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Noch hat die Technik viele Macken, doch an der Verbesserung der Gesichtserkennung wird vielfältig geforscht, wie hier an der Ruhr-Universität Bochum.

© Matthias Jung/laif

Gesichtserkennung auf dem Vormarsch: Kennt das Netz auch dein Gesicht?

Facebook will seine Gesichtserkennung ausbauen. Datenschützer sind in Alarmbereitschaft. Denn die Technik ist auf dem Vormarsch - nicht nur im Netz.

Wer bist Du? Diese Frage können wir uns vielleicht bald sparen. Wir fotografieren einfach unser Gegenüber mit dem Smartphone und wissen einen Augenblick später, was Google über die Person so ausspuckt. Augmented Reality – Erweiterte Realität – nennen Experten diese Technologie, bei der mittels Bilderkennung zusätzliche Informationen über die Umwelt bereitgestellt werden sollen. Auch Foto-Apps auf Smartphones oder in Sozialen Netzwerken kommen kaum noch ohne Gesichtserkennung aus. Das Versprechen: Sag der App, wer auf dem Foto zu sehen ist und sie wird denjenigen auf dem nächsten Bild wiedererkennen.

Das Verfahren heißt Tagging. Thomas Martinetz, Professor am Institut für Neuro- und Bioinformatik in Lübeck, erklärt, wie es funktioniert: Vereinfacht gesagt sucht Gesichtserkennungssoftware nach Ecken und Kanten: Welche Form haben die Augen, wie sind die Mundwinkel gezeichnet, wie groß ist die Nase? Die Merkmale werden als „Tags“ in einer Datenbank gespeichert. Kommt ein neues Foto dazu, durchsucht die Software die Datenbank nach identischen Kombinationen von Merkmalen und ordnet die entsprechende Person zu.

Die Datenbanken sozialer Netzwerke liefern mit ihren teils hunderten Millionen Mitgliedern, die dutzend- und hundertfach auf Bildern markiert wurden, inzwischen einen riesigen Pool solcher „Tags“. Die Software kann lernen: Je mehr Bilder einer einzelnen Person sie kennt, umso größer die Zahl der Merkmale und umso größer die Treffsicherheit.

Für Internet-Unternehmen wie Facebook oder Google kann eine solche Software überlebensnotwendig sein. Vor kurzem kaufte das Soziale Netzwerk die kleine israelische Firma Face.com. Die steckt bereits hinter der bestehenden Facebook-Gesichtserkennung, die bislang jedoch nicht auf mobilen Geräten wie Smartphones funktioniert. Das soll sich schnell ändern, denn die Aktionäre sitzen Facebook im Nacken: Mehr als die Hälfte der 900 Millionen Mitglieder nutzen nach Angaben von Facebook das Netzwerk mobil. Eine mobile Foto-App mit guter Gesichtserkennung könnte genau das sein, was Analysten an Innovationen für mobile Geräte vorschwebt. Die vor sich hin dümpelnde Aktie machte nach Bekanntwerden des Deals einen Satz nach oben.

Ein Blick hinter die Kulissen von Facebook:

Doch was gut für das Unternehmen ist und den Nutzern mehr Service bringt, versetzt Datenschützer in Alarmbereitschaft. „Durch den Kauf von Face.com landet ein großer Pool weiterer biometrischer Daten bei Facebook“, sagt der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar. Dabei treibt ihn gar nicht so sehr um, dass Facebook unverantwortlich mit den Daten umgehen könnte. „Niemand darf sich der Illusion hingeben, Firmenserver seien so sicher wie die Bank von England. Es ist zum Beispiel unklar, was mit solchen Daten geschieht, sollte ein Unternehmen ökonomisch zerschlagen werden.“ Eine solche Datenbank habe nicht nur ein erhebliches wirtschaftliches Potential. Auch für staatliche Stellen werde es verlockend sein, Datenbestände von Unternehmen anzuzapfen, die mit Gesichtserkennung arbeiten oder selbst die Technologie einzusetzen. Caspar fordert deshalb als Minimalstandard, dass Unternehmen sich die ausdrückliche Erlaubnis der Nutzer einholen, biometrische Daten zu speichern.

Denn Bilderkennungssoftware wird inzwischen vielfältig genutzt. Im Zoo in Hannover werden Besitzer von Jahreskarten gescannt – damit sie ihre Karte nicht an jemand anderen verleihen. In Holland soll ein ähnliches System notorische Schwarzfahrer entlarven. In Indien wird der Irisscan verwendet, um das Milliardenvolk zählen zu können.

Ausgefeilt ist die Technologie allerdings an vielen Stellen noch nicht. „Es muss nur ein Schatten oder eine Lichtreflexion über dem Gesicht liegen, schon funktioniert es nicht mehr“, sagt der Bioinformatiker Martinetz. Eine Herausforderung stellen auch große Menschenmengen dar. Theoretisch ist es möglich, dass Kameras am Flughafen oder im Stadion mit einer biometrischen Datenbank gekoppelt werden und so Verdächtige identifizieren. In der Praxis gestaltet sich das aber schwierig. Damit solche Systeme in großen Menschenmengen funktionieren, müssten sie relativ scharf eingestellt werden, was dazu führen würde, dass falscher Alarm häufig wäre. Weniger scharf eingestellt wiederum ginge ihnen das meiste durch die Lappen.

Für Bürgerrechtler ist das nur ein schwacher Trost. „Derzeit haben wir noch dumme Kameras“, sagt Markus Beckedahl, Blogger und Mitgründer der „Digitalen Gesellschaft“. „Aber es ist nur eine Frage der Zeit – vielleicht von vier oder fünf Jahren – bis man die Menschen gezielt auch mit Gesichtserkennung überwachen kann.“ Das wirft grundsätzliche Fragen auf. Datenschützer wie Johannes Caspar sehen den Gesetzgeber gefordert. „Es muss geregelt werden, was mit der Technologie künftig erlaubt sein soll, und es sind klare gesetzliche Grenzen zu ziehen, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren.“

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