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Krieg und Gefangenschaft haben auch Max Steiner (Peter Davor) verändert. Seine Frau Liesbeth (Silke Bodenbender) erkennt ihn kaum wieder.

© SWR

Nachkriegsfilm: Heimkehr mit Hindernissen

Was, wenn der Mann vor der Tür steht? Niki Steins Nachkriegsfilm "Wiedersehen mit einem Fremden".

Dem Bahnhof gebührt ein Eintrag im Lexikon der Liebenden. Nirgendwo schmecken Küsse süßer, an keinem anderen Ort fassen sich Mann und Frau fester an den Händen. Im Film „Wiedersehen mit einem Fremden“, den die ARD heute Abend zeigt, halten sich auf einem Bahnhof zwei Frauen bei den Händen. Ob sie noch eine andere zu fassen bekommen, wissen sie nicht. Es ist Nachkriegszeit in Deutschland, und die Frauen warten darauf, dass ihre Männer und Söhne aus den russischen Gefangenenlagern heimkehren.

Liesbeth (Silke Bodenbender) ist eine von ihnen. Doch wer da womöglich gleich dem Zug entsteigt, weiß sie nicht genau. Zwei Wochen nur kannte sie Max Steiner, dann heirateten sie und er kehrte umgehend an die Front zurück. Nun sitzt sie, die Berlinerin, die Großstädterin, mit einem kleinen Kind auf einem Hof im Schwarzwald, misstrauisch beäugt von der Familie eines Mannes, den sie kaum kennt. Vielleicht wandert sie deshalb immer wieder so beharrlich zum Bahnhof: Max, der große Unbekannte, soll es richten, dieses verfahrene, dieses misslungene Leben.

Doch schnelle Happy Ends gibt es nur im echten Leben oder aber in Kurzfilmen. „Wiedersehen mit einem Fremden“ unter der Regie von Niki Stein dagegen ist ein Langfilm und hat die entsprechenden Komplikationen: Zwar kommt 1955 – es ist das Jahr der „Heimkehr der Zehntausend“, die letzten Kriegsgefangenen kehren aus Russland zurück – wirklich einer (Peter Davor) am Bahnhof an, der sagt, er sei Max, der Bauer, doch liest er dem Jungen abends am Bett aus schwärmerischen Romanen vor. Vom Nebel, der sich wie ein Tischtuch ausbreitet, ist da die Rede – nicht gerade das, was man unter Bauernweisheiten versteht. Und außerdem ist Max, der für seine Grobheiten bekannt war, mit einem Mal so zartfühlend, dass die Menschen sich fragen, ob das wirklich derselbe Mensch sein kann. Wem dieser Stoff bekannt vorkommt, der hat recht. Eine ähnliche Geschichte war schon einmal auf der großen Leinwand zu sehen. In den US-Film „Sommersby“ mit Jodie Foster und Richard Gere kehrt ein Mann nach dem Bürgerkrieg in sein Dorf zurück und hat eine Persönlichkeitsveränderung erlebt, die in keinem Psychologie-Lehrbuch steht: Der Krieg hat den Mann nicht etwa traumatisiert, vielmehr scheint er ihn geläutert zu haben. Früher ein Scheusal, ist er nun allseits beliebt – bis sich herausstellt, dass das ganze Dorf einem Hochstapler aufgesessen ist.

„Sommersby“ wiederum war ein Remake des französischen Films „Die Rückkehr des Martin Guerre“; offenbar ist der Betrüger, der in einem fremden Leben wildert, eine beliebte Filmfigur. Doch ist „Wiedersehen mit einem Fremden“, zu dem Niki Stein mit Thomas Kirchner das Drehbuch schrieb, lange nicht so gelungen wie seine Vorgänger.

Das liegt zum einen an der mittelmäßigen schauspielerischen Leistung der sonst so großartigen Silke Bodenbender. Als Ehefrau des vermeintlichen Max Steiner faltet und kraust sie die Stirn so ausgiebig, dass sie ebenso gut ein Schild hochhalten könnte: „Achtung, hier ist etwas faul“. Schwerer jedoch wiegt der laxe Umgang mit der deutschen Geschichte. Er habe für das büßen müssen, was ein böser Mann gemacht habe, sagt Liesbeth zu ihrem Sohn, als der nach dem Verbleib seines Vaters fragt. Später im Film wird sogar die Frage nach Kriegsverbrechen unter den Deutschen bloß als Instrument benutzt, um die Handlung voranzutreiben. Einem Film, der in Nachkriegsdeutschland spielt, hätte man mehr Problembewusstsein gewünscht.

„Wiedersehen mit einem Fremden“, ARD, 20 Uhr 15

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