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Der Bundesgerichtshof hat das "Recht auf Vergessenwerden" eingeschränkt. Es gilt auch bei kritischen Artikeln nicht automatisch.

© Lukas Schulze/dpa

Klage gegen Google gescheitert: Kein automatisches "Recht auf Vergessenwerden" im Netz

Das Recht auf Vergessenwerden hängt vom Einzelfall ab, entscheidet der Bundesgerichtshof. Was das für Suchmaschinen wie Google bedeutet.

Gegenüber Suchmaschinen-Betreibern wie Google gibt es kein automatisches „Recht auf Vergessenwerden“ im Internet. Ob Links zu kritischen Artikeln aus der Trefferliste entfernt werden müssen, ist immer von einer umfassenden Grundrechtsabwägung im Einzelfall abhängig. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Montag verkündeten Urteil klargestellt. Genauso maßgeblich wie die Rechte des Betroffenen seien das öffentliche Interesse an den verlinkten Informationen, die unternehmerische Freiheit des Suchmaschinen-Betreibers und die Rechte des Inhalteanbieters.

BGH musste zu zwei Fällen entscheiden

In einem Fall ging es um einen hessischen Wohlfahrtsverband, der in finanzielle Schieflage geraten war, und seinen Geschäftsführer, der sich kurz zuvor krankgemeldet hatte. Über beides hatte die regionale Presse unter Nennung des Namens des Geschäftsführers 2011 mehrfach berichtet. Der klagte gegen Google, weil bei Eingabe seines Namens die Presseartikel in der Trefferliste erschienen. Wie schon das Oberlandesgericht Frankfurt lehnte der BGH die Klage jetzt rechtskräftig ab. Über die Erkrankung des Geschäftsführers sei ohne nähere Angaben berichtet, sein Persönlichkeitsrecht deshalb nicht verletzt worden, urteilte der BGH. Auch der Zeitraum von sieben Jahren sei kein Grund für ein Löschen der Berichte. Insgesamt müsse aber in jedem einzelnen Fall erwogen werden, ob das Persönlichkeitsrecht oder das Recht der Öffentlichkeit auf Information höher zu bewerten sei.

Einen zweiten Fall legte der BGH allerdings dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vor. Denn dabei ist der Wahrheitsgehalt des in der Trefferliste von Google aufgeführten Berichts umstritten. Auf der Webseite eines US-Unternehmens waren 2015 mehrere Artikel erschienen, die sich kritisch mit dem Anlagemodell eines in Deutschland tätigen Finanzdienstleisters auseinandersetzten. Über den Wahrheitsgehalt der Berichte besteht Streit. Der EuGH soll nun klären, wer belegen muss, ob der Bericht wahr oder falsch ist – Google oder der Betroffene.

"Kein Herauspicken negativer Berichte"

"Der Bundesgerichtshof hat damit klargestellt, dass nicht jede unliebsame Berichterstattung aus den Google-Suchergebnissen gelöscht werden muss. Betroffene können sich nicht speziell die negativen Berichte herauspicken. Das gilt auch für oberflächliche gesundheitsbezogene Daten, die für das Verständnis des Artikels erforderlich sind“, sagte Berliner Medienanwalt Ehssan Khazaeli von der Kanzlei Von Rueden dem Tagesspiegel und ergänzte: "Zugleich zeigt die Entscheidung aber auch auf, welche Schwierigkeiten bei der Anwendung der Datenschutzgrundverordnung von 2018 auftreten, wenn nicht einmal der Bundesgerichtshof in jedem Fall beurteilen kann, ob sie auf Google anwendbar ist."

Basis des Rechts auf Vergessenwerden war das "Google"-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von Mai 2014. Das Gericht hatte entschieden, dass auf Antrag Links gestrichen werden müssen, wenn auf den verlinkten Seiten die Persönlichkeitsrechte von Betroffenen verletzt werden.

In einem früheren Fall hatte das Bundesverfassungsgericht 2019 eine BGH-Entscheidung zum "Recht auf Vergessenwerden" kassiert. Die Verfassungsrichter hatten der Beschwerde eines im Jahr 1982 wegen Mordes verurteilten Mannes stattgeben. Der Mörder hatte sich gegen die vollständige Nennung seines Namens in online noch immer verfügbaren Presseartikeln gewendet. Bei der Abwägung zwischen Persönlichkeitsrechten und Pressefreiheit müsse besonders der zeitliche Abstand zu einer Tat beachtet werden, urteilte das Bundesverfassungsgericht und stärkte damit das Recht auf Vergessenwerden im Internet auch bei schweren Straftaten. (Az. 1 BvR 16/13) Der BGH hatte die Klage des Mannes zuvor in letzter Instanz abgewiesen. Der Schutz der Persönlichkeit habe in diesem Fall hinter dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Recht auf freie Meinungsäußerung zurückzutreten, hatte der Bundesgerichtshof geurteilt. mit dpa/rtr

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