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Als „todlangweilig und stinknormal“ wird Thomas Müller (Olli Dittrich) von Marktforschern eingestuft – seine Frau Sabine (Veronica Ferres) mag ihn trotzdem.

© ZDF

Olli Dittrich als Durchschnittsmensch: Wie tickt Thomas Müller?

Olli Dittrich ist „König von Deutschland“ – und als perfekter Durchschnittsmensch das bevorzugte Objekt der Meinungsforschung.

In der „Truman-Show“ von 1998 läuft ein sogenannter Durchschnittsmensch durch lauter Kulissen, ohne es zu ahnen. Er glaubt, er lebe sein Leben wie es ihm gefällt, in Wirklichkeit ist er der ganztags manipulierte Held einer Fernsehserie. Die „Matrix“-Filme (1999) haben den Gedanken radikalisiert: Wir sind nur die Software eines gewaltigen Automatenparks, was wir für unser Dasein nehmen, sind Träume einer überlebten Spezies. „König von Deutschland“ von David Dietl (Buch und Regie) knüpft an den Aspekt der Durchschnittlichkeit an: Ein Mensch, so normal, dass man ihm die Produktion von fortlaufenden Mehrheitsentscheidungen zutrauen kann, ist wertvoll als Objekt der Meinungsforschung. Man muss ihn nur rund um die Uhr ausspähen und ausfragen – schon hat man die validesten Infos in Sachen Konsum, Politik und Zukunftsvorstellungen.

Olli Dittrich spielt Thomas Müller, einen braven Angestellten, der infolge einer Intrige nach 23 Jahren treuer Dienste seinen Posten verliert. Er will sich schon das Leben nehmen, als er durch den smarten Stefan Schmidt (Wanja Mues) gerettet und gleich wieder in einen neuen Job geschickt wird. Er bezieht ein schmuckes Büro und hat fürs Erste nicht mehr zu tun als mit Schmidt Sakkos, Krawatten und Möbel zu kaufen und ihm zu erzählen, wie er die Welt sieht. Mit dem Arbeitsvertrag in der Tasche lebt er auf, und Bienchen, seine Eheliebste (Veronica Ferres), ist hochzufrieden. Müller geht täglich zur Arbeit, doch in einem Moment der Stille schaut er Schmidt in die Augen und fragt mit belegter Stimme: „Was machen wir hier eigentlich?“

Dieser Satz ist ein Schlüsselsatz. Müllers Arbeitgeber heißt Industries Unlimited, und Schmidt beeilt sich, seinem Schützling was von Zuarbeit für die Industrie, von Überprüfen und Einschätzen und Meinungsforschung zu erzählen. Es ist ja so, dass diese Branche der Berater in unserer Zeit wächst wie nichts Gutes. Da braucht man gar keine NSA, es gibt spezialisierte Firmen, die betreiben Schnüffelei ganz legal und gut bezahlt. Und der kleine Mann, konfrontiert mit immer neuen Fragebögen, denkt: Was soll das eigentlich? Was wird hier gespielt?

Der Film gibt darauf eine ironische Antwort: Eben genau jener kleine Mann, der die richtigen Fragen stellt, wird ausgeforscht und dauerbelauscht, um ihm dann das, was er an Wünschen preisgibt, als käufliches Konsumgut vor die Nase zu halten. Müller wundert sich: Gerade hat er – im Beisein Schmidts – davon gesprochen, dass man mal Bierflaschen mit Schraubverschluss erfinden solle, da liegen die Dinger im Supermarkt aus. Müller junior (Jonas Nay) wird als Erster misstrauisch – die Rauchmelder, die zwei dubiose Herren in der Müller’schen Wohnung eingebaut haben, hält er für Lauschgeräte. Nachdem die politischen Ideen, die Müller äußert, wortgleich im Programm einer wahlkämpfenden Partei auftauchen, riecht auch der Senior Lunte. Er entdeckt bei Industries Unlimited ein Überwachungszentrum. Auf den Monitoren sieht er seine eigene Wohnung und sein Bienchen in inniger Umarmung mit Schmidt. Er verlangt Aufklärung. Schmidt: „Was ist falsch daran, wenn Politik und Wirtschaft wissen wollen, wie die Menschen ticken?“

Im wirklichen Leben ist jeder Mensch ein Unikat

Das Erfreuliche an der Art, wie dieser Film seine Message aufbaut, ist der Soupcon, dass diese Art von Schnüffelei, ob nun digital oder im scheinbar unverfänglichen Live-Gespräch, letztlich zu nichts führt. Der Grund ist einfach: Den Durchschnittsmenschen gibt es nicht in echt. Er ist eine statistische Größe, im wirklichen Leben ist jeder Mensch ein Unikat und tickt für sich. Müller, eine Zeit lang geknickt, weil offenbar für „todlangweilig und stinknormal“ gehalten, wächst über sich hinaus, als er Widerstand leistet und Ex-Kollegin Ute (Katrin Bauerfeind) für sich gewinnt, die ihm sagt, dass er besonders sei. Was er unbedingt ist.

Man kann bedauern, dass die Idee des Films den Film als Bildereignis überlagert. David Dietls (ja, es ist der Sohn von Helmut Dietl) Abschlussfilm (von der DFFB) lässt in Rhythmik und Optik dann doch zu wünschen übrig; fast scheint es, als habe Olli Dittrich seinen „Dittsche“-Bademantel nur ausgezogen, um ihn dem gesamten Film umzuhängen – so bieder und behäbig geht es hier zur Sache. Die Figur der Bienchen gewinnt keine Kontur und auch der mysteriöse Herr Schmidt wird nicht Mensch. Aber als Beitrag zur Hysterie und Paranoia der Überwachung, sei es seitens der Dienste und Firmen, die damit immer mehr Geld verdienen, sei es seitens der Normalverbraucher, die nicht recht wissen, wie ihnen geschieht, hat der Film seine Verdienste. Barbara Sichtermann

„König von Deutschland“, ZDF, Donnerstag, 20 Uhr 15

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