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Zwei Männer, eine Bushaltestelle. Ronald Zehrfeld (r.) und Felix Kramer sind die Protagonisten der achtteiligen Comedyserie „Warten auf'n Bus“ (RBB, Mittwoch, 22 Uhr 30). Hannes und Ralle kennen sich seit Jahren, genauso wie die beiden Berliner Schauspieler. Es geht um Freundschaft, das Leben, auch um nichts. Das Herzstück sind die Dialoge.

© rbb/Frédéric Batier

Interview mit Ronald Zehrfeld und Felix Kramer: „Wer redet, der bleibt, der überlebt“

Ronald Zehrfeld und Felix Kramer über Texas in Brandenburg, den Osten im Fernsehen, Zwänge für die AfD und Aufstehen.

Herr Zehrfeld, Herr Kramer, acht Mal 30 Minuten im RBB Fernsehen um 22 Uhr 30: Was hat die Schauspielgrößen Felix Kramer und Ronald Zehrfeld an dieser Aufgabe gereizt?

ZEHRFELD: Ich habe acht großartige Drehbücher gelesen und mich drei Mal gefragt: RBB? RBB? RBB? Was macht dieser Sender da? Wieso macht der RBB plötzlich so einen tollen Stoff, so toll aufgeschrieben von Oliver Bukowski?

KRAMER: Diese Texte und diese Serie hätten mich bei jedem Sender, jedem Streamer überrascht.

Sind das Theatertexte? Oder Fernsehtexte?
ZEHRFELD: Das sind für mich keine Texte, das sind Farben, Erlebnisse. Felix hat richtigerweise gesagt, er kennt diese Hannes und Ralles. Da kann ich mich nur anschließen. Auch in meinem Leben gab und gibt es solche Kerle, solche Menschen mit diesem Sprachduktus, mit der Sicherheit und der Unsicherheit zweier Biografien in Ost und West. Das fühlt sich echt und wahrhaft an, auch, weil wir ohne Rücksicht auf Zuschauer in Bayern oder im Rheinland Brandenburgisch reden konnten.

KRAMER: Die Texte sind weniger als Worte zu verstehen als dass sie Figuren charakterisieren, umkreisen, abzeichnen. Wer redet, der bleibt, der überlebt. Hannes Ackermann und Ralf „Ralle“ Paschke arbeiten sich über ihre Sprache, ihren Dialog ab – gegen ihre Angst vor der Leere, vor der Stille. Autor Oliver Bukowski hat diese beiden greifbarer, erlebbarer gemacht, als es Wissenschaftler und Sachbücher könnten. Die reden sich aneinander ab.

Der Ackermann und der Paschke sind Typen vom abgehängten Leben in Brandenburg. Besteht da nicht die Sorge, dass der Brandenburger Zuschauer sagen wird: Verdammt, warum sind wir dermaßen dran, wenn es ums Tot-über-dem-Zaun-Hängen geht? Ist ja empfindlich, der Märker.
KRAMER: Die beiden Typen könnten auch in Texas sitzen, nur Bushalte und Bus sähen anders aus. Dass es in Brandenburg ist, zeigt nur, dass es auch anderswo sein könnte. Die Bushaltestelle steht für etwas. „Warten auf'n Bus“ ist weniger eine Serie über Brandenburg, das ist eine Serie über Menschen in der Warteschleife, abgestellt, voller Sehnsucht und Emotionen. Wie geht man mit Niederlagen um? Ackermann und Paschke sind zwei desolate Baustellen made in Brandenburg. Denen man immer wieder wünscht, dass sie auf die Beine fallen.

ZEHRFELD: Man kann Ralle und Hannes dabei zuschauen und zuhören, wie sie ihre Biografien bewusst und unbewusst reflektieren. Was sie hinter sich haben, was sie in sich haben und was vor sich. Wo sie ihre Schnittstellen haben. Die Bushaltestelle war immer ihr Lebensmittelpunkt. Von dort aus sind sie zur Schule, später zur Schicht gefahren.

KRAMER: Ich mache mir um Ralle Sorgen. Ist der morgen noch da, ist der suizidal? Hannes ist für ihn anscheinend der Ruhepol, der Fels in der Brandung für ihn, der in seinem Leben Lücke für Lücke, Absage auf Absage angesammelt hat. Und der dann merkt, dass Hannes genauso fragil ist. Aber aufgeben gilt nicht. Die leben das Stehaufmännchenprinzip.

Mehr Osten war selten im Fernsehen: Ensemble aus dem Osten, Regisseur, Autor, Osten, Osten, Osten. Reden wir von Zufall oder Planwirtschaft?
KRAMER: Zufällige Planwirtschaft.

ZEHRFELD: Der Sender, also der Rundfunk für Berlin und für Brandenburg, hat die Leute für diese Programmfarbe. Ausstattung, Requisite, eine ungezwungene Motivation, die Sensibilität für die Töne zwischen den Zeilen, nimm, was du willst, das Grundlevel, das Grundverständnis war von Anfang an da. „Warten auf’n Bus“ hat nicht die Intention: So ist der Osten. Da ist viel, viel mehr dahinter.

KRAMER: Ist wirklich keine Geschichte über den Osten, sondern über provinzielles Dasein, über Leben in der Warteschleife, nicht urban, entschleunigt, die Bushaltstelle ist die Kneipe, die es im Ort nicht mehr gibt. Die Bank in der Bushaltestelle in Brandenburg ist etwas komplett anderes als die Parkbank in Berlin.

Was klärt dieses Gesprächsformat, was ein Film nicht klären könnte?
ZEHRFELD: Klären? Gar nichts. Es ist ein Angebot. Ein Angebot zu einer Kommunikation für einen, der ebenfalls an Kommunikation interessiert ist. Man kann keinen dazu zwingen. Man kann keinen von der AfD zwingen, sich zu äußern, warum er bei der AfD ist, auch keinen Linken, warum er links ist.

KRAMER: Ich kann mir auch einen Kinofilm vorstellen, der das Ganze komprimiert. Wir haben uns aber für die Serie entschieden, für diese Ersatzlesung. Jeder kann in der RBB-Mediathek entscheiden, wann er welches Kapitel sieht, genauso wie er sich bei einem Buch entscheidet, wann er liest und wann nicht.

Kein Schnitt nach fünf Sekunden, keine rabiate Wendung nach fünf Minuten.
ZEHRFELD: Ist das geil, oder? Sprechen wir von Angst und sprechen wir von Mut? Angst hieße von der möglichen Reaktion des Publikums zu sprechen, dass es das Angebot nicht annimmt. Sprechen wir lieber vom Mut des Senders, dieses Angebot zu machen.

KRAMER: Anders gesagt: Sie haben eine Karte für die Partie Barcelona gegen Madrid. Das ist der El Clásico, das wird auf jeden Fall ein Knallerspiel. Geht null zu null aus. Sagt der eine: der beste El Clásico ever. Der andere: Das war nichts, null, nada. Es kommt auf die Leute an. Es gibt unterschiedliche Serien, wie es unterschiedliche Seher gibt. Da schaut jeder anders.

Ackermannn und Paschke, hat dieses Duo berühmte Vorbilder? Wallace & Gromit, Estragon & Wladimir, Stan & Olli, Hamm & Clof, Erich und Margot Honecker…
KRAMER: Am Anfang stand gar nicht fest, wer wen spielt. Manchmal schießen die Figuren wie aus einem Rohr, manchmal ergänzen sie sich. Es ist aber niemals ganz klar, wer der Kapitän, wer der Erste Offizier, wer der Stärkere, wer der Schwächere ist. Das switcht hin und her. Das ist die Qualität. Hier machen zwei Menschen gegeneinander, miteinander Lebensinventur. Das war die Challenge. Gerne auch in Staffel zwei.

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