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Unerreichbar hinter einem Tiergitter. Der „Polizeiruf 110“, in dem sich Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) und seine Kollegin Constanze Hermann (Barbara Auer) weiter näherkommen, ist gespickt mit symbolträchtigen Szenen.

© dpa

"Polizeiruf" vom BR: Unter Raubtieren

„Wölfe“ ist Christian Petzolds zweiter „Polizeiruf 110“ mit Matthias Brandt und Barbara Auer. Im Vordergrund steht jedoch nicht der Kriminalfall.

Die Ängste sitzen tief. Über Jahrhunderte haben nicht zuletzt Märchen wie „Rotkäppchen“ oder die Geschichte von den sieben Geißlein das Bild vom Wolf als Feind des Menschen geprägt. Möglicherweise doch zu Recht? In der bayerischen Provinz wird eine junge Frau allem Anschein nach von einem Wolf getötet. Die Bissspuren in ihrem Gesicht und die Wolfshaare lassen für Kommissar Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) keinen anderen Schluss zu. Auf einem Einsiedlerhof in der Nähe lebt Mehmet Özhan (Ercan Durmaz), der Geliebte der Getöteten. Neben mehreren Hunden hält er einen halbgezähmten Wolf. Der Verdacht fällt schnell auf dieses Tier, die Dorfgemeinde will den Wolf sofort zur Strecke bringen. Özhan hat allerdings noch andere Verbindungen zu Wölfen, früher war er Mitglied der rechtsextremen türkischen Partei „Graue Wölfe“, der BND hält schützend die Hand über ihn. War der Tod der jungen Frau doch mehr als ein Tierunfall? Die Obduktionsergebnisse deuten darauf hin.

„Wölfe“ ist der zweite „Polizeiruf 110“, den Christian Petzold als Drehbuchautor und Regisseur zusammen mit Matthias Brandt inszeniert hat. Das Thema Angst spielt in seinem Film nicht nur im Zusammenhang mit Wölfen eine große Rolle. Die Angst vor dem Alleinsein ist das zweite große Motiv dieses „Polizeirufs“. Und die Hoffnung, einen seelenverwandten Menschen zu finden. Bereits in „Kreise“, der ersten Zusammenarbeit von Petzold und Brandt für einen „Polizeiruf“, war zwischen dem Kommissar und seiner neuen Kollegin Constanze Hermann (Barbara Auer) eine Nähe erkennbar, die über das berufliche weit hinausging. Im neuen Fall wähnt Meuffels die Kollegin weit entfernt in Hamburg, doch tatsächlich hat sich die doch nicht so trockene Alkoholikerin in die Abgeschiedenheit eines Wellness-Hotels begeben, in deren Nähe es nun zu dem Todesfall gekommen ist.

Yves Montand und die Tapetentür

Christian Petzold will Geschichten erzählen. Ihn fasziniert, wie Menschen früher bedeutende Ratschläge in Form von Geschichten gaben. Eine Technik, die heute in Vergessenheit geraten ist. Hanns von Meuffels und Constanze Hermann erzählen sich Filmszenen, wie die aus einem Streifen mit Yves Montand. Der spielt einen alkoholsüchtigen Killer. Im Delirium sieht er, wie sich eine Tapetentür öffnet und Monster daraus hervorkommen. Auch Constanze glaubt, in der Nacht des Mordes ein werwolfartiges Monster mit glühend roten Augen gesehen zu haben. Doch wegen ihres Alkoholproblems traut die sonst so nüchtern analysierende Polizistin ihren eigenen Sinnen nicht. Dabei war sie es doch, die am Anfang dieser Episode vom Telefon aus Meuffels auf die richtige Spur brachte bei der Frau, die tot in ihrem Appartement aufgefunden wurde, fürchterlich entstellt, das Gesicht zerkratzt, Lippen und Nase entfernt. „Eine Katze, wurde eine Katze gefunden?“, fragte sie durchs Telefon. „Eine sehr intelligente Frau“, bemerkte bei der Obduktion der Leiche der herbeizitierte Zoologe. Katzen, so der Fachmann, wüssten sich auf diese Art zu helfen, wenn sie in einer Wohnung mit einem Toten eingesperrt seien. Hunde würden dagegen „hündisch“ neben ihrem Herrchen oder Frauchen verhungern, so der Zoologe, der mit seinem strubbeligen Bart ebenfalls leicht animalische Züge hat und eher mit Katzen als Hunden sympathisiert.

Die Ängste bleiben in diesem „Polizeiruf“ weitgehend untergründig, so wie die aufkeimende Liebesgeschichte zwischen Meuffels und Hermann. Streckenweise fährt dieser Petzold-„Polizeiruf“ wie mit angezogener Handbremse. Die Kommissare haben viel Zeit für intensive Gespräche während langer Autofahrten. Einer von beiden fängt eine Erzählung an, der andere übernimmt, und Matthias Brandt lässt ein Lächeln über Meuffels Gesicht huschen. Stärkere Regungen lässt Brandt, dessen Buch „Raumpatrouille“ über seine Kindheit als Sohn des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt in diesen Tagen erscheint, weder als Schauspieler mit Hang zum Underacting noch als Literat zu.

Drastische Bilder vom Wolfsbiss

So sensibel die Annäherung zwischen Meuffels und Hermann verläuft, so drastisch sind die Bilder von den Bissspuren im Gesicht der Toten. Minutenlang zeigt Petzold die aufgerissene Wange der Hotelfrau. Ein heftiges Kontrastprogramm, das nicht jedem Zuschauer gefallen dürfte.

„Polizeiruf 110: Wölfe“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 15

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