zum Hauptinhalt
Patricia Schlesinger verteidigte im Rundfunkrat ihre Leistung als RBB-Intendantin, bedauert aber die Umstände, die die Vorwürfe gegen sie nun dem Sender bereiten.

© dpa/Zinken

Sitzung hinter verschlossenen Türen: Schlesinger verteidigt Amtsführung als RBB-Intendantin

Vorwärtsverteidigung: Patricia Schlesinger gibt zu Beginn der RBB-Rundfunkratssitzung eine persönliche Erklärung ab.

Im Vorfeld der mit Spannung erwarteten nicht-öffentlichen Sitzung des RBB-Rundfunkrats am Montagnachmittag, der über eine vorzeitige Abberufung von Patricia Schlesinger als Intendantin entscheiden will, verdichteten sich Forderungen und Ansprüche nicht nur an den Rundfunk Berlin-Brandenburg, sondern auch an das öffentlich-rechtliche System als Ganzes. Die Stichwörter, nach den Verfehlungen der RBB-Spitze (Vorwürfe der Vetternwirtschaft, Verletzung von Compliance-Regeln und laxer Umgang mit den Gebührengeldern): Strukturreform, Transparenz, Kontrolle und allgemeinverbindliche Regeln. Da kann bei den neun Landesrundfunkanstalten, mithin der ARD im Grunde kaum ein Stein auf dem Anderen bleiben.

Neuer Druck für den Rundfunkrat am Montagnachmittag kam am Montag vom RBB-Redaktionsausschuss. Dieser hat die Offenlegung sämtlicher Boni im Haus gefordert. In der Stellungnahme „Alles offenlegen!“ forderte der Ausschuss den Rundfunkrat auf, bei seiner Sitzung am Nachmittag alles ihm Mögliche zu veranlassen, dass sämtliche Verträge, Boni, leistungsabhängige Gehaltsanteile, Prämien, Geschäfts-, Wirtschafts- und Sonderberichte im Sender offengelegt werden.

An der Rundfunkratssitzung nahm auch Patricia Schlesinger teil. Sie verteidigte gegenüber den Mitgliedern von Rundfunk- und Verwaltungsrat ihr Wirken als Sender-Chefin, entschuldigte sich jedoch für die Umstände, denen der Sender durch die Vorwürfe gegen sie ausgesetzt ist. Die "Süddeutsche Zeitung" zitierte am Montag aus dem Redemanuskript von Schlesinger. Die hohen Kosten für den Umbau der Chefetage - es soll sich um 1,4 Millionen Euro handeln, erklärte sie demnach mit einer "überfälligen Schadstoff- und Brandschutzsanierung". Die Abendessen in ihren Privaträumen begründete Schlesinger wie bereits im Interview mit dem Tagesspiegel damit, dass sie den Sender durch ein "Format für Multiplikatoren, für interessante Menschen zum Austausch" besser in Stadt und Land verankern wollte. Schlesinger äußerte sich auch zu den Kostensteigerungen für den Bau des Digitalen Medienhauses. Dafür seien Umplanungen und allgemeine Preissteigerungen die Ursache.

Bedauern über Umstände für den Sender

In Sachen RBB gilt inzwischen die Devise: Nach der Sondersitzung ist vor dem nächsten außerordentlichen Treffen. Am Dienstag stellen sich ab 10 Uhr Interims-Intendant Hagen Brandstäter, Verwaltungsratschefin Dorette König und Friederike von Kirchbach als Vorsitzende des Verwaltungsrates im Haushaltsausschuss des Landes Brandenburg den Fragen der Abgeordneten. Schlesinger sowie der ehemalige Chefkontrolleur Wolf-Dieter Wolf waren der ersten Sondersitzung trotz Einladung ferngeblieben, was die Parlamentarier aus Brandenburg lautstark verärgerte. Die Sitzung an diesem Dienstag ist öffentlich, das RBB-Fernsehen überträgt ebenfalls.

Während in Berlin und Potsdam ein außerordentliches Treffen das nächste jagt, unterbrochen von Ausschusssitzungen im Brandenburger Landtag, hat man es andernorts nicht so eilig. In Berlin wird das Thema RBB im Preußischen Landtag, dem Sitz des Berliner Abgeordnetenhauses, wohl erst in der nächsten regulären Sitzung besprochen. Dabei sind die Probleme beim RBB längst zur Belastung für die ganze ARD geworden. Die Intendantinnen und Intendanten des Senderverbundes haben sich in diversen digitalen Sonderschalten über den Stand der Dinge an der Masurenallee ausgetauscht. Zu den Themen will die ARD–Kommunikation nichts sagen, man wolle die Gespräche „zunächst intern besprechen“. Eine Sonderkonferenz über die Konsequenzen aus der RBB-Affäre nicht geplant. „Die nächste reguläre Sitzung in Präsenz ist – Stand jetzt – am 13. und 14. September geplant“, wurde auf Anfrage mitgeteilt.

Lesen Sie mehr zum RBB-Skandal um Patricia Schlesinger auf Tagesspiegel Plus:

  • „Es ist jetzt nicht die Zeit, um zimperlich zu sein“: Ein Sender kämpft um seinen Ruf (T+)
  • Im Zentrum der RBB-Affäre: Der tiefe Fall von Patricia Schlesinger (T+)
  • Recherchen in eigener RBB-Sache: „Uns wird nichts ,serviert‘ “  (T+)
  • Öffentlich-rechtliches Systemversagen?: Der Fall Schlesinger und die Folgen (T+)
  • Brandenburgs CDU-Fraktionschef Redmann über die Folgen der Schlesinger-Affäre: „Wie müssen die Aufsicht über die Intendanz stark ausbauen“ (T+)

Auch beim Thema Compliance fallen die Antworten der einzelnen Sender zögerlich aus. „Compliance wird beim BR durch vielfältige Regelungen sichergestellt, die regelmäßig überprüft und angepasst werden“, so ein Sprecher des Bayerischen Rundfunks. „Es gibt ein ausdifferenziertes Regelwerk, das Mitarbeitende und Geschäftsleitung in ihren jeweiligen Verantwortungsbereichen und Aufgabengebieten dazu verpflichtet, sich gesetzes- und regelkonform zu verhalten.“ Der BR habe 2020 ein Compliance-Board eingerichtet, das unter anderem die Aufgabe hat, einschlägige Regelungen fortlaufend zu überprüfen und weiterzuentwickeln.

Der WDR nimmt derzeit eine Bestandsaufnahme seines Compliance-Managements vor. „Dieser Prozess“, sagt ein Sprecher, „ wurde lange vor den Ereignissen im RBB angestoßen, die aktuellen Entwicklungen werden wir natürlich berücksichtigen.“ Der WDR verfügt über eine Antikorruptionsbeauftragte sowie einen Rechtsanwalt als externe Anlaufstelle/Ombudsmann für Whistleblower. Auf ihre Beauftragte gegen Korruption verweisen auch RadioBremen, HR, und SWR, MDR und SR auf ihr jeweiliges Justiziariat, auch als Anlaufstelle für Whistleblower.

ZDF-Mitarbeiter dürften ihren Status laut Sendersprecherin nicht dazu nutzen, sich individuelle private Vorteile zu verschaffen. Das sei neben dem Mitarbeiterkodex in Einzelregelungen zu Geschenken, Einladungen, Rabatten und Reisen festgehalten. Die Einhaltung dieser Regelungen werde regelmäßig von der Revision überprüft. „Der Umgang mit Geschäftspartnern ist sowohl dienstlich als auch privat so zu gestalten, dass daraus keine Abhängigkeiten erwachsen, die die (journalistische) Unabhängigkeit der ZDF-Mitarbeitenden in Frage stellen können.“ Auch auf dem Lerchenberg wurde zusätzlich im Mai dieses Jahres ein Compliance-Board eingerichtet. Dieses bewerte unternehmensrelevante Compliancerisiken, und unterbreitet Vorschläge für die Anpassung des compliancerelevanten Regelwerks und von compliancerelevanten Maßnahmen. Darüber hinaus initiiert es Schulungs- oder Kommunikationsmaßnahmen.

NDR will Haltung unter Beweis stellen

Aber reicht das alles aus? Siehe eben auch der NDR. Eine Sprecherin verweist gegenüber dem Tagesspiegel darauf, dass Compliance beim NDR durch vielfältige Regelungen sichergestellt sei, die regelmäßig überprüft und angepasst werden. Es gebe zum Beispiel einen Verhaltenskodex für feste und freie Mitarbeitende sowie Dienstanweisungen für feste Mitarbeitende, zum Beispiel über die Nicht-Annahme von Geschenken und sonstigen Zuwendungen.

Wie ernst der NDR das Thema nimmt, will der Sender unter Führung von Joachim Knuth – Detail am Rande: Das Gehalt von Knuth beträgt 346 000 Euro, sein Vorgänger Lutz Marmor hatte 19 000 Euro mehr bekommen – gerade am Beispiel des Films „Der gute Göring“ von 2016 unter Beweis stellen. Am Drehbuch hatte Schlesingers Mann Gerhard Spörl mitgeschrieben, sie selbst leitete zu der Zeit den zuständigen Programmbereich Kultur und Dokumentation. Bereits damals wurde das Problem eines möglichen Interessenkonflikts gesehen, der Auftrag musste erst vom Fernsehdirektor genehmigt werden, die Zuständigkeit wechselte zudem in einen anderen Programmbereich.

Um angesichts der aktuellen Vorwürfe gegen Schlesinger jeden Hauch von Vetternwirtschaft auszuschließen, wird der Vorgang nun erneut geprüft, sowohl von der internen Revision als auch der Anti-Korruptions-Beauftragten des NDR. Der Sender ist gleich in mehrfacher Hinsicht gut beraten, es in solchen Fragen ganz genau zu nehmen: Zum Verantwortungsbereich des NDR gehört ARD-aktuell, also die verschiedenen Ausgaben der „Tagesschau“ und die „Tagesthemen“. Glaubwürdigkeit und Vertrauen sind unerlässlich für einen Sender, der an der Produktion der Oscar-prämierten Dokumentation „Citizenfour“ beteiligt war – ebenfalls in der Verantwortung von Patricia Schlesinger.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false