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Kira Dorn (Nora Tschirner) muss im Neujahrs-"Tatort" mit dem Titel "Der feine Geist" weitgehend alleine ermitteln. Ihr Kollege und Ehemann Lessing (Christian Ulmen) wird angeschossen.

© Steffen Junghans/MDR

Der „Tatort“ aus Weimar: Schluss mit lustig

Der neue „Tatort“ mit Nora Tschirner und Christian Ulmen ist ein verzwickter Krimi und aus gutem Grund kaum noch komisch.

Anders als die Filme aus Münster, in denen es mitunter auch mal ungewohnt ernst zugeht, ist der „Tatort“ aus Weimar seinem Ruf als „Schmunzelkrimi“ stets gerecht geworden. Die Fälle waren mal mehr, mal weniger skurril, aber Namenswortspiele wie „Die Fette Hoppe“, „Der kalte Fritte“, „Der wüste Gobi“ oder „Der letzte Schrey“ waren deutliche Signale.

Auch „Der feine Geist“ scheint dieser Tradition zu folgen, doch diesmal ist Schluss mit lustig: Die Geschichte wird die Freunde und Verehrer der heiteren Geplänkel zwischen Nora Tschirner und Christian Ulmen sehr betrüben.

Der Titel ist wie stets doppeldeutig, auch wenn die Person, auf die er sich bezieht, nur als Nebenfigur mitwirkt: John Geist (Ronald Zehrfeld) ist Betreiber einer Sicherheitsfirma. Eines Tages wird sein Geschäftsführer Opfer eines Raubüberfalls, als er die Einnahmen eines Juweliergeschäfts zur Bank bringen will. Dorn und Lessing sind zufällig in der Nähe, hören den Schuss und verfolgen den Täter in die Parkhöhle. Dort wird Lessing von einer Kugel getroffen. Dorn schickt ihn ins Krankenhaus und ist fortan auf sich allein gestellt, hat aber regelmäßig telefonisch Kontakt mit dem Kollegen, der auch ihr Ehemann und der Vater des gemeinsamen Sohnes ist.

[„Der feine Geist“, ARD, Freitag, 20 Uhr 15]

Wie so oft beim „Tatort“ aus Weimar ist die Handlung vom Ende her betrachtet schlüssig, aber Stammautor Murmel Clausen, an dessen Drehbuch Regisseurin Mira Thiel mitgewirkt hat, verpackt die Geschichte angenehm kompliziert: Während Kurt Stich (Thorsten Merten), der Vorgesetzte des Ermittlerduos, von Raubmord ausgeht, glaubt Dorn an ein abgekartetes Spiel; erst recht, als kurz drauf ein zweiter Mitarbeiter der Sicherheitsfirma erschossen wird und beide Morde wie Hinrichtungen wirken.

Der Schuss auf Lessing war ihrer Ansicht nach kein Zufallstreffer, denn eine Woche zuvor hat es eine Begegnung zwischen dem Kommissar und dem ersten Opfer gegeben. In dessen Auto saß auch eine Abteilungsleiterin des Verwaltungsamts: Maike Viebrock (Inga Busch) steckt mit Geist unter einer Decke, denn der betreibt einen ebenso illegalen wie schwunghaften Handel mit seltenen Papageien. Stich wiederum hat eine überaus leidenschaftliche Beziehung zu Viebrock, was dem Film einige heitere Momente beschert.

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Nicht nur wegen der persönlichen Betroffenheit des Ermittlerehepaars ist der Tonfall von „Der feine Geist“ deutlich ernster als sonst. Die Filmsprache orientiert sich eher am Thriller als an der Komödie, und auch das ist ungewöhnlich, denn Regisseurin Thiel hat bislang vorwiegend heitere Filme gedreht, aber womöglich liegen ihr Krimis mehr: Die musikalische Liebesgeschichte „Song für Mia“ (2019, ARD) war zwar sehenswert, aber ihr Kinofilm „Gut zu Vögeln“ (2015, Buch und Regie) bewegte sich auf exakt jenem Niveau, das der Titel nahelegte.

In der Unterwelt

Ihr „Tatort“-Debüt, „Der letzte Schrey“, wurde seinem Titel dagegen eher nicht gerecht, was allerdings vor allem an der dünnen Story lag. „Der feine Geist“ ist dagegen gerade auch dank der Bildgestaltung (Moritz Anton) ein richtig guter Krimi. Optischer Höhepunkt sind die Szenen in den Stollen der Parkhohle, die ohnehin ein faszinierender Schauplatz ist, zumal der Mörder mit Pyrotechnik für rötlichen Qualm sorgt, in dem die Verfolger kaum noch die Hand vor Augen sehen; Lessing und Dorn in der Unterwelt, buchstäblich, aber durchaus auch im Sinn der griechischen Mythologie.

Auch jenseits dieser fesselnden Momente und der ausgezeichneten Lichtsetzung sorgen Mira Thiel und ihr Kameramann immer wieder für faszinierende Momente. Nach dem Scharmützel in der Unterwelt zeichnet sich der Film überdies durch eine ganz spezielle Stimmung aus, die dank rätselhafter optischer Einfälle an David Lynchs „Twin Peaks“ erinnert.

Wie es nach diesem besonderen Film mit dem „Tatort“ aus Weimar weitergehen wird, ist völlig offen. Fest steht nur, dass 2021 keine neue Episode gedreht wird. Wegen der Corona-bedingter Produktionsverschiebungen konnte kein gemeinsamer Drehtermin für das Ensemble gefunden werden. Der MDR will nun erst mal abwarten, wie „Der feine Geist“ beim Publikum ankommt, und dann entscheiden, wie das Format weiterentwickelt wird.

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