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"Der Präsident hat mich geküsst.“: Bill Clinton (Clive Owen) und die Praktikantin Monica Lewinsky (Beanie Feldstein) im Oval Office.

© Twentieth Century Fox

Serie zur „Lewinsky-Affäre“: Schmutzige Fantasien im Oval Office

Die dritte Staffel der Serie „American Crime Story“ erzählt die „Lewinsky-Affäre“ als Politskandal. Bezüge zur Gegenwart sind dabei kein Zufall.

Von Andreas Busche

Damit bloß keine Zweifel aufkommen, womit man es bei der dritten Staffel der Anthologieserie „American Crime Story“ zu tun hat, fällt in der zweiten Folge der entscheidende Hinweis. „Wow, ganz schön ’All the President’s Men“-mäßig“, meint der Online-Journalist ironisch beim Besuch in den heiligen Hallen des amerikanischen Qualitätsjournalismus: der Redaktion des Nachrichtenmagazins „Newsweek“.

Die Anspielung auf den Watergate-Thriller mit Robert Redford und Dustin Hoffman als Investigativ-Duo Woodward und Bernstein soll wohl auch als Eigenlob verstanden werden, zumindest legen das die aufdringlich beige-sepia-gräulich ausgewaschenen Bilder nahe, die an den Paranoia-Klassiker erinnern. Alan J. Pakulas „All the President’s Men“ (auf deutsch „Die Unbestechlichen“) gilt bis heute als Referenzgröße für politisches Kino made in Hollywood.

Nach den preisgekrönten Staffeln über den Prozess gegen O.J. Simpson und den Mord an dem Modedesigner Gianni Versace begibt sich Showrunner Ryan Murphy mit „Impeachment: American Crime Story“ auf politisches Terrain. Wobei Politik und Gossip in den amerikanischen Unterhaltungsmedien seit Donald Trump nicht mehr trennscharf zu unterscheiden sind.

Die „Lewinsky-Affäre“ von 1998 um die sexuelle Beziehung des US-Präsidenten mit der 23-jährigen Praktikantin Monica Lewinsky hat nicht zuletzt durch die republikanische Hetzkampagne, die in einem Amtsenthebungsverfahren gegen Clinton gipfelte, die Sensationslust (auch die schmutzige Fantasie) Amerikas befeuert („Impeachment: American Crime Story“, Sky, neue Folgen immer am Dienstag).

Fantasie gehört auch dazu, die damalige Affäre in den Rang der großen medialen Kriminalfälle zu erheben. (Ein Amtsenthebungsverfahren ist laut US-Verfassung kein juristischer, sondern ein politischer Prozess.) Auch darum ist der Hinweis auf den Watergate-Klassiker nicht ganz unerheblich: Die Gräben im gegenwärtigen Kongress und Senat wurden bereits Mitte der neunziger Jahre durch das politisch motivierte Amtsenthebungsverfahren ausgehoben. In den Vorwürfen gegen Donald Trump, die zu gleich zwei solcher Verfahren führten, waren die politischen und kriminellen Verstöße dann kaum noch voneinander zu trennen.

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So guckt man sich „Impeachment: American Crime Story“ immer auch in dem Wissen um die politischen Konsequenzen an. Viele der Protagonist:innen, die in den Neunzigern erstmals in der Öffentlichkeit auftauchten – die von Clinton eingesetzte Oberste Richterin Ruth Bader Ginsburg, der junge, von Trump ans Bundesgericht beförderte Brett Kavanaugh, die rechte Online-Dreckschleuder Matt Drudge, bei dem Andrew Breitbart sein Handwerk lernen sollte – tummeln sich im Figurengewimmel von Autorin Sarah Burgess, die Jeffrey Toobins Buch „A Vast Conspiracy“ adaptiert hat.

Schon vor Lewinsky hatte Clinton Missbrauchsvorwürfe am Hals

Ein Coup gelang Ryan Murphy damit, dass er Monica Lewinsky als Produzentin gewinnen konnte. Lewinsky avancierte in den vergangenen Jahren zu ihrer eloquentesten Fürsprecherin, die die aus den misogynen Neunzigern überlieferten Rollenbilder von Täterin (die „Ehebrecherin“) und Opfer (der verfolgte Präsident) in der Folge von MeToo korrigierte.

Die ersten drei Folgen, die für Journalist:innen vorab zu sehen waren, lassen ihren Einfluss noch nicht erkennen. Murphy und Burgess springen in ihrer aufwendigen Exposition zunächst über einen Zeitraum von fünf Jahren immer wieder hin und her. Paula Jones (Annaleigh Ashford), die mit dem ersten Prozess gegen Clinton wegen sexueller Belästigung vor dem Obersten Gerichtshof das Präzedenzurteil erwirkt hatte, dass ein US-Präsident keinen Anspruch auf Amnesie für zivilrechtliche Delikte hat, erhält ähnlich viel Raum wie die von Beanie Feldstein gespielte Lewinsky.

Den Vogel aber schießt Sarah Paulson in der Rolle von Linda Tripp ab. Die Karrierebeamtin, die schon unter Bush im Weißen Haus arbeitete, wurde zur Vertrauensperson der zwanzig Jahre jüngeren Lewinsky. Sie war es, die heimlich die Telefonate zwischen Clinton und Lewinsky mitschnitt, die dem Ermittler Kenneth Starr später als Beweismittel für sein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten dienen sollten.

Paulson treibt die äußerliche Mimikry in „Impeachment“ am weitesten. Mit Prothesen und schlechter Perücke wirkt sie wie die Karikatur einer Schurkin, abends isst sie allein ihr Mikrowellen-Dinner vor dem Fernseher. In einer späteren Folge sieht Tripp, wie John Goodman sie in der Comedyshow „Saturday Night Life“ parodiert. Beides sind wenig schmeichelhafte Portraits.

Die Affäre gehört längst zur medialen Folklore

Die ungleiche Freundschaft zwischen den Frauen gehörte zu den großen Rätseln der „Lewinsky-Affäre“. Aber sonderlich sympathisch kommt die missgünstige, intrigante und permanent schlecht gelaunte Tripp in „Impeachment“ nicht rüber, auch wenn Paulson ihre Figur ganz offensichtlich so angelegt hat.

Für eine Serie, die damit punkten will, die Reputation der damals öffentlich demontierten Monica Lewinsky wiederherzustellen, fallen die Frauenrollen bei Murphy – zumindest nach den ersten drei Folgen – reichlich denunziatorisch aus. Paula Jones, die Ashford wirklich als leicht unterbelichtete Southern Belle spielt, wird von ihrer Anwältin Susan Carpenter-McMillan (Judith Light) einmal „blöd wie ein Stück Holz“ genannt.

Solche schiefen Tonlagen irritieren, sollten die Sichtweisen der damals geschmähten Lewinsky und Jones doch das Alleinstellungsmerkmal der Serie sein. Die Affäre gehört längst zur medialen Folklore Amerikas, im Detail aufbereitet und analysiert in Reportagen, Dokumentationen und Podcasts.

Während die erste Staffel um den Prozess gegen O.J. Simpson noch neue Aspekte des Komplexes Rassismus, Sport und Celebrity-Kult thematisierte, lässt man sich bei „Impeachment“ für die interessanten Gedanken zumindest viel Zeit.

Am Beispiel des Amtsenthebungsverfahrens lässt sich ja tatsächlich eine amerikanische Mentalitätsstudie erzählen, was sowohl die politischen Grabenkämpfe als auch die Misogynie der Medien angeht. Da ist es fast erschütternd, dass nach drei Folgen Bill Clinton eigentlich am besten wegkommt, Clive Owen verleiht ihm eine brütende, zweifelnde Aura. Die großen Auftritte von Hillary Clinton stehen allerdings noch bevor.

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