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Wo bin ich? LKA-Ermittler Murot (Ulrich Tukur) in „Murot und das Murmeltier“, interessantester „Tatort“ der Saison. Deutschlands beliebte TV-Reihe geht in Sommerpause.

© dpa

"Tatort"-Bilanz 2018/2019: Murot und die anderen

Ein Kommissar in der Zeitschleife, hochspannende Autoren, alte Herren: Eine Bilanz der ablaufenden „Tatort“-Saison. Auf drei Städte ist dabei Verlass.

Falls es zum Abschluss der „Tatort“-Saison 2018/19 vergessen sein sollte: Die Dekonstruktion des ARD-Krimi-Klassikers ist seit Februar dieses Jahres weit voran geschritten. Da steckte „Tatort“-Kommissar Felix Murot (Ulrich Tukur) in der Zeitschleife und wollte am siebten Tag endlich mal freihaben. Er schießt am Morgen auf sein Telefon, wenn es läutet, ignoriert einen Banküberfall, zu dem er wieder und wieder gerufen wird, fährt aufs Land, besucht ein Ausflugslokal und wirft der Kellnerin eine Torte ins Gesicht, denn: „Ich kann machen, was ich will.“

Murot hat nichts zu fürchten. Wenn man weiß, dass der Tag immer mit dem eigenen Tod endet, die prompte Wiedergeburt kommt, bedeutet das: grenzenlose Freiheit. „Murot und das Murmeltier“ war das Aufregendste, was der „Tatort“ jüngst zu bieten hatte.

Wie soll man da, drumherum, weiter klassische Krimigeschichten erzählen? Hier Ulrich Tukur, dort viele in die Jahre gekommenen Ermittler und Ermittlerinnen, die Sonntag für Sonntag nach 08/15 Dienst und Fälle abspulen. Größer könnten die Kontraste gar nicht sein, wenn man sich den durchwachsenen „Tatort“-Jahrgang mit seinen 37 Folgen anschaut, der einen wirklich daran zweifeln lässt, ob man jeden Sonntag Abend um 20 Uhr 15 rituell das Erste einschalten muss, wie heuer bei Folge 1099, dem Schweizer „Tatort“.

Überraschendes fördert der Blog „Tatort-Fundus.de“ zu Tage. Da stehen, noch vor Murots Murmeltier, der Franken-„Tatort“ „An einem Tag wie jeder Andere“ (23. Februar) und der Dresdner Serienmörder-Thriller „Das Nest“ (28. April) an der Spitze der Beliebtheits-Jahres-Rangliste, beide geschrieben von Erol Yesilkaya. Der ist mit seinem komplexen Erzählstil einer der spannendsten Autoren derzeit, sein Berlinale-„Tatort – Meta“ als Film in Film aus 2018 in bester Erinnerung.

Klassischer Verhörkrimi mit geschickten Rückblenden

Mehr davon, kann man dem „Tatort“ nur wünschen. Und weniger von jenem Altherren-Gestus, wie er, bei allem Quotenerfolg, von den Ermittlern in Köln, Münster oder München gepflegt wird (die Zahl der „Tatort“-Folgen mit mehr als zehn Millionen Zuschauern ist im Vergleich zum Vorjahr allerdings gesunken).

Sehr überzeugend auf leise Art und Weise hingegen das Pflegerinnendrama „Anne und der Tod“ (19. Mai) aus Stuttgart. Auch eine „Tatort“-Folge aus diesem Jahrgang, die in Erinnerung bleiben wird, vor allem wegen der Darstellung der Pflegerin Anne (Katharina Marie Schubert), die verdächtigt wird, zwei Pflegebedürftige auf dem Gewissen zu haben. Ein klassischer Verhörkrimi mit geschickten Rückblenden.

Felix Klare und Richy Müller als Kommissare Bootz und Lannert haben dem Stuttgart-Krimi Leben eingehaucht, ohne in Routine und Privatkrams zu erstarren, ähnlich wie die unersetzlichen Ermittler Eisner und Fellner (Harald Krassnitzer, Adele Neuhauser) in Wien.

Ein derart markantes Profil ist der NDR-Ausgabe mit Charlotte Lindholm zu wünschen, die in „Das verschwundene Kind“ eine neue provokante Kollegin an die Seite gestellt bekommen hat. Da ist noch Luft nach oben, genauso wie in Saarbrücken und Bremen nach dem Abgang der Ermittler Stellbrink, Lürsen und Stedefreund.

Es muss nicht immer dekonstruktiv sein, um mit dem „Tatort“ positiv aufzufallen. Der nächste Murot, aus der Zeitschleife erwacht, kommt bestimmt.

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