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Angeschlagen: Kommissar Thiel (Axel Prahl, re.) und Silke Haller (Christine Urspruch) kümmern sich um den lädierten Rechtsmediziner Boerne (Jan Josef Liefers).

© WDR/Wolfgang Ennenbach

30. "Tatort" aus Münster: Nachvollziehbare Rachegelüste

Beim 30. „Tatort“ aus Münster steht Jan Josef Liefers als Professor Boerne in der Schusslinie. In der Jubiläumsfolge ist auch sonst einiges anders als gewohnt.

So ernst war zuvor noch kein „Tatort“ aus Münster. Und so sehr hat Professor Karl-Friedrich Boerne, der von Jan Josef Liefers gespielte Rechtsmediziner, noch nie unter Druck gestanden. Und selten zuvor lag die Last der Verantwortung so schwer auf dem von Axel Prahl verkörperten Kommissar Frank Thiel. Beim 30. Münsteraner „Tatort“ ist nichts wie immer. Fast nichts, wenn man genau ist.

Mit seiner ureigensten Mischung aus Krimi und Klamauk ist das ungleiche „Tatort“-Team Boerne/Thiel nach wie vor das beliebteste Ermittlergespann des ARD-Sonntagsformats. In einer repräsentativen Umfrage, die eine Fernsehzeitschrift bei den Meinungsforschern von TNS Emnid in Auftrag gegeben hat, liegen Axel Prahl und Jan Josef Liefers sogar mit weitem Abstand auf dem ersten Platz der beliebtesten „Tatort“-Gespanne aller Zeiten. Fast jeder zweite Befragte (48 Prozent) gab den Beiden seine Stimme. Götz George und und Eberhard Feik als Schimanski und Thanner schnitten gerade einmal halb so gut (25 Prozent) ab. Und die Drittplatzierten Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär als Ballauf und Schenk kommen nur auf 14 Prozent.

Ein verrücktes Paar

Trotz der großen Beliebtheit von Liefers und Prahl hat der Münster-„Tatort“ ein Problem. Im Grunde wird immer die gleiche Geschichte eines ungleichen Paares erzählt, die sich seit den Zeiten von Walter Matthau und Jack Lemmon als verrücktes Paar nur wenig verändert hat. Längst müssten auch der selbstverliebte Professor aus Münster und der aus Hamburg importierte Kriminalkommissar die besten Kumpel sein. Doch wie in der Logik der Krimireihe üblich, wird am Anfang jeder neuen Folge alles wieder auf Null gestellt, damit die üblichen Rangeleien von vorne beginnen können. Aus diesem Raster bricht die Folge „Feierstunde“ aus, ein wenig jedenfalls.

Grund zum Feiern hat Professor Boerne. Er hat drei Millionen Euro Forschungsgelder für ein Mumienprojekt eingesackt. Davon profitiert er nicht allein, auch andere Mitglieder der Medizinischen Fakultät bedenkt der Rechtsmediziner. An die offizielle Feier der Fakultät schließt sich eine kleinere im engsten Kreis an. Doch nicht alle Professoren des Instituts haben einen Grund zum Feiern. Die Frau des eher unscheinbaren Professor Götz, dem niemand große Beachtung schenkt, hat sich umgebracht. Sie litt an der bislang unheilbaren Krankheit ALS, auch die Forschungen ihres Mannes konnten ihr nicht helfen, so dass sie keinen anderen Ausweg sah. Harald Götz (Peter Jordan, der bereits im Hamburg-"Tatort" mit Mehmet Kurtulus zu sehen war) macht dafür seine Kollegen mitverantwortlich, vor allem Karl-Friedrich Boerne, weil er Forschungsgelder für Mumien verschwendet, während er gegen eine besonders grausame Nervenkrankheit kämpft, bei der die Betroffenen am Ende ersticken.

Umgebracht hat sich die Frau des Professors mit einer Pumpgun. Sie kam an die Waffe heran, weil ihr Mann seit Längerem Gewaltfantasien entwickelt hat – gegen den ungeliebten Kollegen Boerne. Gewaltfantasien hat doch jeder, beschwichtigt seine Therapeutin Corinna Adam (Oda Thormeyer), und auch Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann) muss nicht lange überlegen, warum Boerne mit seiner Überheblichkeit seine Mitmenschen regelmäßig auf die Palme bringt – ohne dass daraus ein Mord wird. Je mehr man mit Boerne zu tun hat, desto größer die Verärgerung, dass wissen auch Kommissar Thiel und Boernes Assistentin Silke „Alberich“ Haller (Christine Urspruch). Doch bei Harald Götz liegen die Dinge offenbar anders. Nach der Bewilligung der Forschungsgelder droht dieser Amok zu laufen.

Vorgeschmack auf ein Finale?

Axel Prahl und Jan Josef Liefers hatten bereits einmal öffentlich darüber sinniert, dass auch der „Tatort“ aus Münster ein Verfallsdatum hat. Danach ging jedoch alles weiter wie zuvor. Von konkreten Ausstiegsplänen war seither nichts zu hören. Diese Folge (Buch: Elke Schuch, Regie: Lars Jessen) gibt jedoch einen Vorgeschmack darauf, wie das Finale einmal aussehen könnte.

Wie es sich für den „Tatort“ aus Münster gehört, wird dieser Gedanke gleich wieder ironisch überspitzt. „Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht“, sagt Boerne zur Festversammlung. „Die schlechte ist, ich werde sterben. Die gute: sie auch“, sagt er, bevor er sich über die Schönheit und den Schrecken des Todes auslässt – natürlich nur bei Mumien, wie er seinem Publikum versichert. Der Applaus ist ihm sicher.

„Tatort: Feierstunde“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 15

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