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ARCHIV - 12.06.2019, Nordrhein-Westfalen, Köln: Moderatorin Sandra Maischberger vor dem Logo ihrer ARD-Sendung «Maischberger: die Woche». «Maischberger» kehrt als erste der großen Talkshows nach der Sommerpause zurück. Gastgeberin Sandra Maischberger will am 14.08.2019 um 22.45 Uhr im Ersten gleich mehrere Themen dieser Woche aufgreifen. (zu dpa "Sandra Maischberger als erste Talkerin zurück aus der Sommerpause") Foto: Horst Galuschka/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa

Streit über „Maischberger“-Gästeliste: Dann doch mit Afroamerikanerin - das machte es nicht wesentlich besser

Eine Sendung über Rassismus ohne Betroffene? Das war ursprünglich der Plan für „Maischberger“. Eine Schwarze durfte schließlich doch sprechen, aber nicht über ihr Anliegen.

Wen lädt man ein, um in einer politischen Talkshow über die Proteste gegen rassistische Polizeigewalt in den USA zu sprechen? Die Redaktion der ARD-Sendung „Maischberger. Die Woche“ veröffentlichte am Dienstag ihre Liste mit fünf Gästen, darunter der Außenminister Heiko Maas (SPD) und der Journalist Jan Fleischhauer. Nicht auf der Liste vertreten: eine einzige Person, die selbst von Rassismus betroffen ist und aus dieser Perspektive sprechen kann.

In den sozialen Medien reagierten viele mit Unverständnis und Wut, eine Online-Petition mit dem Titel „Frau Maischberger, wieso laden Sie fünf weiße Personen ein, um über Rassismus zu sprechen?“ unterzeichneten mehr als 26.000 Personen. 

Sandra Maischberger reagierte am Mittwochabend in ihrer Show mit keinem Wort auf die massive öffentliche Kritik. Aufgedeckt hat sie mit ihrer Sendung vor allem eins: den institutionellen Rassismus, der auch in Deutschland nach wie vor existiert.

Das Problem ist nicht neu. 2019 verliehen die Neuen Deutschen Medienmacher*innen die „Goldene Kartoffel“ an die vier großen politischen Talkshows, einen Negativpreis für „unterirdische Berichterstattung“. Die Jury begründete das unter anderem mit dem „Diversitätsmangel“ der Gäste, der in vielen Sendungen „bestechend“ sei. 

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Eine Analyse des Blogs Bliq ergab, dass von den Talkshowgästen im Jahr 2019 etwa 93 Prozent weiß und nur sieben Prozent „nicht-weiß“ waren. Von den insgesamt 728 Gästen waren drei Talkshowgäste schwarz.

Schließlich doch eine Afroamerikanerin in der Runde

Die Maischberger-Redaktion hatte sich dann doch noch dazu bewegen lassen, die afroamerikanische Germanistikprofessorin Priscilla Layne zu kontaktieren, am Mittwoch wurde sie als sechster Gast vorgestellt. Knapp acht der 75 Minuten Sendezeit wurden Layne eingeräumt, die per Video aus North Carolina zugeschaltet war. 

Man wolle nun über Rassismus sprechen, kündigte Maischberger an, fragte dazu aber dann recht wenig. Stattdessen wollte Maischberger von Layne wissen, ob sich die Community eigentlich bewusst sei, wie kontraproduktiv Plünderungen sein können und was sie von den Theorien von US-Präsident Donald Trump halte, dass sie von linksradikalen Gruppen wie der Antifa organisiert würden. 

„Gedanke eines schwarzen Gasts erst in letzter Minute“

Layne selbst hatte die Sendung zuvor auf Twitter bereits scharf kritisiert. „Der Grund, dass sie mich kontaktiert haben, ist entweder, dass der Gedanke eines schwarzen Talkshowgasts ihnen erst in letzter Minute gekommen ist oder, dass sie, wenn sie an Rassismus und Polizeigewalt denken, fälschlicherweise nur an die USA denken“, schrieb Layne. Dabei hätte es viele afrodeutsche Expert*innen gegeben, die zum Thema hätten sprechen können.

„Ich erkenne, dass diese Einladung viel von dem ganzen Bullshit wiederspiegelt, mit dem schwarze Deutsche sich auseinandersetzen müssen“, twitterte Layne. Es gehe darum, aus wichtigen Konversationen ausgeschlossen zu werden. Sie kündigte an, für all jene zu sprechen zu wollen, die nicht eingeladen wurden.

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Doch aus diesen Plänen wurde nichts, in der Sendung durfte Layne sich ausschließlich zur Lage in den USA äußern. Dabei betonte sie, dass sie selbst schon negative Erfahrungen mit der Polizei gemacht habe und dass Trumps Rhetorik eine ohnehin schon schlechte Situation noch verschlimmert habe.

„Profit und Geschäfte sind nicht so wichtig wie Menschenleben“

Die Plünderung sieht Layne als verzweifelten Versuch der Protestierenden, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Viele Amerikaner würden erst hinschauen, wenn es um Geld geht. „Profit und Geschäfte sind nicht so wichtig wie Menschenleben“, sagte Layne.

Sie verwies auf zahlreiche friedliche Protestversuche der Vergangenheit, die alle gescheitert seien. Den Kniefall vieler weißer Polizisten sieht sie eher als Performance. „Ich glaube erst, dass sich etwas ändert, wenn es strukturelle Veränderungen gibt,“ so das Fazit der Professorin.

Maas: „Alte rassistische Wunde aufgerissen“ 

Maischberger selbst zeigte sich zwischendurch fast überrascht von der Situation in den USA. „Da scheint etwas explodiert zu sein“, analysierte sie. Auch Heiko Maas sprach in seinem Interview wiederholt davon, dass eine „alte rassistische Wunde“ der USA „wieder aufgerissen“ sei. Wann diese jemals verheilt gewesen sein soll, blieb offen.

Maas betonte, dass es Rassismus auch in anderen Ländern gebe – Deutschland inklusive. Er erwähnte Hanau und Halle als aktuelle Beispiele. Als Rassisten wollte er Donald Trump nicht bezeichnen, sagte aber, dass es „Masche der Populisten“ sei, über Polarisierung das eigenen Klientel zu mobilisieren und dass Trump „Öl ins Feuer“ gieße.

Fleischhauer: Vorwürfe gegen Trump „eigenartig“

Fleischhauer, der für den „Spiegel“ Kolumnen mit Titeln wie „Nazis rein“ schrieb und jetzt beim „Focus“ arbeitet, nahm das Wort „Rassismus“ gar nicht erst in den Mund. Stattdessen sprach er über „marodierende Banden“, die nachts durch New York ziehen würden. 

Trump sei dafür nicht verantwortlich, die Vorwürfe gegen ihn seien „eigenartig“. Würde das gleich in Deutschland passieren, würde man auch hier nach einer „harten Hand“ rufen, nach dem Einsatz von Polizei und Militär.

Thema US-Rassismus nach 30 Minuten abgehakt

Die ARD-Börsenexpertin Anja Kohl und der Moderator Dirk Steffens versuchten, dagegen zu halten. Kohl betonte, dass der Rassismus in den USA auf einer großen sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheit fuße. Eine der wenigen Momente in der Show, wo strukturelle Probleme überhaupt thematisiert wurden.

Nach 30 Minuten war das Thema dann abgehakt und es ging weiter mit den anderen Schwerpunkten der Woche: Reisewarnungen, Konjunkturpaket und Corona-Impfstoffentwicklung, wozu die Virologin Helga Rübsamen-Schaeff als Expertin geladen war. Sie dämpfte die Hoffnungen auf einen schnellen Impfstoff, führte aber aus, dass dem Virus auch mit Medikamenten beizukommen sei, wie dies etwa bei HIV geschehen sei.

Es braucht noch viele Sendungen über Rassismus

Mit den anderen Themen der Woche hatte die Redaktion von Maischberger auf Twitter zunächst gerechtfertigt, keine Person of Color (PoC) in die Show eingeladen zu haben – und damit impliziert, dass es in ihren Augen scheinbar keine PoC in Deutschland gibt, die sich kompetent dazu äußern könnte. 

Sowohl die Sendung selbst als auch die Reaktionen auf die Kritik haben gezeigt, dass es dringend Zeit wird, mehr politische Talkshows zum Thema Rassismus in Deutschland zu veranstaltet. Dann vielleicht von Anfang an mit einer diverseren Gästeliste.

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