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Jamaika hat sich nicht für die WM qualifiziert. Ein Team, mit dem er mitfiebert, hat trotzdem jeder.

© Georg Ismar/dpa

WM 2018: Von Tor zu Tor: Warum Jamaikaner schöner Fußball schauen als Deutsche

Jamaika ist nicht bei der WM, ein Team zum mitfiebern hat trotzdem jeder. Und niemand diskutiert über den Schiri.

Fußball ist Teamsport. In diesem Fall gilt das schon für das Fußballschauen. Einer hält die Antenne hoch, die hängende Spitze, aus dem Rückraum reicht ein anderer kalte Limo und im Mittelfeld legen sie die Füße hoch. Der Röhrenfernseher überträgt das Spiel Deutschland – Mexiko im Format DIN A4, der Kommentar besteht aus rauschen, das Schwarzweißbild flackert dermaßen, für manche Szenen bräuchte es einen Videobeweis.

Dieses Public Viewing findet in einer Lagerhalle statt unweit der jamaikanischen Hauptstadt Kingston. Jamaika ist nicht bei der WM dabei, der Karibikstaat ist Mexiko schon geografisch näher als Deutschland, und als die selbsternannte „Mannschaft“ ihr erstes Spiel verliert, hält sich die Schadenfreude der Einheimischen nur deshalb in Grenzen, weil sie das Ergebnis selbst kaum glauben können.

Auf den Straßen während dieser Vorrunde: Flaggen von Frankreich, Spanien, Brasilien, Deutschland, Russland – jeder sucht sich seine Mannschaft aus und fiebert mit. Ohne eigenen nationalen Bezug, bloß nach Sympathie. Jubel und Frust im Wechsel. Diskutiert wird nicht über den Schiri oder die Platzverhältnisse, sondern darüber, wer besser gespielt hat.

Zweite Halbzeit der WM, zurück in Berlin. Deutschland ist mittlerweile raus. Keine Fahnen. Es läuft England gegen Schweden, Viertelfinale. An einem Späti in Friedrichshain hängt ein Fernseher draußen. Zwei Gäste sitzen an einem Biertisch, einer mit dem Rücken zum Bildschirm.

Eine Frau mittleren Alters führt ihren Hund aus, die Stimme des Kommentators erhebt sich kurz im Rahmen seiner emotionsarmen Sprachpalette. Die Frau bleibt kurz stehen, der Hund pinkelt an einen Baum. Kein Tor, sie geht weiter. Das HD-Bild bleibt unbeachtet. Technisch mag Deutschland vorn liegen, aber die Leidenschaft fehlt. Wie auf dem Platz. 1:0 gegen Deutschland.

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