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Alles hört auf sein Kommando? Premier Johnson leitet die erste Kabinettsitzung nach dem Wahlsieg der Tories.

© REUTERS

Politik und BBC in Großbritannien: Druckmittel Gebühren

Schwarzseher entkriminalisieren: Premierminister Boris Johnson stellt Finanzierung der BBC in Frage.

Wenn der Rundfunkbeitrag debattiert wird, rufen ARD, ZDF und Deutschlandradio gerne ein Bedrohungsszenario auf. Sollte der monatliche Beitrag von 2021 von derzeit 17,50 Euro nicht (deutlich) steigen, muss die Programmleistung zurückgefahren werden. Das Szenario ist nicht harmlos, aber im Vergleich mit der britischen BBC nicht bedrohlich. Die British Broadcasting Corporation ist seit ihrem Sendebeginn 1922 Vorbild für öffentlich-rechtlichen Rundfunk in aller Welt und insbesondere für die Landesrundfunkanstalten in der jungen Bundesrepublik geworden. Aber auch eine derartige Institution ist dem Wandel unterworfen, mehr kommerzielle Konkurrenz denn je und in der Inflation der Online-Medien um die frühere Autorität gebracht: Die One-to-Many-Kommunikation ist der Many-to-Many-Kommunikation gewichen, der Gatekeeper, sprich Schleusenwärter für die öffentliche Agenda übt sich jetzt im Gatewatching.

Damit kann ein professionelles Medienunternehmen umgehen, deutlich gefährlicher wird es, wenn die Politik an den Fundamenten des Unternehmens rüttelt. Boris Johnson wäre nicht trotz oder wegen des triumphalen Erfolges der Tories bei den Unterhauswahlen der Premierminister Boris Johnson, wenn er den Rückenwind nicht nutzen würde, laut über die künftige Verfasstheit der Rundfunkanstalt nachdenken würde. Wobei vom Nachdenken weniger die Rede sein kann als von einer handfesten Drohung.

Fürs BBC-Fernsehen muss Lizenz gekauft werden

Vor und nach dem Wahltag haben Johnson und sein Justizminister Robert Buckland die künftige Finanzierung der BBC in Frage gestellt. Bislang funktioniert diese so: Der Empfang von BBC-Radio ist kostenfrei, nur für die Nutzung des Fernsehangebots muss bezahlt werden. Die Jahresgebühr beträgt rund 175 Euro (Rundfunkbeitrag in Deutschland: 210 Euro), die Lizenz muss jährlich erneuert werden, das Schwarzfernsehen wird strafrechtlich verfolgt. Die Höhe der Fernsehlizenz nach 2020 steht zur Debatte an.

Das ist das Einfallstor für die Tories. Justizminister Buckland sagt, die Konservativen würden ernsthaft die „Entkriminalisierung der Nichtzahlung der TV-Gebühr“ in Betracht ziehen. Das würde das Finanzierungsmodell der BBC vollständig untergraben. Über die Gebühren nimmt die BBC rund 4,3 Milliarden Euro ihres 5,6 Milliarden umfassenden Jahresetats ein. Im Inland betreibt die BBC zwölf Radio- und 14 Fernsehsender.

Der Vorstoß rührt aus dem Ärger über die BBC vor, nichts Neues, schreibt „Guardian“-Kolumnistin Polly Toynbee, „die BBC ist immer in der Feuerlinie der Tory-Rechten“. Die Konservativen reklamieren immer wieder eine Anti-Tory-Voreingenommenheit des Senders, als akute, aktuelle Beispiele wurden herangezogen: Ein scharfer Kommentar zu Johnsons Weigerung, interviewt zu werden, sowie die umfangreiche Berichterstattung über einen vierjährigen Jungen, der trotz Verdachts auf eine Lungenentzündung stundenlang auf dem Boden einer Klinik liegen müsste, eine deutliche Kritik an der Gesundheitspolitik der Tory-Regierung.

BBC wehrt sich gegen Kritik

BBC-Generaldirektor Tony Hall wies die Kritik nicht rundheraus zurück, Fehler seien passiert, „aber ich akzeptiere nicht die Ansicht jener Kritiker, die auf eine Handvoll Beispiele springen, um zu suggerieren, dass wir auf irgendeine Art und Weise voreingenommen sind.“ Kritik kommt auch von Labour, nicht verwunderlich in einer zunehmend polarisierten (Medien-)Gesellschaft. Während des Wahlkampfs ist die Zahl der Glaubwürdigkeits-Skeptiker Richtung BBC-Berichterstattung von 14 auf 20 Prozent geklettert.

Johnson und sein Mastermind Dominic Cummings scheinen Rückenwind zu spüren, um das Grundprinzip eines auf journalistischer Neutralität fußenden Rundfunks für überkommen auszurufen. Siehe USA, siehe die Disruption zwischen Fox und CNN. Besorgt fragt Polly Toynbee: Wird einer der Tory-MPs „den Mut haben, die BBC gegen den Premierminister zu verteidigen?“. Joachim Huber

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