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Der ehemalige "Tagesschau"-Sprecher Wilhelm Wieben ist tot.

© dpa

Kompetent und den Menschen zugewandt: „Tagesschau“-Sprecher Wilhelm Wieben ist tot

Fast 25 Jahre lang prägte Wilhelm Wieben die „Tagesschau“ als Sprecher. Jetzt ist er mit 84 Jahren gestorben. Ein Nachruf

Ob sich Wilhelm Wieben auch nur einmal versprochen hat? In den fast 25 Jahren, in denen er die "Tagesschau" gesprochen hat. Wilhelm Wieben wirkte korrekt bis in die Haarspitzen, sachlich in seiner sonoren Stimme und jederzeit stilsicher in seiner Kleiderwahl. Nicht nur bei Deutschlands meistgesehener Nachrichtensendung, sondern auch später, bei seinen Bühnenauftritten.

Wilhelm Wieben arbeitete bereits seit 1966 in der Redaktion der "Tagesschau" in Hamburg-Lokstedt, seinen ersten Einsatz als Sprecher hatte er 1973. Über viele Jahre las er auch die 20 Uhr-Ausgabe - zum ersten Mal am 5. Mai 1974, zum letzten Mal am 24. Juni 1998.

Geboren 1935 in Hennstedt in Schleswig-Holstein, ging Wieben nach einer Verwaltungslehre zur Schauspielausbildung an die Max-Reinhardt-Schule nach Berlin. Anfang der 1960er-Jahre wurde er Fernsehansager beim damaligen Sender Freies Berlin und Sprecher für alle Programmsparten bei Radio Breme. Für den Sender kündigte er unter anderem den "Beat Club" an, eine Musiksendung für Jugendliche - damals ungewöhnlich und ungewöhnlich auch, dass Wieben quasi mal ein Rocker oder wenigstens ein Rock'n'Roller war. "In wenigen Sekunden beginnt die erste Show im Deutschen Fernsehen, die nur für Euch gemacht ist", sagte Wieben und bat ältere Zuschauer in seiner Anmoderation "um Ihr Verständnis". Immerhin nicht um Erlaubnis - oder gar Entschuldigung.

1966 ging er nach Hamburg, zum NDR. Wieben arbeitete zunächst im "Off" für ARD-aktuell. 1972 ging es ins "On", wurde via "Tagesschau" für das Publikum sichtbar, 1974 folgte der "Ritterschlag": Wilhelm Wieben las die "Tagesschau" um 20 Uhr. Fast 25 Jahre prägte Wieben die Sendung. Seinen Abschied nahm er ohne großes Aufsehen: "Wir melden uns wieder um 22:30 Uhr mit den Tagesthemen". Später sagte er, er nehme die "Erinnerung an eine sehr schöne Zeit" mit. "Kein Bedauern, dass es nicht mehr ist, wie es nun so viele Jahre gewesen ist."

Korrekt, sachlich, stilsicher

Wieben moderierte in den 70er- und 80er-Jahren Radiosendungen auf NDR 2, das aber nur neben seiner Tätigkeit für die "Tagesschau". 1976 begann er mit plattdeutschen Lesungen, später schrieb er Bücher auf Plattdeutsch - was er als seine Muttersprache bezeichnete - und sprach Hörbucher ein. Gelegentlich war er nach seiner "Tagesschau"-Karriere auch noch im Fernsehen zu sehen, vor allem aber auf der Bühne. Von 1981 bis 1990 trat er insgesamt mehr als 60 Mal als Bassa Selim in Mozarts „Entführung aus dem Serail“ an der Hamburgischen Staatsoper auf. Noch häufiger - mehr als 70 Mal - war er 1995/96 als Kaiser Franz Joseph im „Weißen Rössl“ im Hamburger „Tivoli“-Theater zu sehen. Mit seinen ehemaligen Kollegen Dagmar Berghoff und Jo Brauner analysierte er dort zum Beispiel moderne Redensarten. Die Aussage "geht gar nicht" beschrieb er in einem Auftritt etwa als "kürzlich aufgekommene, entrüstete Bekundung, dass ein modisches Kleidungsstück nicht akzeptabel" sei.

Wieben selbst war immer "akzeptabel" gekleidet. 1983 wurde er deshalb vom Deutschen Mode-Institut als "Krawattenmann des Jahres". Und so behalten ihn viele auch in Erinnerung: Korrekt, sachlich, stilsicher. Und den Zuschauern wie den Menschen zugewandt: Wilhelm Wieben, der als Einzelgänger galt, setzte sich nicht nur mit Lesungen und seinem Engagement für die Aktion "Augen auf!" für hilfsbedürftige Menschen ein. Wilhelm Wieben starb am Donnerstag im Alter von 84 Jahren in Hamburg.

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