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TV-Radsport: Kampf mit Windmühlen

Kurt Sagatz wundert sich, wie sich bei der Tour de France die öffentlich-rechtlichen Sender und Eurosport angleichen.

Merkur ist der Gott der Diebe und der fahrenden Händler. Und weil sich auch die Radsportler bei der Tour de France fahrend durch die Landschaft bewegen, gilt er ihnen ebenfalls als Schutzpatron, erklärt der Kommentator, als die Hubschrauber-Kamera gerade die Figur von Mercure auf der Turmspitze in den Fokus nimmt. Die Bilder aus der französischen Provinz – am Samstag wurde das Land der Windmühlen an der Atlantikküste befahren – sind traditioneller Bestandteil der Tour-Bilder. Das Besondere an dieser Erklärung ist somit, dass sie nicht von einem Reporter von ARD oder ZDF stammt, sondern von einem Kollegen von Eurosport. Der in Frankreich beheimatete Spartensender hat nicht erst zur diesjährigen Tour erkannt, dass die großen Rundfahrten durch Italien, Frankreich oder Spanien längst nicht nur von den Radsportenthusiasten verfolgt werden, sondern ebenso von Zuschauern, die sich für spektakuläre Naturkulissen genauso begeistern wie für verträumte Wasserschlösser an der Loire. Vor allem aber ist man sich bei Eurosport bewusst, dass ARD und ZDF in diesem Jahr letztmalig live von der Tour berichten.

Es kann der Quote und den Werbezeiten-Vermarktern somit nur helfen, sich im direkten Vergleich als ebenbürtige Alternative zu den öffentlich-rechtlichen Konkurrenten zu präsentieren. Anders als vor einigen Jahren, als die Kommentatoren bei Eurosport das D-Wort eher selten benutzten, wird nun auch der Doping-Debatte der gebotene Raum gegeben. Warum Alberto Contador starten darf, obwohl er doch vor einem Jahr positiv getestet wurde, wird genauso behandelt wie der Doping-Schatten, der auf das Team Omega-Pharma-Lotto gefallen ist, weil sich ein Betreuer verbotene Substanzen aus Australien hat zuschicken lassen. Und genau wie bei ARD und ZDF erfährt auch der Zuschauer von Eurosport von der Polizeikontrolle des Quickstep-Tourbusses.

Doch wie stark sich die Sender in diesem Jahr angleichen, zeigt sich erst mit Blick auf ARD und ZDF. Nachdem das Ende der Live-Berichte beschlossen und verkündet wurde, ist es nicht mehr nötig, mit Schaum vor dem Mund aus Frankreich zu berichten, um die eigene Entscheidung zu rechtfertigen. Vielmehr wollen die Moderatoren, Kommentatoren und Reporter noch einmal zeigen, wie sie sich trotz verkürzter Sendezeit eine für den Zuschauer abwechslungsreiche Live-Tour vorstellen. Wenn man sie lässt. Denn in der Sendeleitung in Deutschland hat man es am Samstag versäumt, die Übertragung zumindest so ernst zu nehmen, dass die Zuschauer die möglicherweise wichtigste Vorentscheidung miterleben können. Als am ersten Renntag der ungeliebte Favorit Alberto Contador durch einen Massensturz aufgehalten wurde, reichte es eben nicht aus, sich nur auf die Zieleinfahrt der Führenden zu konzentrieren, um rasch zur Frauenfußball-WM umzuschalten.

Nicht nur für die Fans des Radsports ist es wichtig zu wissen, dass Contador durch das Chaos-Rennens des ersten Tourtages einen Rückstand von weit über einer Minute aufgebrummt bekommen hat. Noch zu Beginn der ersten Etappe wurde immer davon ausgegangen, dass Contador ein Sieg bei der diesjährigen Frankreichrundfahrt wenn überhaupt, dann erst von Juristen und dem Internationalen Sportgericht Cas genommen werden könnte. Das ganze Bild gibt es offenbar nur bei Eurosport. In diesem Fall hätten fünf Minuten mehr Sendezeit ausgereicht, damit die öffentlich-rechtlichen Sender ihren Auftrag zur Berichterstattung erfüllen.

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