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Gustl Mollath in der Sendung von Reinhold Beckmann

© dpa

Talkshow: Gustl Mollath und ein Kaffeekränzchen bei Beckmann

Das sitzt jemand über Jahre in der Psychiatrie, und das womöglich zu Unrecht. Wie kann so etwas in Deutschland geschehen? Gustl Mollath war am Donnerstagabend zu Gast bei Reinhold Beckmann - doch die zentrale Frage blieb unbeantwortet.

Am Ende, da lief schon der Abspann, kam es zu dieser befremdlichen Szene: Beckmann und Gustl Mollath prosteten sich zu, natürlich war nur Wasser in den Gläsern, aber dennoch. Hatten die beiden was zu feiern? Und wenn ja: was? Eine gelungene Sendung vielleicht? Mal gucken.

Der Fall Mollath. Er ist kompliziert, trotzdem bewegt er die Öffentlichkeit, seit bekannt wurde, dass da ein Bürger möglicherweise zu Unrecht, in jedem Fall gegen seinen Willen, weggeschlossen wurde, in Sicherheitsverwahrung, weil er, so das Urteil, eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellt. Der Fall Mollath berührt Urängste der Menschen, weil er offenbar beweist, dass es in diesem Land möglich ist, als unbescholtener Bürger seiner Freiheit beraubt zu werden. Einfach so. Weil die Dinge mehr als unglücklich verlaufen. In den vergangenen Monaten erschienen in Zeitungen und Magazinen viele Geschichten über den Fall, im Fernsehen liefen Dokumentationen – die meisten Journalisten berichteten darüber mit der Haltung, dass hier großes Unrecht geschehen sei. Wenige Journalisten hatten daran ihre Zweifel.

Gustl Mollath dankt seinen Unterstützern

Vom großen Hanns Joachim Friedrichs stammt der Satz, als Journalist dürfe man sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer vermeintlich guten Sache – dieser Satz müsste doch auch gelten, wenn es sich um eine komplizierte Sache handelt, aber im Falle von Gustl Mollath scheint dieser Satz nicht zu gelten: zu viel spricht für ihn, zu wenig gegen ihn. Mollath und seinen Anwalt Gerhard Strate als Interviewpartner zu bekommen, gilt als Scoop. Die „Beckmann“-Sendung lag am Donnerstagabend mit 1,93 Millionen Zuschauern deutlich über dem Durchschnitt der Sendung, der Marktanteil betrug 14,6 Prozent. Das Magazin „Stern“ hat in der aktuellen Ausgabe ein Interview mit Mollath, inklusive Verweis auf die Beckmann-Sendung, aber im Prinzip sagte Mollath im „Stern“ und bei Beckmann dasselbe: dass er seinen vielen Unterstützern danke, dass er zwar raus sei aber nicht frei. Und weil die ganze Geschichte so kompliziert ist, entschloss sich die Redaktion von Beckmann dafür, drei Einspielfilme zu zeigen, damit jeder Zuschauer begreift, worum es eigentlich noch mal ging, nämlich im Grunde um einen Mann, der siebeneinhalb Jahre gegen seinen Willen im Hochsicherheitstrakt der forensischen Psychiatrie in Bayreuth untergebracht wurde. Wegen vermeintlicher Wahnvorstellungen und Gemeingefährlichkeit. Vergangene Woche dann ordnete das Nürnberger Oberlandesgericht seine Entlassung und die Wiederaufnahme des Verfahrens an.

Zu Gast bei Beckmann war auch Uwe Ritzer von der „Süddeutschen Zeitung“, einer der Journalisten, die in der Sache Mollath recherchiert hatten, und der eine Gutachterin darauf hinwies, dass das, was Mollath passiert ist, im Grunde jedem passieren kann. Natürlich wies der Moderator darauf hin, dass man auch Skeptiker eingeladen habe, die aber nicht kommen wollten. So verlief die Sendung wie ein Kaffeekränzchen, bei dem sich alle einig waren. Zweimal versuchte Beckmann sich als Störenfried, in dem er leise Zweifel an der Ungerechtigkeit, die Mollath widerfahren ist, andeutete. Aber in dieser Runde fand er niemanden, der diesen Ball aufnehmen wollte. Stattdessen erzählte Mollath, ruhig, mit Bedacht, über das, was im passiert ist, seine Schilderungen waren drastisch – wie kann so etwas in Deutschland geschehen?

Diese Frage war bei Beckmann zwar zentral – eine Antwort wurde allerdings nicht gefunden; Mollath selbst sagte, dass es ihm vor allem um Rehabilitierung ginge, und zwar von Seiten des Staates. In der Öffentlichkeit ist der Mann längst rehabilitiert – für viele ist er sogar ein Held, die Beckmann-Sendung wird diesen Eindruck eher verstärkt haben, obwohl es doch eigentlich auch um andere Dinge hätte gehen sollten, um fast einfache Dinge wie die Frage, was eigentlich mit jemandem passiert, dem keiner mehr zuhören will? Und dem jetzt, in Freiheit, plötzlich alle zuhören wollen.

Der Fall Mollath, er wird nicht einfacher werden, für eine Talkshow scheint er eh zu kompliziert, obwohl sich Beckmann zeitweise Mühe gab und die richtigen Frage stellte, zum Beispiel, ob Mollath nicht „bizarr“ auf andere wirken könne. Eine andere Frage, die im Raum stand, aber niemand stellte, lautet: Kann einem einzigen Mann tatsächlich so viel Unglück passieren? Kann jemand nur Opfer sein?

Vielleicht – die Medien sind aber nicht der Ort, um das zu entscheiden, um das zu bewerten. Gustl Mollath tut gut daran, dies auch nicht zu erwarten. Zum Schluss allerdings bedankte er sich noch einmal – nicht nur bei Freunden und Unterstützern, sondern auch „bei den Medienschaffenden“. Danach prostete man sich zu.

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