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Interview mit „DSDS“-Juroren Bill und Tom Kaulitz: „Vielleicht finden wir keinen Superstar“

Die „DSDS“-Juroren Bill und Tom Kaulitz über Geheimnisse, Tipps für junge Musiker, schlechte Quoten und ihre Band Tokio Hotel.

Bill und Tom Kaulitz, was fällt Ihnen schwerer: Musik zu machen oder als „DSDS“-Juroren über Musik zu reden?

TOM: Das Beurteilen ist gar nicht so schwer, denn wir hatten uns vor der Show nicht vorgenommen, besonders lieb oder streng zu sein, sondern die Kandidaten so zu bewerten, wie wir sie zu Hause auf dem Sofa auch bewerten würden. Viel gewöhnungsbedürftiger fand ich, die ganze Zeit gefilmt zu werden. Das mag ich nämlich gar nicht, genau so wenig, wie meine eigene Stimme zu hören oder Bilder von mir zu sehen. Das war schon früher in der Schule so. Ich hasse es.

Dann haben Sie vielleicht den falschen Beruf gewählt?

TOM: Videodrehs und Fotoshootings gehören sicher dazu, aber live zu spielen und Musik zu produzieren ist eben eher mein Ding. Bei Bill ist das was anderes.

BILL: Ich mach’ mir nicht so viele Gedanken darüber, dass bei „DSDS“ so viele Leute zugucken oder wie ich meine Sätze am besten formuliere …

TOM: … solltest du aber.

BILL: Meine Strategie ist, so ehrlich wie möglich zu sein.

Als Juroren sollen Sie Deutschlands neuen „Superstar“ finden. Was macht einen Superstar für Sie aus?

BILL: Eben genau das, was man nicht erklären kann. Dass man nicht genug hat, wenn die Person von der Bühne geht, dass sie ein Rätsel bleibt. Diese besondere Ausstrahlung.

TOM: Viele Kandidaten kommen und sagen: „Bitte, gebt mir doch noch eine Chance, ich kann das trainieren.“ Aber genau das hat eben oft keinen Zweck, weil es eben Sachen gibt wie ein gewisses Grundpotenzial und Talent, die man niemandem beibringen kann. Ich glaube auch, dass es extrem wenige Menschen gibt, die das mitbringen. Deshalb kann es auch sein, dass wir hier am Ende gar keinen Superstar finden, aber die Chancen stehen nicht schlecht!

Das wäre ja nichts Neues. Zwar sind alle „DSDS“-Gewinner in den Charts gelandet, aber ein Superstar ist keiner geworden.

TOM: Für die Gewinner ist es natürlich schwierig, weil es jedes Jahr eine neue Staffel gibt und ein neuer „Superstar“ nachproduziert wird.

BILL: Und es gehört ganz viel Glück dazu. Am Ende hängt es auch davon ab, für welchen Kandidaten sich die Zuschauer als Gewinner entscheiden. Vielleicht sind viele Entscheidungen in den vergangenen Jahren auch Fehler gewesen.

Womöglich nimmt eine Castingshow, die die Kandidaten vom Klogang bis zum Knutschen begleitet, auch all das, was ein Star braucht: das Geheimnisvolle, Mehrdeutige, das nicht Dokumentierte?

BILL: Ich glaube, dass Castingshows eine ganz gute Schule dafür sein können, wie man sich präsentiert und wie man mit Medien umgeht. Es gibt Kandidaten, die das ganz gut hinbekommen. Vielen kann ich andererseits auch immer wieder nur raten: Lieber mal die Klappe halten.

Bill, Sie haben als Zwölfjähriger selbst in der Sat-1-Show „Star Search“ mitgemacht und sind im Achtelfinale ausgeschieden. War das Ihr großes Glück?

BILL: Das zeigt zumindest, dass ein Rauswurf auch eine Chance sein kann. Wir hatten das extreme Glück, dass uns dann jemand als Band entdeckt hat und wir so eine Cinderella-Geschichte erlebt haben.

Sind Sie mit Tokio Hotel also das beste Beispiel dafür, dass ein Superstar nicht retortenmäßig in einer Castingshow geboren werden kann?

TOM: In Amerika sind in Castingshows wie „American Idol“ schon einige Stars gefunden worden, die monstermäßig erfolgreich sind, die wie Kelly Clarkson Grammys gewonnen haben. Aber tatsächlich ist hier in Deutschland – und zwar egal bei welcher Castingshow – noch nie ein langfristig erfolgreicher Künstler herausgekommen.

Woran liegt’s? Haben die Kandidaten in den USA eine andere Qualität?

TOM: Amerika ist natürlich ein anderer Musikmarkt. Wir haben hier in Deutschland insgesamt wenige neue nationale Künstler, die dauerhaft Karriere machen.

Aber Sie haben es doch geschafft. Würden Sie heute einem jungen Musiker raten: Geh auf alle Fälle in eine Castingshow?

TOM: Viele Kandidaten kommen zum Casting und haben mit Musik eigentlich nichts zu tun. Die singen vielleicht ganz gerne und denken, sie können ganz gut Lieder nachsingen, aber es sind kaum Künstler dabei, die das von ganzem Herzen gerne machen.

Hat Sie das überrascht?

TOM: Die meisten wollen es halt einfach nur mal probieren und meinen es gar nicht richtig ernst. Darum würde ich erst mal einen jungen Musiker fragen: Was hast du für dich schon gemacht? Was hast du in eine Musikkarriere investiert? Und dann muss man eben gucken, ob eine Castingshow der richtige Weg ist. Andererseits wird es auch immer schwerer, andere Wege zu gehen.

Warum?

TOM: Weil die Musikindustrie in den vergangenen Jahren so dermaßen abgeschmiert ist. Die Plattenfirmen haben immer weniger Geld, in Newcomer wird gar nicht mehr investiert.

Nicht nur die Musikbranche schwächelt. Auch Castingshows müssen sinkende Quoten verzeichnen, „DSDS“ läuft so schlecht wie seit dem Start der Show vor zehn Jahren nicht mehr. Hat es sich ausgecastet in Deutschland?

BILL: Man muss das natürlich immer im Verhältnis sehen. „DSDS“ hat nach wie vor noch die besten Quoten von allen Castingshows. Deshalb würde ich das jetzt auch nicht verallgemeinern, dass Castingshows keine Zukunft mehr haben im Fernsehen. Es kommt immer extrem auf die Kandidaten an.

Und auf den Unterhaltungswert der Juroren. Warum haben Sie sich entschieden, mitzumachen?

BILL: Die Lust, neue Talente zu sehen, hatten wir schon immer. Wir bekommen auch schon seit Jahren Anfragen von allen möglichen Formaten, aber wir hatten bisher einfach nicht die Zeit dafür. Bei „DSDS“ hat es eben gepasst.

Planen Sie nach „Deutschland sucht den Superstar“ weitere Fernsehshows oder reicht es Ihnen jetzt erst mal?

BILL: Wir sind parallel im Studio und arbeiten an unserem neuen Album, das noch dieses Jahr erscheinen soll. Ich werde schon hibbelig, wenn bei „DSDS“ die Kandidaten die ganze Zeit Musik machen und wir nicht. Wir wollen jetzt endlich selber wieder loslegen.

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