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Titel von Fernsehfilmen: Titel, Thesen, Tüddelkram

Gar nicht so einfach, Fernsehfilme passend zu betiteln. Aber muss so viel Irreführung des Publikums wirklich sein?

Kürzlich lief im Ersten ein Liebesfilm mit den TV-Stars Anna Schudt, Mark Waschke und Felix Klare. Der Titel hieß „Zwischen zwei Herzen“. Haute der hin? Abgesehen davon, dass er auf einen Zungenbrecher hinausläuft, traf er die Sache nicht. Das Publikum durfte ja wohl erwarten, dass eine Frau um eine Entscheidung kämpft: Mit welchem von zwei Bewerbern will sie ihr Leben verbringen? Aber so war es nicht. Die Frau hatte schon einen Großteil ihres Lebens mit einem bestimmten Mann verbracht, und es ging jetzt nur darum, ob sie mal einen Seitensprung wagt. Sie tut es dann lieber nicht. Zwischen zwei Herzen stand sie keineswegs, sondern bloß neben einem Herzen (dem ihres Mannes) und einer Bettkante (der eines möglichen Liebhabers, der es dann aber gar nicht wird). Wer denkt sich bloß solche Titel aus? Die erstens kaum auszusprechen sind und zweitens bezüglich der Story oder Botschaft des Films komplett daneben liegen?

Titel sind immer Verhandlungssache. Sie gelten als Teil der Werbung und sind in der Literatur Angelegenheit der Verlage, nicht der Autoren. Wenn ein Autor hoch berühmt und entsprechend mächtig ist, kann er seinen Titel durchsetzen. Wenn nicht, muss er sich fügen. Bei Film und Fernsehen ist es ähnlich. Die Sender-Reaktionen sprechen ihr Wörtchen mit, dito die Produktionsfirmen. Die Filmemacherinnen und -macher reichen einen Arbeitstitel ein. Der muss nicht bleiben. Und es hat den Anschein, als ob gescheite Autoren öfter Filme abliefern, die ursprünglich ganz anders hießen.

Als Zuschauer würde man gern mal eine Liste aller Arbeitstitel sehen und die dann mit den Programmtiteln vergleichen. Eins ist überdeutlich: Es geht bei der endgültigen Betitelung selten um die Filme selber, stattdessen ums Geschäft, beim Fernsehen um die Quote. Irgendjemand am Ende der langen Anreicherungskette von der Filmidee über die Umsetzung bis zur Premiere fällt eine Entscheidung über den Filmnamen. Der soll vor allem eines: Zuschauer locken. Der Film selbst und seine Handlung sind fast egal. Aber die Leute, die da bei den Sendern in den Redaktionen oder bei den Produktionsfirmen am Konferenztisch sitzen, haben seltsame Vorstellungen von der Wirkung eines Titels auf die Einschaltbereitschaft der Nutzer. Wer fühlt sich motiviert, einen Film anzusehen oder weiterzuempfehlen, dessen Namen er nicht aussprechen kann? Und der außerdem geeignet ist, einen spontanen Kitschvorbehalt zu aktivieren?

"Vier Hochzeiten und ein Todesfall", da passten Titel und Komödie ausgezeichnet zusammen.
"Vier Hochzeiten und ein Todesfall", da passten Titel und Komödie ausgezeichnet zusammen.

© imago/United Archives

Kurz nach dem Herzen-Film lief im Ersten die Komödie „Eine Hochzeit platzt selten allein“ mit Inka Friedrich und Oliver Wnuk. Hier lohnt es sich ebenfalls, den Titel-Tüddelkram mal semantisch zu durchleuchten. Geplatzte Hochzeiten, so dachte man wohl im Titel-Findungsteam, sind immer toll, für so einen Plot gibt es ja schon ein ganzes Filmgenre. Aber irgendwie wollte man doch andeuten, dass es in diesem Film um mehr ging – und wirklich: Die Hochzeit ist nur ein Nebenmotiv, eigentlich geht es um eine neue Finanzkrise. Der Titel indes, sich anlehnend an die Volksweisheit: „Ein Unglück kommt selten allein“, insinuiert, dass nicht nur eine einzelne Hochzeit platzt, sondern noch eine weitere, wenn nicht gar mehrere. Oder dass es nicht nur eine Hochzeit ist, die platzt, sondern noch eine zweite Feier, etwa ein Begräbnis oder ein Jubiläum. Oder ein Scheck. Damit käme man der Sache schon näher.

Indes: Nachgedacht hat bei diesem Titel höchstwahrscheinlich niemand, dumpf hat man wohl gehofft, dass sich Fans der gelungenen englischen Komödie „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ vorm Fernseher einfinden und dann noch Leute, die irgendwie auf Trubel und Trouble hoffen. Was ist das für eine Einstellung zur Fernsehfilmkunst? Ahnt man in den Redaktionen, was man den Machern und dem Publikum damit antut, dass man sie mit Wortbrocken bewirft, denen etwas Verlockendes unterstellt wird, obwohl sie einfach nur blöd sind?

Achtlosigkeit der Verantwortlichen

Titel zählen, sie bewirken was, sie gehen manchmal sogar als Thesen oder Sinnsprüche in die Umgangssprache ein. Man sollte über sie nachdenken und zwar lange. Es gibt ja auch gute. Aber nur als Ausnahme. Die meisten verraten einfach bloß Achtlosigkeit auf Seiten der Verantwortlichen. Machen wir halt irgendwas. Da gibt es beispielsweise Titel, die auf einen bestimmten Zeitverlauf hindeuten, und die passen immer. Wahrscheinlich gibt es da eine Liste, auf denen diese Titel vorrätig gehalten werden und die dann der Reihe nach wie Etiketten auf die Werke geklebt werden. Die heißen dann: „Zwischen den Jahren“, „Sieben Stunden“, „Am 12. Tag“, „Die kommenden Tage“, „Ein Tag wie jeder andere“" (geklaut), „Jedes Jahr im Juni“ oder „Aus der Tiefe der Zeit“ – was davon bleibt im Gedächtnis? Oder charakterisiert einen Film vorab? Bedenklich sind auch Titel, bei denen tief in die Harfe gegriffen und Anklänge an biblische Verse gesucht werden wie: „Am Ende geht man nackt“, „Der Tod ist unser ganzes Leben“, „Gott ist auch nur ein Mensch“ oder „Vom Himmel hoch“ – das hört sich tiefschürfend an und erweist sich, vor allem, wenn man die dazugehörigen Filme gesehen hat, als beliebig. Dann lieber völligen Nonsense wie „Klingelingeling“ oder „Sum, sum, sum“.

Ein guter Titel verrät nicht zu viel, triggert aber die Neugierde, berührt einen Punkt, den der Film dann auch trifft und klingt gut. Achtet jemand im öffentlich-rechtlichen Fernsehen darauf, dass diese Kriterien erfüllt werden? Kümmert sich überhaupt irgendjemand darum? Es sieht nicht so aus, es hört sich nicht so an, und es ist wirklich schade drum. Denn gute Titel retten viel: unglaubwürdige Heldenfiguren, wirre Drehbücher, schwache Schauspieler und das Vertrauen der Zuschauer in die Kunst der TV-Fiktion. Wer weiß, ob die beliebteste Krimi-Reihe im Ersten immer noch liefe ohne den genialen Obertitel „Tatort“? Der übrigens in der amerikanischen Fassung nicht übersetzt und „tätord“ – mit Betonung auf der zweiten Silbe – ausgesprochen wird.

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