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Das Moderationsduo Tarik Tesfu und Hadnet Tesfai.

© Conrad Bauer

„Tratsch und Tacheles“: Neuer Podcast geht Klischees in Boulevardmedien auf den Grund

Wie stellt der Boulevard berühmte Frauen und Minderheiten dar? Hadnet Tefai und Tarik Tesfu gehen solchen Fragen im neuen Podcast „Tratsch und Tacheles“ nach.

Hadnet Tesfai legt kurz das Mobiltelefon zur Seite. Ihr Sohn möchte etwas von seiner Mutter. 20 Minuten dauert das Gespräch, in dem die Berliner Moderatorin über ihren neuen Podcast „Tratsch und Tacheles“ spricht und nebenbei zeigt, wie sehr sie selbst das Format verkörpert.

In dem Podcast, den sie zusammen mit dem Berliner Moderator Tarik Tesfu – unter anderem bekannt aus der NRD-Talkshow „Deep und deutlich“ – aufnimmt, geht es oft um Boulevardthemen, die allerdings auf eine Metaebene gehoben werden. Und so kommt das Gespräch auch auf Sexismus, Rassismus und LGBTI-Themen.

Bei Politikern geht es selten ums Aussehen - bei Politikerinnen oft

„Es geht nur oberflächlich um Tratsch. Wir hängen uns an einer Schlagzeile auf und analysieren die Dynamiken dahinter“, erklärt Tesfai am Telefon. Wenn die Schlagzeile zum Beispiel laute, Victoria Beckham setze zum 100. Mal ihre Ehe wegen ihrer Karriere aufs Spiel, versuchen Tesfai und Tesfu das Narrativ dahinter zu untersuchen („Tratsch und Tacheles“ ab 8. 12. bei diversen Podcast-Portalen).

„Die Geschichten handeln immer von der schlecht gelaunten Victoria Beckham, die ihrer Familie alles vorschreibt. Aber das kann ja gar nicht sein. Wir fragen uns also: Welches Frauenbild wird da bedient? Und wieso ist das so?“ Das Podcast-Duo versucht zu reflektieren, wieso die Gesellschaft auf Frauen wie Victoria Beckham, die erfolgreich im Beruf und Mütter sind, oft negativ und verurteilend reagiert.

„Es geht um den eigentlichen Aufreger. Was ist die eigentliche Story dahinter?“, sagt Tesfai. Ein anderes Beispiel ist die britische Popsängerin Lily Allen: Sobald sie beruflich erfolgreich ist, kommt die Frage auf: Wo sind eigentlich ihre Kinder? „The Sun“ berichtete darüber. Der Unterton: Lily Allen ist erfolgreich, also kann sie nicht für ihre Kinder da sein und ist somit eine schlechte Mutter.

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Bei Hadnet Tesfai läuft das so: Wenn sie, so wie in dem Tagesspiegel-Gespräch, am Telefon ist, sind ihre beiden Kinder im Hintergrund. Nur weil man sie nicht sieht, bedeutet das nicht, dass sie nicht da sind, und schon gar nicht, dass sich Tesfai nicht kümmert. Genauso wie bei Lily Allen und Victoria Beckham.

Dennoch wird Frauen immer wieder etwas unterstellt, findet die Moderatorin. „Das ist nicht nur ein Phänomen in Klatschmagazinen. Die ,FAZ‘ berichtet im Zusammenhang mit Kamala Harris auch darüber, was sie trägt. Ich glaube nicht, dass das bei der amerikanischen Vizepräsidentin nötig ist.“ Bei Männern hingegen – vor allem Politikern – wird selten bis nie über ihr Aussehen gesprochen. „Bei Frauen geht es oft nur um ihr Äußeres. Vor allem wenn es um das Gewicht geht. Müssen wir das hinnehmen?“

Hadnet Tesfai arbeitet seit über 20 Jahren als Moderatorin. Angefangen hat sie beim Berliner Radiosender Kiss FM, war später für den rbb, MTV und ProSieben tätig. Sie selbst sieht sich, als Frau und Schwarze Person, immer wieder mit den Themen konfrontiert, die in „Tratsch und Tacheles“ behandelt werden, oft auch mit Ausgrenzung. „Wenn man zum Beispiel einem Promi-Account auf Instagram folgt, werden Schwarze Menschen oft nicht erwähnt. Höchstens in sehr starken Stereotypen: Der ,aggressive Südländer‘ zum Beispiel.“

Im Scheinwerferlicht. Victoria und David Beckham.
Im Scheinwerferlicht. Victoria und David Beckham.

© Dominic Lipinski/dpa

Mit dem neuen Podcast geht es Tesfai nicht darum, anderen den Spaß am Tratsch zu nehmen – im Gegenteil. Das Duo von „Tratsch und Tacheles“ weist zwar auf Missstände in der Gesellschaft hin, aber „solange es Menschen gibt, so lange gehört Tratsch dazu. Der Marktplatz, den es damals gab, findet heute in sozialen Netzwerken statt“.

Beim Tratschen ist Tesfai allerdings eines wichtig: „Er darf keine menschenverachtende Dynamik annehmen. Man muss sich bewusst machen, welche Mechanismen wirken, wie über People of Color und LGBTI gesprochen wird.“ Denn besonders Schwarze und nicht-heterosexuelle Menschen werden in den Medien oft noch klischeehaft dargestellt, findet Tesfai. Ihr offen schwuler Kollege Tarik Tesfu wird dazu sicher auch seine Perspektive und seine Erfahrungen einbringen können.

Tesfai sagt: „Du sollst Witze machen, sonst wäre es furchtbar langweilig. Aber ab welchem Punkt wird es verletzend und ungerecht?“ Um diese Grenze geht es ihr. Der Podcast ist für Menschen, die Gossip mögen, aber auch über Stereotype nachdenken wollen. Denn Tesfai findet: „Tratsch kann Spaß machen, ohne widerlich zu sein.“

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