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Propaganda: Völker, empfangt die Signale!

Aus Georgien, auf Russisch: „Erster Kaukasus-Kanal“ will Frieden stiften

Der Internetauftritt klappte überhaupt nicht. Selbst fortgeschrittene PC-Nutzer werfen nach mehreren Fehlversuchen, sich in das Programm des „Ersten Kaukasus-Kanals“ einzuklicken, der zum Jahreswechsel in Georgien auf Sendung ging, meist entnervt das Handtuch. Die Pannen beim Start lassen Schlimmes befürchten für die großen Pläne des neuen Senders, der ab Mitte Januar über Satellit und später auch im Kabel als Vollprogramm verfügbar sein soll. In Russisch, der Sprache des Gegners im Augustkrieg 2008, als Staatschef Michail Saakaschwili versuchte, das abtrünnige Südossetien zurückzuholen.

Der neue Sender wendet sich indes nicht nur an die Georgier, sondern an die Menschen im gesamten Kaukasus, in den UdSSR-Nachfolgestaaten Armenien und Aserbaidschan wie in Russlands nordkaukasischen Teilrepubliken. Um die Wahrheit über Georgien zu verbreiten und die „Informationsblockade“ zu beenden, mit der Russlands überregionale TV-Sender – alle sind staatlich oder staatsnah – Georgien seit dem Fünf-Tage-Krieg strafen. Dennoch hat der neue Sender sich Staatsferne verordnet und will vor allem die Kultur und die Naturschönheiten Georgiens ins rechte Licht setzen.

Die georgische Opposition wittert dennoch Unrat. Der „Erste Kaukusus-Kanal“ sei der neueste PR-Gag von Saakaschwili und solle dessen ramponierten Ruf aufbessern. Russische Beobachter sind zurückhaltender. Denn das Vorhaben ist so mysteriös, dass selbst Verschwörungstheoretiker überfordert sind. Dass der Kreml im Hintergrund diskret die Strippen zieht, ist unwahrscheinlich: Oleg Panfilow, der die Programmpolitik bestimmt, leitet in Moskau das oppositionelle „Zentrum für Journalismus unter Extrembedingungen“, das sich für den Schutz kritischer Journalisten einsetzt.

Gegen Russland, so der inzwischen zum Bürger Georgiens geadelte Panfilow bei Radio „Echo Moskwy“, werde der „Erste Kaukasus-Kanal“ nicht arbeiten. Für Georgien aber auch nicht. Zu beiden werde man gleich kritischen Abstand wahren und auch die Separatisten – im russischen Nordkaukasus wie südlich der Berge in Abchasien und Südossetien – nicht unterstützen.

Zweifel sind angebracht. Zu den Starautoren des neuen Senders zählt auch die Witwe Dschochar Dudajews, dem in Moskau wie in Tiflis ein Ruf wie Donnerhall vorausgeht. Unter seiner Führung sagte Tschetschenien sich im Herbst 1991 zunächst von Russland los und gewährte, als kurz danach in Georgien der Bürgerkrieg ausbrach, Swiad Gamsachurdija, dem unterlegenen Gegenspieler von Präsident Eduard Schewardnadse, politisches Asyl.

Seine Witwe Alla, eine Russin, die Dudajew kennen- und lieben lernte, als er zu Sowjetzeiten als Fliegergeneral in Estland diente, will ihr Volk sowie Georgier und die anderen „durch Krieg und Politik getrennten Menschen und Volksgruppen im Kaukasus einander wieder näherbringen“. Mit einer eigenen Sendung, die sich ihren Worten nach auf kulturelle und historische Gemeinsamkeiten besinnt. Die sind angesichts der ethnischen und religiösen Vielfalt des Kaukasus rar gesät und durch Russlands Expansion zudem oft negativ belastet. Auch haben Dudajewa und Panfilow bisher keine Fernseherfahrung und müssen mit einem extrem schmalem Budget auskommen: Drei Millionen US-Dollar (rund zwei Millionen Euro) per annum. Die, so raunt man in Tiflis, kämen von dem russischen Multimilliardär Boris Beresowski, den Putin im Oktober 2001 ins britische Exil zwang.

Die Macher dementierten, Beresowski selbst äußerte sich bisher nicht. Er war bei Putin vor allem durch Stänkereien der damals von ihm kontrollierten russischen TV-Sender in Ungnade gefallen und hat auch mit Saakaschwili nicht viel am Hut. Dieser reagierte auf den neuen Fernsehsender gegen seine Gewohnheit mit staatsmännischer Attitüde und ganz nach den Spielregeln westlicher Demokratie: Versuche, Information zu stoppen, machten im 21. Jahrhundert keinen Sinn mehr.

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