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Abschuss erlaubt, erst danach folgt die Prüfung. Fotografen bei der Arbeit, hier vor einem Londoner Gericht.

© Victoria Jones/PA Wire/dpa

Pressefreiheit: Fotografen dürfen fotografieren, Redaktionen müssen pixeln

Das Bundesverfassungsgericht hebt das Strafurteil gegen einen Reporter auf, der im Klinikflur einen „Ebola-Verdächtigen“ entdeckte - und aufnahm

Pressefotografen und Journalisten muss es möglich sein, ihre Fotos ohne Furcht vor Strafe an Redaktionen zu liefern. Deshalb sind sie nicht in der Pflicht, Personen vorab unkenntlich zu machen, etwa durch eine Verpixelung. Das hat das Bundesverfassungsgericht in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss entschieden und damit der Verfassungsbeschwerde eines Journalisten stattgegeben (Az.: 1 BvR 1716/17).

Der Medienvertreter wandte sich damit erfolgreich gegen die Verurteilung zu einer Geldstrafe wegen unbefugten Verbreitens eines Bildnisses nach dem Kunsturhebergesetz. Journalisten machten sich selbst dann nicht strafbar, wenn sie in heiklen Fällen die Veröffentlichung solche Bilder anstrebten, meinen die Verfassungsrichter. Anders läge der Fall nur, wenn sie bei ihrem Angebot wesentliche Umstände verschwiegen, die Redaktionen dazu veranlassen könnten, Bilder nur verpixelt zu bringen.

Polizei und Ärzte verlangten die Löschung

Der Vorgang fiel in eine Zeit, als ebenfalls Ängste vor einem Virus grassierten: 2014 kam es zu einem Ebola-Ausbruch in Westafrika, vereinzelt gelangten Patienten nach Deutschland. Im Oktober war ein Journalist zufällig dabei, wie ein dunkelhäutiger Patient in die Notaufnahme eines Aachener Krankenhauses kam, der von Besuch aus Afrika und Fieber berichtete. Trotzdem wurde er nicht isoliert. Der Journalist schoss ein Foto und löschte die Bilder nicht, obwohl der Patient sowie eine Ärztin und die herbeigerufene Polizei ihn dazu aufforderten. Er verwies auf seine Berufstätigkeit und wolle unzureichende Sicherheitsmaßnahmen bei Ebola-Verdachtsfällen dokumentieren.

Verschiedene Nachrichtenmedien lehnten das Angebot trotzdem ab. Die „Bild“ jedoch griff zu und berichtete daraufhin über den „Ebola-Verdächtigen“, der im Klinikflur zusammen mit vielen anderen Patienten länger habe warten müssen.

Wegen der Vorgänge wurde der Journalist später zu einer Geldstrafe verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen, er hätte die Bilder angesichts der Umstände verpixeln müssen. So werde der Betroffene mit höchstpersönlichen Informationen über seinen Gesundheitszustand identifizierbar gemacht. Dies sei dem Journalisten auch zuzurechnen, da er die Veröffentlichung angestrebt habe. Er habe sich nicht darauf verlassen dürfen, dass die Redaktion die Zulässigkeit der Verbreitung eigenständig prüft.

Gericht betont Verantwortung der Redaktion

Das Urteil verletzt die Pressefreiheit, stellte jetzt die 2. Kammer des Ersten Senats fest. Grundsätzlich sei es zwar so, dass auch Fotografen Prüfpflichten bezüglich ihrer Bildangebote träfen und sie daher gehalten sein könnten, auf die Umstände der Entstehung hinzuweisen. Im Ergebnis hätten die Gerichte in dem Fall aber die „Arbeits- und Verantwortungsstrukturen der Presse“ nicht hinreichend berücksichtigt. Es liege „in der Verantwortung der Redaktionen, bei der Veröffentlichung von Bildaufnahmen die Rechte der Abgebildeten zu wahren“. Anhaltspunkte dafür, dass der Journalist die Konflikte bei der Entstehung der Bilder verschwiegen habe, gebe es nicht.

Der Fall muss nun erneut gerichtlich geprüft werden, die Chancen auf einen Freispruch sind hoch. Zugleich war an dem Bericht wenig dran: Nach ärztlichen Angaben war der Patient demnach mit Rückenschmerzen in die Klinik gekommen, es habe laut den Kriterien des Robert-Koch-Instituts kein Expositionsrisiko für das Ebolavirus bestanden. Der Verdacht habe sich dann auch nicht bestätigt, hieß es am Ende des „Bild“-Berichts.

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