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Auf dem Züriberg.  Kommissarin Tessa Ott (Carol Schuler, l.) und ihre Kollegin Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher).

© dpa

„Tatort“ aus Zürich: Bittersüß

„Diese Familie ist so abgefuckt“. Der neue „Tatort“ aus Zürich zeigt die High Society nicht von ihrer Schokoladenseite.

Oben auf dem Zürichberg, da reiht sich Luxusvilla an Luxusvilla, der Blick schweift über den Zürisee, finanzielle Sorgen und Nöte hat hier niemand der oberen Zehntausend. „Schoggiläbe“ eben. Zumindest in der Familie des Schokoladen-Fabrikanten Hans-Konrad Chevalier wird dieses Dolce Vita eingetrübt: der reiche Fabrikant liegt eines Abends tot auf dem Fußboden. Der Mörder wollte wirklich ganz sicher sein, Chevalier, nach dem auch seine süßen Schokoladen-Träume benannt sind, wurde zugleich erschossen und erschlagen. Sicher ist sicher. Gerade im saturierten Zürich.

„Schoggiläbe“ ist der Titel dieses neuen, zweiten „Tatorts“ aus Zürich, in dem die Ermittlerinnen Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) und Tessa Ott (Carol Schuler) auf Tätersuche gehen. Gekonnt und ideenreich inszeniert hat diesen sehenswerten Fernsehfilm, wie schon das Debüt, Vivianne Andereggen. Umgesetzt hat die Schweizerin das Drehbuch von Stefan Brunner und Lorenz Langenegger, die das Schweizer Ermittlerinnen-Duo kreiert haben („Tatort: Schoggiläbe“, Sonntag, ARD, 20 Uhr 15).

Tessa Ott kennt den Toten. „Altes Geld“, meint sie zu Isabelle Grandjean am Tatort in der Bungalow-Villa. Sie sagt das ganz bewusst etwas lapidar. Denn sie selbst stammt aus dieser noblen Gegend und versucht mit aller Kraft, sich von diesen Wurzeln zu befreien. Ohnehin wird es in diesem Zürcher „Tatort“ auf der erweiterten Handlungsebene viel um die Herkunft und Identität der beiden neuen Ermittlerinnen gehen. Beide hadern sie mit ihrer Situation. Beide sind sie unsicher, ob der Ort, an dem sie sind, gut für sie ist.

„Diese Stadt! Diese Stadt ist…“. beide scheinen nicht angekommen zu sein. Beide suchen noch. Einmal meint Grandjean im Auto zur jüngeren Ott: „Wurzeln geben Halt – ob man will oder nicht.“ Da erwidert Ott auf die ihre burschikos-schnoddrige Art: „Ich hab’ mich umgetopft.“

Die beiden Frauen bekämpfen sich

„Schoggiläbe“ geht in der Narration beiden Strängen parallel nach – dem Kriminalfall der Chevaliers hier, der Identitätsfindung der Kommissarinnen dort. Dabei wenden sich die beiden Frauen mitunter auch schon mal direkt an die Zuschauerschaft, indem sie frontal in die Kamera blicken und das Gegenüber hinter der vierten Wand ansprechen. Das ist ein Kunstgriff, der in seiner unmittelbaren Abruptheit, in der er mehrfach kommt, überraschen mag.

Die Protagonistinnen sprechen die an, die ihnen beim Ermitteln zusehen. Das hat fast etwas Konfrontatives. Ohnehin sind die beiden sehr unterschiedlich angelegten Neuen in Zürich kantig, unbequem und herzlich wenig gefällig. Das ist gut so. Es ist deutlich spürbar, dass über diese beiden Frauenfiguren noch viel erzählt werden kann.

Der Fall führt die beiden Ungleichen derweil noch oft hoch auf den Züriberg - sie lernen die überaus ehrgeizige, zielstrebige Tochter des ermordeten Chocolatiers kennen, Claire Chevalier (Elisa Plüss), die die Firma ebenso übernehmen will wie ihre resolute, eiskalte Großmutter, die Mutter des Toten, Mathilde Chevalier (Sibylle Brunner). Die beiden Frauen bekämpfen sich, liegt ihnen die Schokoladenfirma doch mehr am Herzen als die Familie. Sie alle würden wohl über Leichen gehen.

Währenddessen erfahren Grandjean und Ott – was in der erkalteten Chocolatiers-Familie alle immer schon wussten –, dass der Patron homosexuell war, dass er zu Depressionen neigte und offenbar suizidgefährdet war. Er konnte die Firma kaum noch führen. „Diese Familie ist so abgefuckt“, meint Claire Chevalier zu Tessa Ott, die sie noch von früher kennt – von damals, den gemeinsamen ZüribergZeiten, als alles noch gut zu sein schien in diesem Schoggiläbe.

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