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Nichts von ihrem schwarzen Humor verloren: Midge (Rachel Brosnahan) in der vierten und vorletzten Staffel von „Mrs. Maisel“ .

© Prime Video

Neues von „Mrs. Maisel“ auf Amazon Prime: Über Männer lachen

Die Geschichte einer Frau in den 50ern, die ihr Leben nicht hasst: „The Marvelous Mrs. Maisel“ geht bei Amazon Prime in eine starke vierte Staffel.

Lachend zieht uns Amy Sherman-Palladino wieder in ihr auf Hochglanz poliertes New York der 50er Jahre. Ist Midges (Rachel Brosnahan) Karriere im Jubel des Apollo untergegangen oder werden die Scheinwerfer sie wiederfinden?

Die Serie über die jüdische Hausfrau von der Upper West Side, die eine Comedy-Karriere in den Kellerkneipen des Greenwich Village startet, geht in die vierte Staffel. Eigentlich hatte Amazon sie schon 2019 beauftragt, aber wegen der Pandemie wurden die Dreharbeiten auf 2021 verlegt.

„Revenge“ ist das erste Wort der neuen Staffel. Eigentlich unpassend, bedenkt man, dass Midge zuletzt Shy Baldwin (Leroy McClain) mit ihren flachen Schwulenwitzen quasi zwangsgeoutet hatte. Ist Rache da wirklich angebracht?

Nun, zur Rache kommt es erst mal nicht. Baldwin ist allein auf Tour durch Europa und Midge muss sehen, wie sie ohne Geld und Karriere die fantastischen Pläne aus der letzten Staffel weiterführt. Wie soll sie zum Beispiel die große Wohnung bezahlen? („The Marvelous Mrs. Maisel“, Staffel vier bei Amazon Prime)

Kaum jemand passt wohl besser in die Rolle der Marry Poppins mit schwarzem Humor als Rachel Brosnahan mit ihrer herumschwirrenden Geschäftigkeit und den flatternden Kleidern. Auch in den neuen Folgen verliert die Schauspielerin – die für die Rolle der Midge Maisel mit zwei Golden Globes ausgezeichnet wurde – nichts von ihrem Flair.

Trotzdem kommen zu Beginn der vierten Staffel die besten Witze von Susie, die in der Corona-Pause nichts von ihrer Scharfzüngigkeit eingebüßt hat. Alex Borstein ist gewohnt unbeeindruckt, schafft es aber trotz abfälligen Witzen, ihrem Charakter Wärme zu geben. Die „Womance“ der beiden Frauen, wie Brosnahan die Beziehung zwischen Midge und Susie einmal nannte, ist das Herzstück der Geschichte. Die beiden Schauspielerinnen geben ihm den nötigen Puls.

Genüsslich werden alle Doris-Day-Klischees der 50er Jahre ausgekostet

Amy Sherman-Palladino wechselt zwischen Zeiten und Orten so graziös wie Midge zwischen ihren Outfits. Die Regisseurin, die für die sausenden Kamerafahrten durch das geschäftige New York verantwortlich ist und die rasend schnellen Dialoge schreibt, macht auch die vierte Staffel zu einem echten Highlight.

Die Leichtigkeit im Umgang mit der Kamera kommt Sherman-Palladino auch zugute, wenn es darum geht die pandemischen Mengen zu vermeiden. So wird eine Szene im Vergnügungspark fast komplett auf dem Riesenrad gedreht – mit ordentlichem Abstand zwischen allen Beteiligten. Auf dem rot-blau-pinken Wonderwheel werden alle möglichen Enthüllungen im Zickzack zwischen den Familienmitgliedern hin- und hergeworfen.

Dabei ist die Regie nicht nur elegant, sondern auch angenehm frech. So zum Beispiel, als Susie – völlig verzweifelt ob ihrer Schulden – in einer düsteren Bar im Village nachmittags einen Whisky kippt: Ein Zauberer macht „schnips“ – und plötzlich steht sie in einem dunkelgrünen Märchenwald. Unkonventionell, aber in „Mrs. Maisel“ ist der Zauber des Vorstellungsvermögens ganz selbstverständlich Teil der Welt, die ja sowieso nur in der Fantasie so bunt strahlen kann, wie Sherman-Palladino sie malt.

Genüsslich werden alle Doris-Day-Klischees der 50er Jahre ausgekostet. Weder wird nur die Moralkeule geschwungen noch ausschließlich die grausame Realität gezeigt, wie beispielsweise in „Mad Men“. Dabei wird die Zeit keinesfalls nur verherrlicht. Die Abrechnung mit einem Sexismus, der mehr aktuellen Verhältnissen gleicht als den Umständen der 1950er Jahre, ist spitzzüngig, ohne den Zeigefinger zu erheben.

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Die pfeffrigen Dialoge, die wir von Sherman-Palladinos „Gilmore Girls“ kennen, leben von Witz und Esprit sowie trockenem Realitätssinn, der in diesem übermoralisierten Jahrzehnt wohltuender ist als die bunten Bilder. Die Männer werden vorgeführt, die Grausamkeit des Patriarchats wandelt sich in Lächerlichkeit.

Und nicht nur vor der Kamera geht es um Feminismus, hinter den meisten Credits stehen Frauen, in einer Entertainmentwelt, in der Frauen eher die Filmposter als die Schreibtische bevölkern.

Nach den meisten Kunsterfahrungen der vergangenen Jahre – wie eben bei „Mad Men“ – fühlt man sich hinterher schlecht. Bei „Mrs. Maisel“ darf man sich wohlfühlen.

„Ich wollte die Geschichte einer Frau in den 50ern erzählen, die ihr Leben nicht hasst“, soll Sherman-Palladino über ihre Serie gesagt haben. Sie habe das Gefühl, wir hätten genug Repression und Unglück gesehen. Recht hat sie. Fortsetzung folgt: Eine fünfte finale Staffel hat Amazon Prime angekündigt.

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