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Das letzte Triell vor der Bundestagswahl wird von den Privatsendern ProSieben und Sat 1 veranstaltet und auch von Kabel Eins übertragen. Annalena Baerbock von den Grünen, Armin Laschet von der CDU und der SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz stellen sich ab 20 Uhr 15 den Fragen von Claudia von Brauchitsch (l.) und Linda Zervakis.

© obs/Foto: SevenOne

Was bringen die TV-Trielle?: „Wenn es knapp ist, kann alles entscheidend sein“

Am Sonntag findet bei ProSiebenSat1 das letzte TV-Triell statt. Politikwissenschaftler Thorsten Faas über die Bedeutung dieses Formats für den Wahlausgang.

Herr Faas, Sie sind seit 2017 Professor für Politische Soziologie der Bundesrepublik Deutschland am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der FU Berlin. Das Konzept der Spitzenkandidaten-Duelle im Fernsehen kommt aus den USA. Bei deren Wahlsystem steht der Präsident an oberster Stelle und kann direkt gewählt werden. Was ist denn der Nutzen dieses Formats in unserer repräsentativen Demokratie?

Der große Charme dieses Formats ist genau diese immense Zuspitzung und Verdichtung auf die letztlich wichtigsten Personen. Sie präsentieren sich, vertreten ihre Positionen sowie die ihrer Partei und treffen damit auf ein unglaublich großes Publikum. Insbesondere auf Bürger, die die sonstigen Wahlangebote, die detaillierter sind und tiefer gehen, nicht nutzen. Sie werden durch dieses Format abgeholt und informiert, was zu einer Mobilisierung und Polarisierung beiträgt. Ich halte das Format also für wichtig. Und man sollte nicht übersehen: Es gibt ja auch flankierende andere Formate, die den kleineren Parteien und verschiedenen Politikern Raum und Platz bieten.

Was haben die Zuschauer für eine Erwartungshaltung an die Trielle?
Die Möglichkeit, in einem sehr einfachen und zugespitzten Kontext die Politiker, Programme und Positionen vergleichen zu können, ist ein einzigartiger Anreiz dieses Formats – gerade für diejenigen, die nicht extrem stark an Politik interessiert sind. Diese Gruppe erhofft sich oft einen Impuls für die Wahlentscheidung oder wenigstens ein bisschen Orientierung. Bei politisch Interessierten hat es oft schon etwas Habituelles, dass man sich Politikdebatten anschaut. Die Motivlage geht also durchaus nach eigenen politischen Interessen auseinander.

Vertauschte Rollen zwischen SPD und CDU

Wie unterscheiden sich denn die Herangehensweisen der drei Kandidaten und Kandidatinnen?
Es gibt an sich drei sehr grundsätzliche Strategien. Man kann angreifen, manchmal muss man sich dann in Reaktion auf Angriffe verteidigen oder man kann sich selbst loben. Typisch ist eigentlich, dass Herausforderer viel stärker versuchen, in die Offensive zu kommen, während Personen, die aus dem Amt heraus kandidieren, eher auf ihre Erfahrungen verweisen und versuchen, diese in ein positives Licht zu rücken. Wir hatten in den Triellen so ein bisschen vertauschte Rollen, da Olaf Scholz in die Amtsinhaber-Rolle mit Blick auf seine Erfahrung gerutscht ist, während wir bei Baerbock, aber insbesondere auch bei Laschet eine herausfordernde Strategie gesehen haben.

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Und was verfängt am meisten?
Menschen mögen es nicht gerne, wenn viel durcheinandergeredet wird, dann geht genau die Orientierungsfunktion verloren, die das Triell bieten soll. Sie schätzen besonders Aussagen, die eine Richtung vorgeben. Die müssen nicht detailliert sein, sondern können auch lose Aussagen sein, die eine Werteorientierung bieten. Auch Visionen einer positiven Zukunft von unserem Land stoßen häufig auf Zustimmung.

Was für einen Einfluss haben diese Trielle auf das Wahlverhalten?
Wir hatten bis jetzt in noch keinem Wahlkampf auf Bundesebene ein Triell, aber bei den Duellen kann man sagen, dass sie auf jeden Fall mobilisieren. Wer diese TV-Auftritte anschaut, nimmt mit höherer Wahrscheinlichkeit an der Wahl teil. Außerdem kann man durchaus als Kandidat oder Kandidatin überzeugen und Stimmen für sich und die eigene Partei gewinnen. Das hängt aber stark davon ab, ob es einen klaren Sieger gibt. Das war bei den beiden Triellen zwar Scholz, dennoch spiegelt das Ergebnis eigentlich nur den aktuellen Zwischenstand des Wahlkampfs wider. Insofern könnte der Effekt dieser Trielle im Rückblick doch kleiner sein, als das bei früheren Duellen der Fall gewesen ist. Auch die Einschaltquote war geringer als bei früheren Duellen, was den Effekt auch noch mal limitiert.

Thorsten Faas ist seit 2017 Professor für Politische Soziologie der Bundesrepublik Deutschland am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der FU Berlin. Seit 2002 begleitet und analysiert Faas die Kandidaten-Duelle vor den Bundestagswahlen und forscht zu verschiedenen Aspekten rund um die Wahlen.
Thorsten Faas ist seit 2017 Professor für Politische Soziologie der Bundesrepublik Deutschland am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der FU Berlin. Seit 2002 begleitet und analysiert Faas die Kandidaten-Duelle vor den Bundestagswahlen und forscht zu verschiedenen Aspekten rund um die Wahlen.

© Bernd Wannemacher

Können solche Dreikämpfe die Wahl entscheiden?
Wenn es knapp ist, kann alles entscheidend sein. Aber massive Wanderungen von A nach B wird ein Triell nicht auslösen. Was eher gelingen kann, ist, dass die Unentschlossenen überzeugt werden und sich für eine Partei entscheiden.

Was bringen die Blitzumfragen danach?
Sie liefern eine erste vermeintlich präzise Messung, wie das Duell eigentlich ausgegangen ist, und setzen damit einen Referenzpunkt. Daran orientieren sich dann Medienhäuser, aber auch Bürger, die den Auftritt nicht gesehen haben oder sich in ihrer Meinung noch nicht sicher sind. Sicherlich kann man da methodisch fragen, ob es möglich ist, in kurzer Zeit wirklich eine breite repräsentative Umfrage zu machen. Und inhaltlich stellt sich die Frage, ob überhaupt die Idee, einen „Gewinner“ festzustellen, dem Format gerecht wird. Es geht ja eigentlich um Themen, um Austausch und Argumentationen. Aber das ist letztlich eine müßige Debatte.

Das Gefühl, die Kandidaten nun besser zu kennen

Was können Trielle noch bewirken?
Oft steigen die Sympathiewerte aller Kandidatinnen und Kandidaten ein bisschen an. Das liegt vielleicht an dem Gefühl, sie nun besser zu kennen, man hat, etwas überspitzt formuliert, auch einen ganzen Abend mit ihnen verbracht. Außerdem bekommen die Zuschauer oft eine sensiblere Wahrnehmung von Demokratie, von der Idee, mit einem Plan für die Zukunft eine Mehrheit zu überzeugen, und erkennen auch die Ernsthaftigkeit des Wahlkampfs. Das sind zwei sehr große und positive Auswirkungen, die jedoch von der Moderation limitiert werden können. Sie muss den Kandidaten den Raum geben, ihre Argumente aufzubauen und verständlich zu erklären. In dieser Hinsicht war das letzte Duell nicht unbedingt das Beste, was wir in bundesdeutscher Duell-Geschichte bisher gesehen haben.

Sind drei solcher TV-Debatten zu viel?
Das würde ich auf keinen Fall sagen. Blickt man auf die USA, wo das Format herkommt, sieht man auch immer drei große Debatten, jedoch mit zwei Unterschieden. Erstens werden die Debatten immer nur von einer Person moderiert, zweitens gibt es dort thematische Zuspitzungen. Es wird hauptsächlich Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik thematisiert. Diese Konkretisierung der Themen findet bei uns gar nicht statt, da die Formate sehr stark in der Logik und in der Hand der einzelnen Sender liegen. Niemand achtet darauf, dass die drei Trielle ein komplettes Bild ergeben. Es besteht also die Gefahr, dreimal dasselbe zu hören, und das ist eine vertane Chance.

Marc Tawadrous

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