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Schon mal an ARD, ZDF und Deutschlandradio gedacht? Ein Überweisungsschein für ein Jahr Rundfunkgebühr, in Höhe von 219,66 Euro, inklusive 3,90 Euro Mahngebühr. Foto: dpa

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Gebühren: Krösus von Europa

In Deutschland wird heftig über den neuen Rundfunkbeitrag diskutiert. Was und wie muss eigentlich in anderen Ländern für Fernsehen und Radio gezahlt werden?

Der gemeine Schweizer verdient mehr als der durchschnittliche Deutsche. Das muss er auch, seine Rundfunkgebühren sind um 80 Prozent höher als der Rundfunkbeitrag in Deutschland. Nach heutigem Stand werden in der Schweiz pro Jahr 385 Euro an die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) bezahlt. ARD, ZDF und Deutschlandradio bekommen 215 Euro. Was die Rundfunkbeiträge pro Person/pro Haushalt betrifft, so liegt Deutschland im europaweiten Vergleich im Mittelfeld. Nach Auskunft des Projektbüros zum neuen Rundfunkbeitrag für die öffentlich-rechtlichen Anstalten, angesiedelt beim Südwestrundfunk in Mainz, verlangen die Schweiz (385 Euro) und Österreich (278 Euro) deutlich höhere Beiträge, Gleiches gilt für Norwegen (345 Euro), Dänemark (315 Euro) und Schweden (232 Euro); niedrigere Gebühren sind beispielsweise in Island (213 Euro), Großbritannien (179 Euro), Frankreich (129 Euro) und Italien (110 Euro) zu zahlen.

So unterschiedlich die Höhen der Abgaben, so unterschiedlich sind deren Methoden zur Erhebung. Rundfunkgebühren, so hat es der Branchendienst digitalfernsehen.de festgestellt, werden in rund zwei Drittel der Länder Europas erhoben. Am seltensten findet sich dieses Modell im Osten. In den Baltenstaaten, in Russland, der Ukraine, in Bulgarien und Ungarn wird der staatliche Rundfunk aus Steuergeldern finanziert, also auch wieder vom Bürger, aber auf indirektem Weg (in Deutschland gilt die Steuerfinanzierung nur für die Deutsche Welle). Ein Modell, das den Sendern politischen Streit um den Umfang des Mittelzuflusses, zugleich Versuche der Einflussnahme, wenn nicht direkte Intervention der Regierung einbringen kann. Ungarn ist dafür ein Beispiel. Dort wurden die Rundfunkgebühren abgeschafft und die Staatsfinanzierung eingeführt, was der nationalistisch orientierten Regierung von Viktor Orbán in die Hände spielt.

Aus der Steuerfinanzierung erwächst keineswegs automatisch politische Intervention. Auch in den Beneluxstaaten, in Liechtenstein, Portugal oder Spanien existiert keine Gebührenfinanzierung, trotzdem kann der dortige staatliche oder öffentlich-rechtlich organisierte Rundfunk nicht als Propagandainstrument der Regierungsparteien bezeichnet werden. Komplexer ist die Frage, nach welchem Modell in Ländern mit Rundfunkgebühren diese erhoben werden.

Die Methoden sind von Land zu Land verschieden. In Deutschland lautet seit Jahresbeginn die neue Formel „eine Wohnung, ein Beitrag“, sprich 17,98 Euro im Monat, unabhängig davon, ob in der Wohnung ein Empfangsgerät steht. In Österreich ist nach wie vor der Besitz, respektive die Nutzung eines Fernsehers oder Radios oder Computers mit Internetanschluss entscheidend. Die Gebühr wird pro Haushalt entrichtet, unabhängig von der Zahl der Nutzer und Geräte. Ähnlich wie der Beitragsservice für ARD, ZDF und Deutschlandradio, früher GEZ, kümmert sich eine hundertprozentige Tochter des Österreichischen Rundfunks (ORF) um den Einzug. Während für ARD, ZDF und Deutschlandradio ein einheitlicher Satz bezahlt werden muss, variiert in Österreich der Betrag, der im Schnitt bei 23,20 Euro liegt. Die Summe ist in Einzelsummen detailliert. Das sogenannte Programmentgelt, festgesetzt vom ORF-Stiftungsrat, macht 16,16 Euro aus und in der Gesamtsumme von ungefähr 600 Millionen Euro 60 Prozent der Sendereinnahmen. Die Radio- und Fernsehgebühr bekommt das Finanzministerium (zusammen 2,52 Euro), das damit unter anderem einen Medienförderungsfonds füllt. Aus den anderen Bestandteilen der Gebühr wie Kunstförderung oder Einhebungsvergütung ragt die Landesabgabe heraus. Sie löst wegen ihrer unterschiedlichen Höhe je nach Bundesland – am teuersten in Wien mit monatlich 5,10 Euro und in Vorarlberg gar nicht erhoben – unterschiedliche Endbeträge aus.

In Großbritannien sind nur Fernsehgebühren bekannt, für Radioempfang wird nichts verlangt. Auch beim Fernsehen gibt es eine Grenze: Wer älter als 75 Jahre ist, muss sich keine TV-Lizenz besorgen, die Jahr für Jahr neu erworben wird und deren Höhe die Regierung festsetzt. Pro Haushalt wird nur eine Lizenz verlangt, in einer Zweitwohnung wird eine Zweitlizenz notwendig, sobald das Gerät ans Stromnetz kommt. Kurioserweise unterscheidet das Vereinigte Königreich zwischen Farb- und Schwarz-Weiß-Apparaten. Schwarz-Weiß kostet rund 60 Euro, Farbe 179 Euro im Jahr. Während in Deutschland mit der Umstellung auf den Rundfunkbeitrag die berüchtigten „GEZ-Schnüffler“ Vergangenheit sein sollen, sind die unter dem Namen „TV Licensing“ zusammengefassten Firmen, die für die BBC den Einzug der TV-Abgabe im Umfang von 4,5 Milliarden Euro besorgen, unverdrossen hinter Schwarzsehern her. 2010/2011, schreibt digitalfernsehen.de, sollen die Vertreter von „TV Licensing“ 4,2 Millionen Hausbesuche unternommen haben. Strittig ist, ob sogenannte „detector vans“ durch die Straßen fahren, um Schwarzseher aufzuspüren.

Welches Land in Europa die Spitzenposition beim „Gebührenschwänzen“ hält, kann nur geschätzt werden. Die Zahlungsmoral in Polen gilt als bedenklich, zwei Drittel der Haushalte sollen bei der Gebührenpflicht für den staatlichen Rundfunk säumig sein, in Italien wandern nicht wenige Anschreiben der RAI direkt in den Papierkorb. In Deutschland gilt Berlin als Hochburg, mehr als 20 Prozent der Haushalte stellen sich tot. Auch da soll der neue Rundfunkbeitrag durch den Abgleich mit den Datensätzen der Einwohnermeldeämter Abhilfe schaffen.

In Frankreich wird die Rundfunkgebühr mit der Wohnsteuer eingezogen. Anders als bei der Haushaltsabgabe in Deutschland muss in Frankreich nur zahlen, wer in seiner Steuererklärung den Besitz eines TV-Gerätes ankreuzt. Gebührenprellern wird nachgegangen, ermäßigte Steuersätze zum Beispiel für behinderte Mitbürger werden gewährt. Eigentlich eine Steuer, ist der „contribution à l’audiovisuel public” zweckgebunden. Staatliches Fernsehen und staatlicher Hörfunk haben ein Gesamtbudget von 3,3 Milliarden Euro.

Mit den aufgelaufenen Summen wird in den Ländern Europas unterschiedlich umgegangen. Während der ORF mit 66 Prozent an den Gebühren partizipiert, erhält Dänemarks Rundfunk 75 Prozent und die Schweizerische SRG 90 Prozent. ARD, ZDF und Deutschlandradio profitieren am meisten. Von 7,5 Milliarden Euro an Gebühreneinnahmen – Spitzenwert in Europa – gehen nur 1,9 Prozent, sprich 145 Millionen Euro an die Landesmedienanstalten. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland hat es besser, mit dem neuen Rundfunkbeitrag hält er unbestritten die Führung in Europa.

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