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4085 Beschwerden gingen 2020 beim Presserat ein.

© Jens Kalaene/dpa

Presserat legt Zahlen für 2020 vor: So viele Beschwerden wie nie und deutlich mehr Rügen

Vor allem einige Massenbeschwerden treiben die Zahlen nach oben. Beim Thema Corona hat sich die große Mehrheit der Medien an die ethischen Grundsätze gehalten.

„Wir wurden von Beschwerden regelrecht überflutet“, berichtete Sascha Borowski, seit August vergangenen Jahres Sprecher des deutschen Presserates, am Dienstag bei der Jahrespressekonferenz der Selbstkontrolleinrichtung. Insgesamt 4085 Beschwerden gingen 2020 beim Presserat ein, beinahe doppelt so viele wie im Vorjahr (2175). Als ein Grund dafür wurden die 117 Massenbeschwerden mit über Tausend Beschwerdeführern genannt, die zum Teil auf konzertierte Aktionen unter anderem in Telegram-Gruppen zurückgeführt werden.
Auch die Zahl der ausgesprochenen Rügen, dem schärfsten Sanktionsmittel der Freiwilligen Selbstkontrolle der Print- und Onlinemedien, stieg sprunghaft von 34 in 2019 auf 53 im vergangenen Jahr.
Gleichwohl attestiert Borowski den Medien, die sich vom Presserat regulieren lassen, „bei der Einhaltung der ethischen Grundsätze“ in der Corona-Berichterstattung „einen guten Job“ gemacht zu haben. Dafür spricht auch, dass zwar 581 Beschwerden zum Themenkomplex Corona eingingen, aber zu den 321 bislang geprüften Beschwerden nur vier zu einer Rüge führten. So wie gegen „Bild“ für ihre Berichterstattung über eine Studie des Virologen Christian Drosten. Der Redaktion wurde ein grober Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht vorgeworfen. „Gerade in unsicheren Zeiten wünschen sich Leserinnen und Leser eine Berichterstattung, der sie vertrauen können“, appellierte Borowski. “ 

581 Beschwerden zur Corona-Berichterstattung

Große Aufmerksamkeit zog auch eine Kolumne der „taz“ auf sich. Gegen den Meinungsbeitrag „All cops are berufsunfähig“ kamen 382 Beschwerden zusammen – so viele wie zu keinem anderen Artikel in der Geschichte des Presserats. In der Sache blieben die Beschwerden jedoch erfolglos. Der Presserat wertete die Kolumne als einen von der Pressefreiheit gedeckten Meinungsbeitrag und wies die Beschwerden zurück.
In einem anderen viel diskutierten Fall wurden indes gleich mehrere Medien gerügt. Neben „Bild“ hatten die „Süddeutsche Zeitung“ und die „Rheinische Post“ im Fall der Kindstötung von Solingen aus privaten WhatsApp-Chats zitiert: Reines Sensationsinteresse unter Missachtung des Opferschutzes, befand der Presserat.
Bei der Veröffentlichtung der Rügen, zu der sich die im Presserat vertretenen Medien verpflichtet haben, gingen die Publikationen unterschiedliche Wege. Nur rund zwei Drittel der Rügen (34) wurden abgedruckt oder im Internet veröffentlicht, in 19 Fällen unterblieb dies. Eine besondere Linie fährt Springers „Bild“. Von den 22 in 2020 ausgesprochenen Rügen wurden die Hälfte veröffentlicht, jedoch ausschließlich online. In der gedruckten Zeitung hat „Bild“ die letzte Rüge im Jahr 2018 abgedruckt.
Von einer grundsätzlichen Weigerung will man beim Presserat dennoch nicht sprechen, man sei mit der Redaktion des Springer-Mediums im Gespräch. Der Presserat kann in solchen Fällen auf Abdruck drängen und schwarze Schafe anprangern, „größere Hebel“ habe man allerdings nicht, „die Konstruktion funktioniert nur, wenn sich alle Medien an die Regeln halten“, sagte Presseratssprecher Borowski.
Ein anderes Problem stellt für den Presserat die große Zahl von Beschwerden dar, für die andere Institutionen zuständig sind. Das gilt unter anderem für die 622 Beschwerden, in denen es um Rundfunkbeiträge handelte – wie bei der Corona-Satire "Corona rettet die Welt" des Jugendangebots funk von ARD und ZDF. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr aus solchen oder ähnlichen Gründen 1709 Beschwerden zurückgewiesen, also in mehr als 40 Prozent der Fälle.

Im Fokus: Opferschutz und Schleichwerbung

Insgesamt am häufigsten gerügt wurden 2020 Verstöße gegen den Opferschutz sowie Fälle von Schleichwerbung und mangelnder Kennzeichnung von Anzeigen. „Redaktionen sollten im Interesse der eigenen Glaubwürdigkeit redaktionelle Inhalte und Werbung deutlich trennen“, so Borowski. Die Rekordzahl an Beschwerden relativiert sich zudem, wenn man die Anzahl der Fälle betrachtet, die am Ende in den Beschwerdeausschüssen landeten. Mit 530 Fällen lag deren Anzahl zwar über dem Vorjahr (484), erreichte aber bei weitem nicht die Größenordnung von 2018, als die Ausschüsse über 606 Fälle zu befinden hatten. Kurt Sagatz

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