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Adam Demos, der Brad Simon spielt, in der zweiten Staffel von „Sex/Life“

© IMAGO/Everett Collection/Sabrina Lantos

Für Brüste oder Penis zurückgespult?: Netflix weiß über uns Bescheid – aber wir nicht über Netflix

Der Streamingdienst sammelt viele Daten – etwa, wie oft User eine Nacktszene in „Sex/Life“ schauen. Über sich selbst aber gibt Netflix nur Daten preis, die den Dienst erfolgreich wirken lassen.

Wer auf Netflix eine Serie guckt, steht auch selbst unter Beobachtung. Das Geschäftsmodell des erfolgreichsten aller Streamingdienste beruht darauf, Daten zum Verhalten seiner Nutzer zu sammeln. Je mehr Netflix weiß, desto passender die Vorschläge dazu, was man als nächstes gucken soll.

Zu diesem Wissen gehört auch, wie oft bestimmte Szenen geguckt werden. 2021 machte sich Netflix sogar einen Spaß daraus: Auf Twitter verkündete der Dienst die Fortsetzung der Serie „Sex/Life“ mit diesem Hinweis: „Die erste Staffel wurde von 67 Millionen Haushalten geguckt – und 20 Millionen von uns spulten für *diese* Szene mindestens ein Mal zurück.“

Für den Penis zurückgespult – Netflix weiß Bescheid

Gemeint war ein kurzer Moment in der dritten Folge der erotischen Drama-Serie. Dort ist Brad Simon zu sehen, der Ex-Freund, von dem Hauptfigur Billie Connelly nicht loskommt. Er duscht und man sieht kurz seinen Penis in Großaufnahme. Das war ein Moment, der – sicherlich zur Freude von Netflix – mit großer Aufregung in den sozialen Netzwerken kommentiert wurde. Und offensichtlich verleitete er viele Zuschauer:innen auch verstärkt dazu, auf den Button zum Zurückspulen zu drücken.

Netflix weiß eine Menge über seine Nutzer:innen – und geht damit auch an anderer Stelle hausieren: In einer neuen Folge der Netflix-Serie „Black Mirror“, einer Science-Fiction-Dystopie, wird das Leben der Hauptfigur gegen ihren Willen in eine Serie verwandelt – mithilfe von Künstlicher Intelligenz und massenweise Daten über die Intimsphäre.

Die Hauptfigur hat sich leider die Nutzungsbedingungen des fiktiven, offensichtlich an Netflix angelehnten Dienstes „Streamberry“ nicht durchgelesen, bevor sie auf „Ich stimme zu“ geklickt hat. Natürlich ist „Black Mirror“ eine Überzeichnung unserer Realität. Der Reiz der Serie besteht aber seit jeher darin, dass sie nicht besonders weit von der Realität entfernt ist.

Netfix veröffentlicht nur ausgewählte Abrufdaten

Umgekehrt ist Netflix aber sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, wichtige Daten über seine Zuschauerzahlen herauszugeben. Zwar werden seit November 2021 Top-10-Listen veröffentlicht und seit dieser Woche sind die Zahlen etwas detaillierter geworden, sie umfassen nun einen größeren Zeitraum und geben Abrufe statt nur geschaute Stunden an. Doch echte Transparenz sieht anders aus. Denn nach wie vor wird nur über die meistgeschauten Inhalte Auskunft gegeben.

Was ist mit Flops? Davon erfährt die Welt nur indirekt, wenn sich enttäuschte Fans im Internet darüber ärgern, dass ihre Lieblingsserie nicht fortgesetzt wird. Floppt dagegen einer der vielen, von Netflix für Millionensummen produzierten Filme, hält der Dienst das geheim.

Bei Kinofilmen ist der Kassenumsatz öffentlich einsehbar, bei TV-Sendungen wird die Quote gemessen und veröffentlicht. Ein Streamingdienst wie Netflix ist eine Blackbox dagegen. Es gibt keinen branchenweiten Standard der Messung und die Konkurrenz ist sogar noch viel intransparenter als Netflix. Keiner der anderen Dienste, ob Disney+, Amazon oder Apple, bietet ähnliche Top-10-Listen.

Wie lange die Streamingbranche damit noch durchkommt, ist eine offene Frage. Jahrelang gaben sich die Investoren mit der Aussicht auf weiteres Wachstum der Nutzerzahlen zufrieden und wollten nicht viel mehr wissen. Seit aber offensichtlich ist, dass sich dieses Wachstum nicht wie gewohnt fortsetzt, sind die Streamingdienste an der Börse unter Druck.

Es wird dieser Tage verstärkt darauf geschaut, ob die Dienste profitabel sind (was niemand außer Netflix ist). Außerdem setzen die Dienste nun verstärkt auf die Einbindung von Werbung – und Werbekunden wollen in der Regel wissen, wie oft eine Sendung geschaut wurde, in der ihr Spot läuft. Ansonsten gilt: Freiwillig jedenfalls veröffentlichen die Dienste nur diejenigen Zahlen, die ihnen selbst gefallen.

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