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Erschwerte Dreharbeiten zu "Rote Rosen".

© ARD/Nicole Manthey

TV-Dreharbeiten in Coronazeiten: Küssen verboten!?

Zwischen Abstandsgeboten und kreativer Fantasie: So hat sich die Arbeit beim Fernsehen verändert - Einblicke in „Rote Rosen“ und „GZSZ“.

Schwere Zeiten für Thomas. Während sich Petra im Hotel verkriecht, setzt ihm Miriam die Pistole auf die Brust: entweder Petra oder ich! Thomas will sich mit Petra versöhnen, die bereit zu sein scheint. Das ändert sich, als sie entdeckt, dass sich Thomas und Miriam im Schlafzimmer vergnügt haben. Das ganze Dilemma zu sehen am vergangenen Donnerstag in „Rote Rosen“.

Die Daily Soap im Ersten ist mit über einer Million Zuschauern eines der erfolgreichen TV-Formate am Nachmittag und muss sich – ähnlich wie andere Produktionen – eben fragen, wie man so eine Liebesszene mit Thomas, Petra, Miriam überhaupt noch drehen kann – bei all den Kontaktbeschränkungen in Coronazeiten.

Vom 21. März bis 26. April wurde „Rote Rosen“ überhaupt nicht gedreht. „Coronabedingt geschlossen“, sagt Daniela Behns, Sprecherin der Produktion von Studio Hamburg. Ab dem 27. April durfte wieder losgelegt werden – unter diversen Hygieneauflagen und weiteren Einschränkungen, die sich fast länger lesen als ein Buch für eine Folge. Drei Darsteller, die der Risikogruppe angehören, so Behns, mussten zunächst freigestellt werden.

„Sobald sich die Lage etwas entspannt hat, werden wir diese in die Geschichten einbeziehen.“ Allgemein seien alle Szenen, die mit Körperkontakt geplant waren, umgeschrieben. Auch vor der Kamera müsse ein Mindestabstand von 1,50 Meter eingehalten werden. Das führt zu skurrilen Situationen. „Soll ein Dokument übergeben werden, muss der eine Darsteller es nun auf einem Tisch ablegen, zurücktreten und dann kann der andere Darsteller an den Tisch herantreten und es entgegennehmen.“

Unter Masken. Tanja Wedhorn dreht "Praxis mit Meerblick".

© ARD Degeto/Boris Laewen

Vielleicht wird der Zuschauer diese Raffinessen gar nicht mitkriegen, wenn es spätestens im Herbst wieder mit neuen Folgen losgeht (derzeit wird bei „Rote Rosen“ Staffel Eins wiederholt), vielleicht sollten sich Soap-Fans aber auch einfach umgewöhnen.

„Wir mussten viele gute Geschichten fallen lassen und stellen uns nun der Herausforderung, unsere emotionalen Geschichten unter diversen Auflagen zu drehen, ohne dass der Zuschauer die Maßnahmen erkennt, die vor und hinter der Kamera getroffen werden“, sagt Behns. Liebesgeschichten müssen über Mimik erzählt werden.

Nicht nur das. Außendrehs wurden fast gänzlich umgeschrieben, öffentliche Orte durch Privatgelände ersetzt. Das bedeutet Mehrausgaben in fast allen Bereichen: hohe Investition in die IT-Infrastruktur, Investition in Hygienemaßnahmen, Maßnahmen im Außendreh, um autark arbeiten zu können (Maskenmobil, mobiler WC-Wagen etc.). Studio Hamburg hat für „Rote Rosen“ zwei neue Stellen geschaffen: Hygienefachkraft und Sanitäter und Fachberater für medizinische Empfehlungen.

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Umstellungen auch für die Schauspieler, für die „Tatort“-Star Lisa Bitter schon Coronatests vorm Dreh gefordert hatte. Die Darsteller bei „Rote Rosen“ schminken und frisieren sich derzeit noch selbst. Das habe zu leichten optischen Veränderungen geführt, da ein Darsteller nicht die gleichen aufwendigen Frisuren herstellen kann wie ein Maskenbildner. Darüber hinaus sind alle Arbeitsplätze im Studio durch mobile Plexiglaswände voneinander getrennt.

Auch „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ hat schon leichtere Drehbedingungen gehabt. Grund für eine Soap-Drehpause, heißt es bei RTL, war der positive Corona-Befund eines Mitarbeiters, der Anfang April zuletzt hinter den Kulissen tätig war, sodass zum Schutz aller eine Quarantänezeit von der Produktion angeordnet wurde. „Unter aktuellsten, genauesten und strengsten Hygienemaßnahmen, die so mit Arbeitsschutzfachleuten im Einzelnen abgesprochen sind“, sei der Dreh am 20. April fortgesetzt worden. Produktionsinterna werden nicht verraten, doch es ist nicht davon auszugehen, dass es bei „GZSZ“ im Herbst zu einer Flut von Kussszenen kommen dürfte.

Verzögerungen auch bei „Praxis mit Meerblick“, der mit fünf Millionen Zuschauer quotenstarken Reihe in der Freitagsprimetime der ARD. Die Dreharbeiten waren für April geplant und konnten erst Mitte Mai in Mecklenburg-Vorpommern aufgenommen werden. Zurzeit, sagt Degeto-Sprecherin Carina Hoffmeister, seien es bei der ARD-Filmtochter rund 30 Produktionen, die von einer Pause beziehungsweise Drehverschiebung betroffen sind.

Vorher testen? Kussszenen wie die aus der RTL-Serie „GZSZ“ (eine vor Corona gedrehte Folge) sind schwer bis gar nicht zu realisieren.

© RTL

Seit ein paar Tagen gibt es konkretere Hinweise, wie das mit dem Weiterdrehen funktionieren kann. Die Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse hat zusammen mit dem zuständigen Bundesministerium und der Produzentenallianz einen Arbeitsschutzstandard für Filmproduktionen veröffentlicht. Darin Empfehlungen und Maßnahmen, die von Produktionsfirmen zum Infektionsschutz eingehalten werden müssen.

Produktionsfirmen sind angehalten, die Abstandsregeln streng einzuhalten, die Teams so klein wie möglich zu bilden, bei der Motivauswahl enge Räumlichkeiten zu vermeiden, dazu strenge Regeln für das Catering und die Hygiene am Set.

Ganz so unmöglich ist das mit den Küssen in Filmen und Serien trotz Corona offenbar nicht. Insbesondere für Kamera, Regie und Ausstattung, so Hoffmeister, ist es eine besondere Herausforderung, den Eindruck menschlicher Nähe mit filmischen Mitteln zu erwecken, auch wenn die Schauspieler 1,5 Meter Abstand haben.

Daher würden Drehbücher gesichtet und bestimmte Szenen angepasst, die unter den aktuellen Bedingungen nur schwer realisierbar sind, wie Massen- oder Kussszenen. Es gebe die Möglichkeit, mit Quarantäneregelungen für kleinere Einheiten und intensives Testen entsprechende Szenen umzusetzen – und natürlich auch technische Lösungen. Auf diese Szenen darf man gespannt sein.

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