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In der Opferrolle. RT-Vizechefredakteurin Anna Belkina sieht in der Untersagung des Sendebetriebs einen Versuch, RT DE einen Maulkorb zu verpassen.

© RT DE/Tsp

Update

Nach Verbot von RT DE: Russland untersagt Deutscher Welle Sendebetrieb

Moskau ordnet zudem Schließung von Korrespondentenbüros aus. Journalistenverband sieht darin „billige Retourkutsche“.

Russland hat der Deutschen Welle, dem Auslandssender der Bundesrepublik Deutschland, ein Sendeverbot erteilt. Zudem verfügte das russische Außenministerium am Donnerstag die Schließung des Korrespondentenbüros in Moskau und den Entzug der Akkreditierungen der Journalisten. Damit reagierte Russland auf ein Sendeverbot des deutschsprachigen Programms seines Staatssenders RT DE.

Für Donnerstag hatte das Außenministerium in Moskau „Vergeltungsmaßnahmen“ gegen deutsche Medien angekündigt. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow äußerte scharfe Kritik an der Entscheidung der Medienaufsicht. „Dies ist nichts anderes als eine Verletzung der Meinungsfreiheit.“

Die Deutsche Welle will juristisch gegen das von Russland verhängte Sendeverbot vorgehen. Intendant Peter Limbourg teilte mit: „Die Maßnahmen der russischen Behörden sind in keiner Weise nachvollziehbar und eine völlige Überreaktion.“ Limbourg kündigte an: „Bis uns die Maßnahmen offiziell zugestellt werden, berichten wir weiter aus unserem Büro in Moskau.“ Selbst wenn man das Büro schließen müsste, würde die Berichterstattung über Russland dadurch nicht beeinträchtigt. Der Intendant sprach sogar dann von einer deutlichen Verstärkung der Berichterstattung.

„Es gibt keinerlei Rechtfertigung für diese drastische Zensurmaßnahme“, sagte DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall in einer ersten Reaktion. Er nennt den Schritt eine „billige Retourkutsche“ für die Entscheidung der deutschen Medienaufsicht, dem Kreml-Kanal RT DE die Ausstrahlung von Programm zu untersagen. Im Gegensatz zum Propagandakanal RT DE biete die Deutsche Welle unabhängigen und kritischen Journalismus. Von der Bundesregierung erwartet der DJV-Vorsitzende einen „deutlichen und unüberhörbaren Protest“ gegen die Schikane: Die Bundesregierung stehe in der Verantwortung für die Deutsche Welle und ihre Beschäftigten. Das müsse Moskau unverzüglich klargemacht werden.

Gemeinsame Erklärung von ARD, ZDF und Deutschlandradio

Am Abend reagierten die ARD-Vorsitzende Patricia Schlesinger, ZDF-Intendant Thomas Bellut und der Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue mit einer gemeinsamen Erklärung auf das Vorgehen der russischen Regierung. "Wir verurteilen die Schließung der Büros der Deutschen Welle in Russland. Hier wird freie, unabhängige Berichterstattung radikal eingeschränkt, um politischen Druck auszuüben. Dass damit zugleich die Pressefreiheit zum Faustpfand gemacht wird, erfüllt uns mit großer Sorge. Unsere Unterstützung gilt den nun von einem Arbeitsverbot bedrohten Kolleginnen und Kollegen der Deutschen Welle in Russland, denen wir uns durch den Auftrag als öffentlich-rechtliche Medien verbunden fühlen. Wir stehen gemeinsam für Meinungs- und Berichterstattungsfreiheit ein und werden das auch weiter tun."  

Einen Tag, nachdem die deutschen Medienwächter dem deutschen Ableger des russischen Staatsenders RT – ehemals Russia Today – die Veranstaltung und Verbreitung von RT DE in Deutschland untersagt haben, lief das Programm zunächst weiter. Allerdings zumindest am Donnerstagmittag ohne die üblichen Nachrichtensendungen, dafür mit wiederkehrenden Doku-Wiederholungen. Die Kommission für die Zulassung und Aufsicht (ZAK) bei den Medienanstalten hatte die fehlende medienrechtliche Zulassung als Grund für die Untersagung genannt. RT kann und will die Entscheidung gerichtlich überprüfen lassen.

Die Chefredakteurin von RT in Moskau, Margarita Simonjan, hatte die ZAK-Entscheidung als „totalen Schwachsinn“ bezeichnet. „Wir stellen das Senden nicht ein“, schrieb sie bei Telegram. Das sei ja fast so, als würde die russische Kommunikationsaufsicht Roskomnadsor der Deutschen Welle Übertragungen auf ihren eigenen Internetseiten verbieten, meinte sie. „Das sollten wir eigentlich mal probieren“, sagte Simonjan, die gute Verbindungen zum Kreml hat.

Die stellvertretende RT-Chefredakteurin Anna Belkina bezeichnet die Entscheidung der deutschen Medienwächter als unbegründet. Der Hauptsitz des Senders befinde sich in Moskau, hier würden alle redaktionellen Entscheidungen getroffen. „Sie gehen so weit, dass sie die Übertragung aus einem Studio verbieten, das es nicht einmal gibt. Wie gesagt, unsere deutschen Kollegen sitzen gerade hier, in der Nähe vom RT International-Büro“, sagte Belkina. Im Internet wird RT DE über eine Subdomain einer Moskau registrierte Internetadresse verbreitet.

Androhung von Strafgeldern

Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg, die wegen des Standorts der RT DE Productions GmbH in Berlin medienrechtlich zuständig ist, erklärte auf Anfrage, dass die Bescheide sofort vollziehbar sind. Sollte die Veranstalterin nicht gerichtlich gegen den Bescheid vorgehen und gleichzeitig trotz Erlass des Bescheids weitersenden, könne die Medienanstalt auch Zwangsgeld von bis zu 50.000 Euro androhen und festsetzen.

Die Medienregulierer meinen, dass die RT DE Productions GmbH mit Sitz in Berlin für das Programm medienrechtlich verantwortlich ist. Nach Ansicht von RT handelt es sich um eine unabhängige Produktionsfirma. Zudem werde das Live-Programm „in Übereinstimmung mit europäischem Recht“ ausgestrahlt. RT beruft sich auf eine serbische Lizenz.

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Youtube hatte das das Programm mit Hinweis auf die Community-Richtlinien gesperrt, der Satellitenbetreiber Eutelsat stoppte die Ausstrahlung ebenfalls kurz nach dem Beginn des deutschen Live-Programms im Dezember 2021.

RT steht im Westen nicht nur formal, sondern auch inhaltlich in der Kritik. Dem Sender wird vorgeworfen, im Auftrag des russischen Staates Verschwörungstheorien und Desinformationen sowie Propaganda zu verbreiten.

TV-Anbieter benötigen für bundesweite Programme in Deutschland eine Rundfunklizenz. Als Zulassungsvoraussetzung gilt unter anderem, dass das verfassungsrechtliche Prinzip der Staatsferne des Rundfunks nicht verletzt werden darf. (mit dpa/AFP)

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