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Dexter (Michael C. Hall) muss auch in Staffel neun die Messer wetzen.

© Showtime Networks

Neunte Staffel startet: „Dexter“ bleibt eine der originellsten Serienfiguren

Der Richter und Henker ist wieder da: „Dexter“ wetzt zum neunten mal die Messer. Überraschend, wie lange es dauert, bis er sie einsetzt.

Zehn Jahre sind eigentlich ausreichend Zeit, um schlechte Angewohnheiten hinter sich zu lassen. Wer zum Beispiel zehn Jahre nicht raucht oder säuft, darf sich in der Regel clean nennen. Wie bei jeder Droge jedoch bedarf es selbst nach so viel Zeit der Abstinenz nur wenig, um in alte Suchtmuster zurückzufallen.

Von daher ist es kaum überraschend, dass „Dexter“ bei seinem Comeback als Serienheld wieder die Messer wetzt. Überraschender ist eher, wie lange es dauert, bis er sie auch einsetzt. Genauer: 44 Minuten.

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Keine Dreiviertelstunde hält es der ebenso moral- wie triebgesteuerte Serienkiller zum Auftakt der neuen, neunten Staffel namens „New Blood“ aus, bis er sein erstes Opfer erledigt. Zuvor war Dexter Morgan unterm Pseudonym Jim Lindsey zehn Jahre nahe der kanadischen Grenze untergetaucht, um seine Vergangenheit als selbsternannter Richter und Henker hinter sich zu lassen. Mit Erfolg.

Statt eigenmächtig Kapitalverbrecher zu töten, die Miamis laxe Justiz einst laufenließ, führte der einstige Polizei-Forensiker ein gottgefälliges Leben in der Provinz.

[„Dexter“, Sky Atlantic, neue Folgen immer montags um 21 Uhr 15]

Zum Auftakt der zehnteiligen Fortsetzung beobachten wir ihn also zunächst mal dabei, wie er es nicht mal schafft, einen Hirsch im verschneiten Wald zu erlegen. Eigentherapie vollbracht, könnte man meinen. Zumal weder Personal und Kundschaft des Jagdgeschäfts, in dem er nun Waffen verkauft, noch die lokale Polizeichefin Angela (Julia Jones), mit der er gleich mal im Polizeiwagen vögelt, etwas von Dexters Vergangenheit ahnen.

Vorerst erinnert daran folglich nur seine Schwester Debra (Jennifer Carpenter), die ihm als geisterhafte Erscheinung aus dem Jenseits Moralpredigten über seine Sünden hält. Ansonsten aber herrscht Ruhe im Exil.

Mangels Schwerkriminalität im behaglichen Bundesstaat New York fernab der gleichnamigen Metropole, gibt es ja auch keinen Grund für den einstigen Rächer, wie in den 96 Folgen vorher ständig Rache zu üben an Halunken jeder Art, die ihrer gerechten Strafe entgangen sind. Bis jetzt.

Denn der Sohn des geachteten Speditionsunternehmers Kurt Caldwell (Clancy Brown) ist nicht nur ein rücksichtsloses Großmaul, das alle Welt von oben herab behandelt. In Minute 43 knallt er ausgerechnet jenen Hirsch ab, zu dem Dexter gerade ein mystisches Vertrauensverhältnis aufgebaut hat.

Eskalationsspirale

Es ist Matts Todesurteil, vor allem aber Auftakt einer Eskalationsspirale, die Showrunner Clyde Phillips mithilfe wechselnder Regisseure – und erstmals nicht auf Basis der gleichnamigen Bestseller von Jeff Lindsey – fortsetzen lässt. Während die halbe Kleinstadt den Vermissten sucht, der zersägt in Dexters Vorgarten liegt, deutet eine Reihe vermisster Mädchen bereits weitere Einsatzmöglichkeiten für ihn an.

Und zu allem Überfluss kriegt er auch noch Besuch von seinem Sohn Harrison (Jack Alcott), der nach dem Serientod seiner Mutter fortan unterm Blockhüttendach des reanimierten Serienkillers lebt.

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Düster also alles wie immer, morbide und grausam. Aber eben auch mit einer Hauptfigur, die dem anschwellenden Blutbad ein merkwürdiges Gefühl von Leichtigkeit verleiht. Michael C. Hall, als schwuler Bestattungsunternehmer der HBO-Serie „Six Feet Under“ zur horizontalen Erzähllegende geworden, brilliert hier abermals als tugendhafter Triebtäter im Kampf gegen innere Dämonen. „Ich bin vielleicht ein Monster“, gesteht er sich in einem seiner unzähligen Selbstgespräche und lächelt dazu maliziös, „aber ich bin ein entwicklungsfähiges Monster“.

Ob das auch für die Serie gilt, müssen die zehn Folgen erst noch beweisen. Das Personal jedenfalls mag größtenteils ein anderes sein, die Story bleibt weitestgehend unverändert – wenngleich wie üblich großartig verfasst, großartig gefilmt, großartig gespielt.

Origineller Charakter

Mit ein paar Zuflüssen zudem, die in den tödlichen Handlungshauptstrom münden. Die True-Crime-Podcasterin Molly (Jamie Chung) zum Beispiel, deren Recherche eine Gefahr für Dexters ehrenamtliche Tätigkeit darstellt, dessen Sohn derweil eine Teenage-Lovestory mit der Tochter von Angela beginnt, die als abtrünnige Tochter der indigenen Minderheit wiederum Teil einer hochinteressanten Nebenstory über amerikanischen Alltagsrassismus wird.

Im Mittelpunkt allerdings steht Dexter, der auch in Staffel 9 einer der originellsten Charaktere des Serienfernsehens bleibt.

Jan Freitag

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