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Wer ist Täter, wer Opfer? In der sechsteiligen ZDF-Serie "Der Überfall" gibt es keine Unbeteiligten und so gut wie keine Unschuldigen.

© ZDF/Hardy Brackmann

ZDF-Serie „Der Überfall“: Gottes Wahrheit in des Menschen Händen

In der ZDF-Serie „Der Überfall“ verändert ein stümperhaft verübtes Verbrechen die Lebenswege vieler Menschen. Und führt zu einer irritierenden Erkenntnis.

Die ersten Minuten der sechsteiligen Serie „Der Überfall“, die von diesem Freitag an im ZDF zu sehen ist, haben etwas Surreales. Aus dem Off ist ein Gleichnis über die Wahrheit als Spiegel Gottes zu hören. Eines Spiegels, der herunterfällt und zerbricht und dessen Scherben sich nun in den Händen vieler Menschen befinden. Sie alle glauben sodann, im Besitz der ganzen Wahrheit zu sein. Der kurze Vorspann endet mit der Frage: „Glaubst du den Unterschied zu kennen, zwischen Wahrheit und Lüge?“

Dazu sind Bilder von einem Verkehrsunfall in einer Unterführung zu sehen, ein Auto liegt auf dem Dach und brennt. Es folgt eine Reihe von Porträts von Personen, von denen man erst später erfährt, um wen es sich handelt. Sie alle sind in seltsam verfremdeten Farben zu sehen, unter einem Blau-Rosa-Lila-Himmel, der in der Serie immer mal wieder hervorgehoben wird, ohne dass der Zusammenhang genauer benannt wird.

[„Der Überfall“, ZDF, ab Freitag, 21 Uhr 15. Weitere Folgen am 5., 11., 12., 18. und 19. März sowie bereits jetzt komplett in der ZDF-Mediathek]

Man kann nur vermuten, dass mit diesem Blick nach oben die Suche nach dem Göttlichem gemeint sein könnte. Oder nach dem Schicksal, das das Leben dieser vielen Menschen verbindet, deren Lebenswege sich an diesem Montagmorgen kreuzen. Denn die sechs Teile entsprechen sechs Tagen, in denen sich ihre Schicksale entscheiden werden.

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Doch worum geht es? Überfälle auf Geschäfte wie beispielsweise Mode-Boutiquen und Supermärkte sind in einer Stadt wie Berlin keine Seltenheit. Eine kurze Internetrecherche bestätigt dies. „Der Überfall“ handelt von der Tat zweier verzweifelter Amateure, die sich von dem Raub eines kleinen Berliner Eckladens die Lösung ihrer finanziellen Probleme erhoffen. Paula Schönberg (Katja Riemann), Personalchefin eines Unternehmens, ist infolge ihrer Spielsucht überschuldet. Daniel Kowalski (Joel Basman) bekommt nach einer Gefängnisstrafe kein Bein auf den Boden, ihm droht die Zwangsräumung.

Dieser Umschlag voller Geld bringt niemanden Glück. Weder Ladenbesitzer Hassan Merizadi (Hadi Khanjanpour, r.) noch Bruder Damon (Yasin Boynuince) oder Sohn Arian (Elias Danesh Hartmann, M.).
Dieser Umschlag voller Geld bringt niemanden Glück. Weder Ladenbesitzer Hassan Merizadi (Hadi Khanjanpour, r.) noch Bruder Damon (Yasin Boynuince) oder Sohn Arian (Elias Danesh Hartmann, M.).

© ZDF/Hardy Brackmann

Doch der Raubzug endet in der Katastrophe: Zurück bleiben der tote Ladenbesitzer Hassan Merizadi (Hadi Khanjanpour) und ein schwer verletzter Kunde. Der Umschlag mit dem erbeuteten Geld, das sich der Eckladenbetreiber gerade erst aus zunächst unerfindlichen Gründen hat auszahlen lassen, wird den beiden Stümper-Räubern zu allem Überfluss entwendet. Und als ob das nicht schon alles schlimm genug wäre, fehlt nach dem Überfall von Hassan Merizadis Sohn Arian (Elias Danesh Hartmann) jede Spur.

[Alle Folgen des True-Crime-Podcasts Tatort Berlin des Tagesspiegels finden Sie hier]

Die Geschichte zur dieser merk- wie denkwürdigen Serie ist eine erneute Zusammenarbeit der beiden Drehbuchautoren Katja Wenzel und Stefan Kolditz. Sie hatten zuvor bereits das Drehbuch zum dreiteiligen ARD-Kriminaldrama „Das Geheimnis des Totenwaldes“ über die so genannten Göhrde-Morde geschrieben. Die Aufklärung der Mordserie dauerte beinahe dreißig Jahre. Die hervorragend besetzte Verfilmung war ein Highlight des Fernsehjahres 2020.

Anders als beim Totenwald fehlt dem „Überfall“ jedes reale Korsett. Das Autorenduo Wenzel/Kolditz und Regisseur Stephan Lacant – der für das Filmdrama „Fremde Tochter“ über eine rebellische Jugendliche mehrfach ausgezeichnet wurde – nutzen das weidlich aus.

Niemand ist unbeteiligt

Im ZDF-Sechsteiler gibt es gefühlt keine Unbeteiligten. Jede der zahlreichen Figuren ist auf die eine oder andere Weise in die Handlung eingebunden, und zwar erheblich stärker als es der erste Eindruck nahelegt. „Der Überfall“ spielt in einer Welt ohne wirkliche Zufälle. Das gilt für die Räuber ebenso wie für den getöteten Ladeninhaber und seine Familie und schließt ebenso den verletzten Kunden und dessen Begleitung ein.

Ist es tatsächlich ein Zufall, dass Antonia Gebert (Lorna Ishema) zu den Mordermittlungen hinzugezogen wird?
Ist es tatsächlich ein Zufall, dass Antonia Gebert (Lorna Ishema) zu den Mordermittlungen hinzugezogen wird?

© ZDF/Hardy Brackmann

Bei den Ermittlern macht dieses Konzept selbstredend nicht Stopp. Im Gegenteil. Antonia Gebert (Lorna Ishema), strafversetzt zur Drogenkontrolle auf Schulhöfen, wird von Kommissar Frank Worms (Sebastian Zimmler) ins Team der Mordkommission geholt, weil sie – und dies scheint wirklich der einzig echte Zufall der Serie zu sein – nach dem Überfall gerade an dem Eckladen vorbeijoggte und damit als erste am Tatort eintraf und sich überdies in dem Viertel auskennt. Doch genauso wie alle anderen ist sie stärker verstrickt, als sie es ahnt.

Doch es gibt nicht nur keine Unbeteiligten, sondern ebenso so gut wie keine Unschuldigen – außer Arian. Die Suche nach dem Jungen gibt der Serie mit den immerhin jeweils fast einstündigen Episoden die für die Spannung benötigte Dringlichkeit.

Ob es tatsächlich so viele Wahrheiten wie Scherben des zerbrochenen göttlichen Spiegels gibt, sei dahingestellt. In jedem Fall hat die komplexe Geschichte dieses Überfalls eine verwirrende Vielfalt an Facetten.

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