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Die Ermittler Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) und Franziska Tobler (Eva Löbau).

© SWR/Benoît Linder

„Tatort“ aus Freiburg: Gefährliche Liebschaften

Wie verhält sich ein Mensch, wenn zwei Nahestehende spurlos verschwunden sind? Der „Tatort“ aus Freiburg erzählt von einem seltsam unaufgeregten Familiendrama.

Als Edeltraud Vogt (Ruth Wohlschlegel) mit einer Gemüselieferung vor der verschlossenen Haustür der Familie ihres Sohnes Gerd Vogt (Daniel Lommatzsch) steht, macht niemand auf. Sie schließt auf, betritt das weiträumige Haus und wundert sich über die Stille, die in den Räumen liegt. Dann steht sie im Türrahmen des Schlafzimmers.

Auf dem Bettlaken ist eine große Blutlache zu sehen. Hauptkommissar Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) wird später sagen, die Lache sei derart groß, dass der Blutverlust lebensbedrohlich, wenn nicht tödlich sei. Als man Gerd Vogts Frau Sandra (Lisa Hagmeister) ausfindig macht, wie sie völlig apathisch bei einer Tasse Kaffee sitzt, und ebenso Sohn Lukas (Sean Douglas) antrifft, ist klar, wer von der vierköpfigen Familie fehlt: Gerd Vogt und Sohn Noah. (Tatort: Die Blicke der Anderen“, Sonntag, ARD, 20 Uhr 15)

Wie verhält sich ein Mensch, wenn zwei Nahestehende spurlos verschwunden sind? Wie blickt das soziale Umfeld, die Gesellschaft auf dieses Verhalten? Auch davon handelt der neue „Tatort“ aus Freiburg, den Regisseurin Franziska Schlotterer nach dem Drehbuch von Bernd Lange in Szene gesetzt hat. „Die Blicke der Anderen“ heißt der Film denn auch, sind es doch die Blicke, das Schweigen auch, die die Ehefrau Sandra Vogt in dieser im Breisgau gelegenen Kleinstadt aburteilen.

Denn Sandra Vogt reagiert anders, als es die gesellschaftlichen Erwartungen vorzuschreiben scheinen: auch in den Vernehmungen durch Hauptkommissarin Franziska Tobler (Eva Löbau) und ihren Kollegen Berg legt diese Frau eine ganz eigene Form der vermeintlichen Indifferenz an den Tag.

Die große Blutlache auf dem Laken

Ihr Mann und ihr jüngster Sohn werden vermisst, die große Blutlache auf dem Laken legt für Tobler und Berg den Schluss nahe, dass Vater und Sohn möglicherweise einem brutalen Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen sind. Doch Sandra Vogt hat nicht viel zu sagen.

„Die Blicke der Anderen“ erzählt auch davon, wie es für einen Menschen, für eine Ehefrau und zweifache Mutter ist, von allen vorverurteilt zu werden: Von den eigenen Verwandten, Schwiegereltern, Nachbarn, Arbeitskollegen, bis hin zu den beiden, die den Fall aufklären sollen, Tobler und Berg. Lange Zeit bis zehn Minuten vor Filmende, ist niemand anderes auf dem Radar des Ermittler-Duos.

Der Spannungsbogen dieses überaus gelungenen „Tatorts“ wird konsequent gehalten. Das liegt vor allem auch daran, dass man von Beginn an ganz dicht an der Protagonistin dieses Stücks ist, an der Figur der Sandra Vogt, die von Lisa Hagmeister – die überforderte Mutter in Nora Fingscheidts Kinofilm „Systemsprenger“ (2019) – auf eindrückliche Weise gespielt wird.

„Die Blicke der Anderen“ handelt nicht zuletzt davon, wie es ist, wenn einer den anderen belügt und betrügt, wenn Misstrauen und Eifersucht sich einschleichen, wenn andere in bestehende Beziehungen einbrechen und deren Existenz gefährden. Es ist vielleicht der beste der bislang neun Freiburger „Tatorte“.

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