zu schweigen davon, dass angesichts des Ukraine-Krieges nicht abzusehen ist, ob die Kosten für das digitale Prestige-Projekt im dreistelligen Millionenbereich kräftig steigen. „Wir nehmen die Preiseschwankungen wahr, auch die Preissprünge nach oben“, sagt Unternehmenssprecherin Stefanie Tannert dem Tagesspiegel.

„Trotzdem wissen wir erst, welche Kosten uns konkret erwarten, wenn wir, wie geplant, in der zweiten Jahreshälfte 2023 mit dem Bau beginnen. Bis dahin laufen Verhandlungen mit dem möglichen Generalunternehmer.“

Man prüfe jeden Planungsschritt auf Einspar- und Beschleunigungsmöglichkeiten. "Wir wollen sicher sein, dass wir uns und den Beitragszahlern am Ende für dieses Projekt, mit dem der rbb nicht zuletzt einen erheblichen Sanierungsstau am Standort Berlin auflöst, die wirtschaftlichste und kostengünstigste Lösung zugemutet haben. Wir tun das auch, weil wir den Bau aus Krediten und Rücklagen finanzieren. Uns freut jeder Euro, den wir durch gute Planung nicht leihen müssen."

Wären da nicht die Quoten-Lieferanten, „Abendschau“ und „Brandenburg aktuell“

Überdimensionierte Projekte, zu viel Bürokratie. Immer mehr Häuptlinge, immer weniger Indianer, so der Mitarbeiter-Tenor im Haus. Und das Programm, siehe zum Beispiel „schön und gut“? Weiter zu viel Betulichkeit oder Konserve, zu wenig Frische, Klasse und Masse, wären da nicht die Quoten-Lieferanten, „Abendschau“ und „Brandenburg aktuell“.

Immerhin, es gibt inspirierende Lichtblicke wie „Chez Krömer“, und der „studio-3“-Talk liefert mit Quoten über sechs Prozent recht gut ab, auch wenn man sich da mehr versprochen haben mag.

Schon ist sie wieder da, die Rede von der instutionalisierten mangelnden Akzeptanz des RBB-Fernsehens. Dieser Sender bringt’s einfach nicht, die können machen, was sie wollen, das hörte man über Jahre – ein Grundgefühl, das Schlesinger seit ihrem Amtsantritt 2016 mit frischem Wind aus der Hauptstadt jagen wollte.

Offiziell nimmt sich die Einschätzung anders aus. „Natürlich wollen wir mehr Brandenburgerinnen und Berliner für die Angebote begeistern“, so Schulte-Kellinghaus. „Fernsehen ist ein Marathon, wir sind gerade erst losgelaufen. Wir arbeiten jeden Tag an den Formaten, um sie beliebt und bekannt zu machen“, sagt der Programmdirektor dem Tagesspiegel.

Die Frage ist nun aber erst mal: Was will, was kann das RBB-Fernsehen zu Ostern Frisches senden? Wenn die Freien Urlaub machen, nicht da sind.

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