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Thomas Gottschalk, 71 und "Wetten,dass..?"-Moderator, begrüßt Frank Elstner, 79 und "Wetten, dass..?"-Erfinder

© imago images/STAR-MEDIA

Revival von „Wetten, dass..?“: Rückwärts immer, vorwärts nimmer – als TV-Konzept funktioniert's

„Wetten, dass..?“ für die alte BRD, „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ für die Ex-DDR: Im Retro-TV findet das Publikum einheitliche Erlösung. Ein Kommentar.

Das höchst Überraschende an diesem höchst erfolgreichen "Wetten, dass?"-Revival war, dass es nichts Überraschendes, sondern mineralisierte Routine bot. Eine Fernsehshow aus der glorreichen Vergangenheit des Fernsehens wurde 1:1 in die Gegenwart übertragen. Daran ist nichts verwerflich oder absurd, aber bemerkenswert ist es doch. Das Publikum in großer Millionenzahl will genau das Fernsehen genießen, das es schon vor Jahrzehnten genossen hat.

Heißt, erstens: Die alte Bundesrepublik lebt fort. Heißt, zweitens: Das Medium, das längst in seiner Zuschauerschichtung ein Seniorenfernsehen geworden ist, ist gut beraten, rückwärts zu schauen, wenn es in eine erfolgreiche Zukunft schauen will. Und was in den westdeutschen Haushalten funktioniert, funktioniert auch in den ostdeutschen.

Die "3 Haselnüsse für Aschenbrödel" sind ein Fernseh-Must an Weihnachten zwischen Anklam und Zwickau. Fernsehdeutschland vereinigt sich in TV-Nostalgie, da gibt es Schlimmeres.

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Zum Beispiel dieses: Zu "Wetten, dass..?" im ZDF kommen die "Haselnüsse" und das "Dinner for One" im Ersten und in den Dritten, kommt die Show "Geh aufs Ganze" Ende November bei Sat 1, schon für Mittwoch ist bei ProSieben eine Neuauflage von "TV total" angekündigt. Selige Zeiten, das? Oder die Resignation der Verantwortlichen vor den Zuschauerinnen und Zuschauern des linear ausgestrahlten Fernsehens?

Beides stimmt. Die Erinnerung an die Jahre und Jahrzehnte mit einem grundfreundlichen "Wetten, dass..?", das so vielen wohl und kaum einem wehe war, ist nicht verblasst. Schon gar nicht in aktuellen Zeiten, wie die Corona-Pandemie grassiert, der Umgang unklarer denn je ist, wo sich in nicht wenigen Gesellschaftsfragen sich Partikularmeinungen radikal gegenüberstehen.

Der Blick in die Zukunft ist nun mal dystopisch, weil der Weltuntergang wegen der Klimakrise unausweichlich zu sein scheint. Da lenkt ein zweckloses, sinnfreies, aber eben grandios unterhaltendes Fernsehen gar wunderbar ab. Da ist eine Leichtigkeit, die dem Alltag abhanden gekommen ist.

Kommt "EWG" wieder?

Was wird jetzt passieren? Wieder "EWG", obwohl es nur mit dem verstorbenen Hans-Joachim Kulenkampff funktionieren konnte? Der große Alfred Biolek ist tot, der großartige Rudi Carrell ist tot, und dass Hape Kerkeling ins Fernsehen zurückkehrt, muss nicht gleich Jubelstimmung auslösen. Manches hatte seine Zeit, und das vorüber ist, wird erst bemerkt, wenn das Publikum den Daumen senkt.

RTL wollte mal "Tutti Frutti" revitalisieren, ein größerer Flop war in Zeiten von Youporn gar nicht denkbar. Das Revival- und Nostalgiefernsehen ist ein riskantes Geschäft. So ein "Tatort" funktioniert nur, weil der Deutsche außer "Wetten, dass..?" und dem Aschenbrödel den Krimi in seine TV-Gewohnheiten eingebaut hat und in der Krimireihe bei allen dramaturgischen und personellen Konstanten permanent Premieren gezeigt werden. Ein neuer Mord, ein neues Millionenpublikum.

Für das lineare Fernsehen taucht mit dem Rückwärts-Fernsehen ein echter Rettungsanker bei Quoten und Zuschauerbindung auf. Fraglich eben nur, was dieses unberechenbare Publikum wiedersehen will. Parallel wächst die Spaltung zwischen dem Programm nach Schema und den Angeboten in Mediathek und Streaming. Ein Medium, zwei mal Fernsehen. Müssen wir darüber klagen? Nein, müssen wir nicht.

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