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Den Teufel jagen? Raczek (Lucas Gregorowicz) und Lenski (Maria Simon).

© rbb/Arnim Thomaß

RBB-„Polizeiruf“: Teufelsaustreibung an der deutsch-polnischen Grenze

Sind Sie noch dabei? Der RBB-„Polizeiruf“ führt das Thema Exorzismus in die Geschichte des deutschen TV-Krimis ein.

Zugegeben, als langjähriger Fan der Zombieserie „The Walking Dead“ ist man einiges an Gewaltdarstellungen im Fernsehen gewohnt. Aber schon in der vergangenen Woche im „Tatort“ aus Göttingen habe ich mich gefragt, wie lange der Mädchenverfolgungsszene im Wald samt anschließendem Erstechen wohl noch zu folgen ist. Kann es sein, dass die tägliche Zählung von Corona-Infizierten und Corona-Toten, die stete Auseinandersetzung mit Virusgefahr und Virustod die Reizschwelle in Sachen medialer Gewaltdarstellung hat sinken lassen?

Ein Fall für Medienpsychologen, vielleicht. Oder für andere Autoren als Hendrik Hölzemann, der sich mit dem neuen RBB-„Polizeiruf“ offenbar nichts weniger vorgenommen hat als mit der recht rabiaten Einführung des Themas Exorzismus in die Geschichte des deutschen TV-Krimis einzugehen – natürlich, das alles lange vor der Pandemie ausgedacht und geschrieben.

Der Devise folgend, mit einer Katastrophe beginnen und dann langsam steigern, lässt dieser Krimi den Zuschauer gleich mal einer unfreiwilligen Entbindung im Kreißsaal beiwohnen. Die 16-jährige Larissa ist ungewollt schwanger. Sie schweigt zur Frage, wer Kindsvater ist. Die Ärzte diagnostizieren eine Trisomie 18, gehen davon aus, dass das Kind mit schwersten Behinderungen auf die Welt kommen wird. Schwangerschaftsabbruch in Polen? Kommt nicht infrage. Das Mädchen will in den Tod springen.

Ein junger Mann taucht auf der Brücke auf. Er nennt sich „Elias“. Er verhindert die Verzweiflungstat. In einem Krankenhaus in Frankfurt (Oder) soll ein Spätabbruch der Schwangerschaft durchgeführt werden. Dem Jungen „Elias“ (beeindruckend: Tom Gronau) gelingt es, in den OP zu schleichen. Er fesselt Larissa und schneidet das Baby aus dem Bauch. Später stirbt die Mutter, das Kind überlebt mit einem seltsamen Mal hinter dem Ohr.

Gott hat seine Hände auch im Spiel

Sind Sie noch dabei („Polizeiruf 110 – Heilig sollt Ihr sein“, Sonntag, ARD, 20 Uhr 15)? „Elias“ werde regelmäßig exorziert, erklärt seine Mutter. Man hat schon viel Wahnsinn in „Tatort“ und „Polizeiruf“ einziehen sehen, aber das hätte man nicht gedacht, dass es das noch gibt: Teufelsaustreibung.

Die Geschichte wird in der Folge auch nicht dadurch gefälliger, dass ihr eine Mutter-Sohn-Story mit Ermittler Raczek (Lucas Gregorowicz) an die Seite gestellt wird. Der Gesichtsausdruck von Kollegin Lenski (Maria Simon) schwankt zwischen Ahnungs- und Fassungslosigkeit. „Rosemaries Baby“ in Brandenburg. Und Gott hat seine Hände auch im Spiel. Jedenfalls will uns das wohl der permanente Kamerablick von oben sagen (Regie: Rainer Kaufmann).

Sehr krude, das Ganze. Aber schön, mal wieder den Bauhaus-Klassiker „Bela Lugosi’s Dead“ zu hören. Hier ist wirklich viel dead. Das soll kein Plädoyer sein für den Konsum von Degeto-Filmen. Eine Spaßveranstaltung war der Brandenburg-„Polizeiruf“ nie, aber wenn die Corona-Angst weiter so umtreibt, geht für diese Art TV-Krimi viel Lust und Laune verloren.

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