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schen Weltkriegsende und Mauerbau. Die neue Staffel der Reihe „Berlin – Schicksalsjahre einer Stadt“ beschäftigt sich mit der Zeit von 1945 bis 1960. Ein prägendes Ereignis war die Blockade von West-Berlin 1948/49.

© RBB

TV-Chronik der Hauptsradt: „Ich bin ein Berliner!“

Dokumentar-Autor Lutz Pehnert über die Komplettierung der RBB-Reihe „Schicksalsjahre einer Stadt“.

Am 14. August startet der RBB die neue Staffel von „Berlin – Schicksalsjahre einer Stadt“. Diesmal geht es um die Zeit zwischen Weltkriegsende und Mauerbau. Der Tagesspiegel sprach mit dem Autor Lutz Pehnert über die Entstehung und den Erfolg der Dokumentationsreihe.

Die „Schicksalsjahre“ sind mit 64 Folgen DAS Mammutwerk des RBB. Wie erklären Sie sich den Erfolg der Dokumentationsreihe?
Ja, was ist der Erfolg? Die doch ganz gute Quote auf einem Sendeplatz – Primetime am Samstag –, wo auf den Nachbarsendern „Frag doch mal die Maus“ oder „Deutschland sucht den Superstar“ läuft? Oder der Ruf, den die Reihe bei den Zuschauern gewonnen hat? Der Ruf ist gut. Mich sprechen sogar Leute auf diese Reihe an, die gar nicht wissen, dass ich daran beteiligt bin. Ich finde, der RBB hat Mut bewiesen, so ein Ding nicht nach der Spätabendschau zu platzieren und zu verstecken, sondern an die Spitze zu setzen. Nach dem Motto: Seht hin, das ist eure Geschichte! Und die Zugezogenen erhalten auch eine Lektion über die Stadt, in der sie glücklich werden wollen.

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Sie sind selbst in Ost-Berlin geboren, inwieweit war die Identifikation mit der Stadt für Sie als Autor und Regisseur wichtig?
Ich bin ein Berliner! Ein Ostberliner! Aber ich würde auch einen Film über die Geschichte Sachsens machen. Man macht ja nicht nur Filme über das, was man kennt oder zu kennen glaubt. Filmemachen – das ist auch eine wunderbare Gelegenheit, etwas Neues, Unbekanntes zu entdecken, zu erfahren und weiterzu- geben.

["Berlin - Schicksalsjahre einer Stadt, RBB, Samstag, 20 Uhr 15]

Was war für Sie neu, was haben Sie erfahren?
Historische Ereignisse verkleinern sich, je weiter sie zurückliegen, oft zu Schlagworten und mythischen Bildern. Die Jahreschroniken bieten die Möglichkeit, auf die Details zu schauen und auf die genauen Abläufe. 1948 war das Jahr der Währungsreform und Wirtschaftsblockade. Berlin wurde zur Geisel im Kalten Krieg. Aber wie lief das eigentlich ab? Da werden Tage und Stunden zum Geschichts-Thriller.

Gibt es ein Jahrzehnt, das Sie als besonders „schicksalhaft“ empfanden?

Lutz Pehnert ist Autor und Regisseur. Seine Filmografie umfasst vor allem Arbeiten zur DDR und zum Osten Europas. Für die dreiteilige Reihe „DDR Ahoi!“ bekam er 2011 den Grimme-Preis.

© RBB/privat

Die Reihe begann ja zunächst mit dem Jahr 1961 und erweiterte sich dann bis zum Jahr 2009. Mit dem Neustart am 14. August wird sie um die Jahre 2010 bis 2020 und 1945 bis 1960 ergänzt und abgeschlossen.

Und was hat Sie besonders berührt?
Mich bewegen vor allem die Jahrzehnte, die ich selbst, 1961 geboren, nicht erlebt habe. Tief berührt haben mich die Gespräche mit den Zeitzeugen, die sich an ihre Kriegs- und Nachkriegserlebnisse in Berlin erinnerten. Peter Leonhard Braun erzählte, wie er als Junge von 15 Jahren in den letzten Apriltagen 1945 sich selbst vor dem Zugriff der SS und dann seine Mutter und Schwester vor den sowjetischen Soldaten/„Russen“ rettete. Nach so einem Bericht stellt man nicht gleich die nächste Frage. Ich hätte heulen können und dachte zugleich, was für ein Glück, nicht durch diese Zeiten gegangen zu sein.

Wie schwer oder wie leicht war es, Protagonisten für die Reihe ausfindig zu machen?
Wenn Sie nach einem Erstbewohner von Berlin-Marzahn suchen, denken sie zunächst: Da muss es ja noch etliche geben. Aber sie können ja nicht an jeder Haustür klingeln. Also mal war es leicht, mal war es schwer. Und wo es schwer war, haben Rechercheure den Regisseuren die mitunter sehr zeitraubende Suche abgenommen.

Es ging nie um Vollständigkeit

Die Dokumentation umfasst einen Zeitraum von den Nachkriegsjahren bis in die zwanziger Jahre des neuen Jahrtausends. Ist die Geschichte Berlins damit erzählt?
Es sind ja Jahreschroniken – jeweils von Januar bis Dezember. In zwölf Monaten passiert auch in Berlin mehr, als sich in 90 Minuten erzählen lässt. Also gibt es Lücken. Doch es ging ja nie um Vollständigkeit. Die wäre auch langweilig. Wichtig war, die historischen Abläufe und Ereignisse, Dramen und Tragödien in menschlichen Schicksalen und persönlichen Erlebnissen zu spiegeln.

Zahlreiche Prominente haben an den „Schicksalsjahren“ mitgewirkt, ob als Zeitzeugen wie etwa Dieter Hallervorden, oder die Sprecherinnen Corinna Harfouch und Katrin Sass. Was war ihr Impuls, sich zu beteiligen?
Nach dem Staffelstart der sechziger Jahre im Herbst 2018 sprach sich bereits sehr schnell herum, dass da etwas entsteht, wo die Leute nicht mal so vorbeischauen, sondern dranbleiben – Jahr für Jahr für Jahr. Also wir mussten um prominente Sprecherinnen und Zeitzeugen nicht betteln. Allerdings sind sie nicht einfach als quotenbringende Aushängeschilder dabei. Sie sind ja ein Teil der Berliner Geschichte.

Dieter Hallervorden studierte an der Humboldt-Uni

Zum Beispiel?
Dieter Hallervorden etwa begegnet man nicht erst mit seinem „Palim-Palim“. 1957 studierte er an der Humboldt-Universität in Ost-Berlin. Dann reichte es ihm. Mit nur einem Koffer voller Habseligkeiten floh er über die innerstädtische Grenze. Ohne diese Entscheidung wäre er vielleicht nie Schauspieler geworden. West-Berlin war für ihn erst mal eine nahezu fremde Welt. Er studierte dann an der Freien Universität. Dort las er an einem Schwarzen Brett von einer Theatergruppe, die Mitspieler suchte. Er spielte mit und entschied sich schließlich, aus diesem Zeitvertreib einen Beruf zu machen. Ein Berliner Schicksal. Die Reihe hat Hunderte Schicksale.

RBB-Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus spricht über die „Schicksalsjahre“ von einem „dokumentarischen Denkmal“…
Ich las auch den Begriff „Epochenfernsehen“. Also wer sich die Filme – es sind ja insgesamt 64 Mal 90 Minuten - als DVD ins Regal stellen will, der muss da schon Platz schaffen. Mir gefällt an der Reihe, dass ein Sender, der so viele Jahrzehnte Berliner Geschichte in seinem Archiv gespeichert hat, es nicht ungenutzt lässt, sondern damit wuchert, es wieder öffentlich macht. Das kann man als „dokumentarisches Denkmal“ bewerben. Für den Zuschauer ist es erst mal ein riesiger Batzen: Fernsehgeschichte und Geschichtsfernsehen zugleich.

Was ist Ihre persönliche Geschichte zu Berlin?
Dass ich Berlin nie verlassen habe und als Mieter auch nie den Ostteil der Stadt. Geboren in Lichtenberg, gehöre ich zu den Ureinwohnern. Ein echter Berliner! Ick kann och so reden. Und dit klingt ächt und nisch nachjemacht.

Das Interview führte Katja Hübner.

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