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Was hat das mit Fahrerflucht zu tun? Kommissarin „Bessie“ Eyckhoff (Verena Altenberger) hängt Katzensteckbriefe auf.

© BR/Geißendörfer Pictures/Hendr

"Polizeiruf 110" aus München: Krimi zur Quantenmechanik

Alles ist mit allem verbunden: Im Münchner „Polizeiruf 110“ sucht Verena Altenberger „Frau Schrödingers Katze“.

Auslöser von allem ist eine Katze. Pandora heißt sie. Eines Tages ist Pandora weg. Ihre Besitzerin, die gute alte Frau Schrödinger (Ilse Neubauer), geht zum Polizeirevier, um ihr geliebtes Tier als vermisst zu melden. Polizeioberkommissar Dennis Eden (Stephan Zinner) legt Papier und Stift beiseite, als Frau Schrödinger auf die Nachfrage, wie denn der Nachname der Vermissten sei, antwortet, dass die Pandora halt nur Pandora heiße.

Nur Edens Kollegin, Polizeioberkommissarin Elisabeth „Bessie“ Eyckhoff (Verena Altenberger), zeigt Mitgefühl und reicht der Dame rasch eine Karte durch, auf der sie ihr die Telefonnummer des Tierheims notiert hat. Kollege Eden verdreht die Augen. Die Neue halt.

Die Geschichte mit der Katze hat in diesem „Polizeiruf 110“ aus München, der der dritte mit Verena Altenberger ist (der diesjährigen Buhlschaft im „Jedermann“ der Salzburger Festspiele) eine ganze Kette an Ereignissen zur Folge, einem Dominoeffekt gleich.

Regisseur Oliver Haffner und Autor Clemens Maria Schönborn verhandeln in diesem ganz eigenwillig entschleunigten Fernsehfilm die Macht des Schicksals und, frei nach Heisenbergs Quantenmechanik, die These, dass eben doch alles mit allem verbunden ist („Polizeiruf 110: Frau Schrödingers Katze“, Sonntag, ARD, 20 Uhr 15).

Während „Bessie“ Eyckhoff Eigeninitiative ergreift und Suchzettel mit Katzenfoto und Telefonnummer an Bäume und Ampeln heftet, macht sich ein ganzes Rudel dilettierender Kleinstganoven daran, sich Hab und Gut der Johanna Schrödinger unter den Nagel zu reißen. Dabei scheut die Narration weder Skurrilität noch Groteske, und alles ist mit einem gediegenen Maß an bayerischer Gemütlichkeit unterlegt.

Zu den Habgierigsten der Raffzähne um Frau Schrödinger herum zählt das dreist-dämliche Paar Meyer: Herr und Frau Meyer (Ferdinand Dörfler und Lilly Forgách) „betreuen“ die Frau Schrödinger a bisserl, wenngleich die alte Dame eigentlich noch recht gut beieinander ist. Auf diese maliziöse Art der Betreuung könnte sie ohnehin verzichten: Die Meyers – sie befiehlt, er führt aus – beabsichtigen via gefakten Grundbuch-Eintrag und Pseudo-Schenkung, das auf etwa 1,2 Millionen geschätzte Haus alsbald ihr Eigen zu nennen.

Fahrerflucht inbegriffen

Dabei schrecken Herr und Frau Meyer vor nichts zurück. Die Herztabletten der Frau Schrödinger hat die sich ach so kümmernde Frau Meyer, auf das rasche Ende der Dame spekulierend, längst mit Pfefferminzdragees ausgetauscht – was, eine der hübsch wunderlichen Wendungen dieser Geschichte mit ihren zahlreichen Untergeschichten, am Ende dazu beiträgt, dass die katzenliebende Dame sich besser fühlt als je zuvor.

Der schmierige Notar Leopold Gaigern (Florian Karlheim) wittert ebenfalls das lohnende Geschäft und fordert von der geschätzten Frau Meyer fünfzig Prozent Beteiligung. Während der schusselige Herr Meyer wiederum, als sich die 16-jährige Skaterin Vicky Neumann (Luna Jordan) meldet, da diese die vermisste Katze gefunden hat, und daraus Finderlohnkapital schlagen will, durch einen dummen Zufall mit seiner alten Karre das ahnungslose Mädchen überfährt und Fahrerflucht begeht.

Weitere Kreise, alle miteinander verwoben, sollen sich öffnen und schließen. Einige enden tödlich. Alles ist mit allem verbunden.

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Verena Altenberger, die im Münchner „Polizeiruf 110“ im September 2019 debütierte, geht in der Rolle der „Bessie“ Eyckhoff ganz geerdet durch dieses München, genauer, durch den Stadtteil Sendling. Oft strahlt sie, lacht die Menschen an, etwa den jungen, ihr fremden Mann, Adam Millner (Camill Jammal), der an der Ampel steht und sie, die Katzenfotos anklebt, ansieht und ansieht und dadurch die Tram verpasst.

An einem anderen Abend sieht sie ihn im Bistro drüben, geht rein, setzt sich an den Tisch gegenüber, spricht ihn an. Er, der sich mit Quantenphysik beschäftigt, ist völlig perplex, als sie, die hübsche Polizistin von der Straßenkreuzung, inhaltlich darauf antworten und argumentieren kann.

Die notorisch unterschätzte Kommissarin Eyckhoff, die ein Lächeln für die Menschen übrig hat, fernab des trockenen Kommissars-Zynismus allenthalben, diese noch neue Fernsehfigur ist ausbaufähig. Mit Verena Altenberger, die nun häufiger zwischen Salzburg und München pendeln muss, kann dies gelingen. Gut sogar.

Jetzt aber gehen die Sonntagabend–Krimis im Ersten erst mal in die Sommerpause.

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