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Google ist nun Partner mehrerer Verlage in Europa. Auch der Tagesspiegel macht bei der „Digital News Initiative“ des US-Konzerns mit.

© dpa

„Digital News Initiative": Google und deutsche Zeitungen - was soll das?

Der Internetkonzern Google will mit Know-how und viel Geld dem europäischen Journalismus helfen. Auch der Tagesspiegel ist Teil der „Digital News Initiative“. Doch was hat Google im Sinn? Und was kann Facebook davon lernen?

Kauft sich Google in den europäischen Journalismus ein? Der Internetkonzern aus Kalifornien kündigte vor Kurzem eine „Digital News Initiative“ (DNI) in Europa an und schon herrscht in vielen Redaktionen Unruhe. Zusammen mit renommierten Medienhäusern und Verlagen möchte Google ab 2016 über drei Jahre mit insgesamt 150 Millionen Euro und in einem Gedankenaustausch „den digitalen Journalismus stärken“. Unter anderem mit dabei: „Les Echos“ aus Paris, der „Guardian“ aus London und die spanische Zeitung „El Pais“.

Aus Deutschland saßen die „FAZ“ und der „Zeit“-Verlag am Verhandlungstisch mit Google. Die publizistische Reputation und Glaubwürdigkeit bringen diese Markennamen mit in die neue Koalition. Google hat das Geld. Und das technische Know-how. Gemeinsam müssten sie eigentlich stark sein.

Weil die Google-Initiative allen anderen Medienunternehmen offen steht, traten schon einen Tag nach Bekanntgabe unter anderem die „Süddeutsche Zeitung“, der „Spiegel“ und auch der Tagesspiegel bei. „Wir erhoffen uns von der Zusammenarbeit Positives für den Journalismus – und positive Auswirkungen auf Google“, sagt Florian Kranefuß, Geschäftsführer des Verlags „Der Tagesspiegel“. Nur der Springer-Verlag verweigert sich. „In dieser Kooperation gewinnt vor allem Google“, sagt Ex-Piratenpolitiker Christopher Lauer, bei Springer mittlerweile für die digitale Strategie verantwortlich.

Andere Verlage setzen da eher auf Dialog. Es ginge, so heißt es bei den Kooperationspartnern von Google, in erster Linie um einen Austausch mit Google als marktbeherrschendes Unternehmen. Anstatt zu streiten, soll nun die harmonische Zusammenarbeit dem Journalismus den Sprung in das digitale Zeitalter erleichtern. Doch was möchte Google eigentlich erreichen? Und kann das für die Medien gut enden?

Welche Risiken gibt es bei der Partnerschaft mit Google?

„Die Idee und das Gespräch mit Medienhäusern über eine derartige Initiative gibt es schon seit Langem, beim letzten Wirtschaftsgipfel in Davos haben wir uns in größerer Runde ausgetauscht“, sagt Kay Oberbeck, Sprecher von Google in Deutschland. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kann zum jetzigen Zeitpunkt aber auch nur mahnen. „Die Kooperation zwischen Google und den Verlagen darf nicht die Unabhängigkeit des Journalismus beeinträchtigen“, sagt die ehemalige FDP-Justizministerin, die sich regelmäßig gegen die Marktmacht und die Datensammelwut von Google stellt.

Das Verfahren, das die Europäische Kommission gegen den Internetgiganten gestartet hat, werde ungeachtet weiterlaufen. Leutheusser-Schnarrenberger sieht in der DNI das Risiko, dass die Medienvielfalt vor allem in Deutschland leiden könnte. „Wenn die großen Verlage mit Google kooperieren, könnte es zu einer Konzentration in der Presselandschaft kommen.“ Kay Oberbeck betont allerdings, dass alle Medienschaffenden, so zum Beispiel auch spezialisierte Webdienste oder Blogger, eingeladen sind, das Beitrittsformular auf digitalnewsinitiative.com auszufüllen.

Was Facebook von Google lernen kann

Google ist nun Partner mehrerer Verlage in Europa. Auch der Tagesspiegel macht bei der „Digital News Initiative“ des US-Konzerns mit.
Google ist nun Partner mehrerer Verlage in Europa. Auch der Tagesspiegel macht bei der „Digital News Initiative“ des US-Konzerns mit.

© Heinrich/Tsp

Tatsächlich bleibt die Vereinbarung in einigen Punkten noch vage. Mit den Pionierverlagen hat Google drei wesentliche Themenbereiche vereinbart. So soll eine Arbeitsgruppe die Produktentwicklung innerhalb der Medienunternehmen vorantreiben. Google möchte darüber hinaus auch in die Aus- und Fortbildung für Journalisten in ganz Europa investieren. Die Forschung soll auch etwas vom Google-Geld abbekommen. Stichwort: Innovationsförderung.

Einige Verlage in Deutschland wollen zwar mit Google in einen Dialog treten, die 150 Millionen Euro wollen sie aber aus Gründen der journalistischen Unabhängigkeit nicht annehmen. Einige Verleger sollen Google sogar gebeten haben, weniger Geld zur Verfügung zu stellen. Andere Medienhäuser sehen in einer Google-Kofinanzierung kein Problem – sie wollen abwarten, was kommt. „Nun gilt es einen Beirat zu gründen und die nächsten Schritte zu besprechen, um konkrete Projekte anzugehen“, erklärt der Google-Sprecher den nächsten Schritt. „Wir wollen an einem Strang ziehen, und idealerweise profitieren dann alle Seiten davon.“

Wie die Zusammenarbeit zwischen Google und den Medien verlaufen könnte, ist in Frankreich zu beobachten. Das Modell dort ist in die größere „Digital News Initiative“ integriert. Und hierbei geht es vor allem ums Geld. Schon im Jahr 2013 hatte Google eine Kooperation mit dem französischen Medienverband vereinbart: Ein auf drei Jahre befristeter Fonds mit rund 60 Millionen Euro Fördergeldern entstand. Google zahlt 60 Prozent der Investitionssumme, bei der Vorlage eines konkreten Projekts. 40 Prozent müssen die jeweiligen Verleger beisteuern. Im Jahr 2014 gab es 44 Bewerbungen, davon wurden 30 Projekte gefördert.

Google ist der Schleusenwärter des Internet

Der neue europäische Fonds wird noch viel größer“, sagt Ludovic Blecher, Direktor des Fonds für digitale Innovation (FINP). Sein Projekt wird voraussichtlich mit Inkrafttreten der DNI auslaufen. Mit dem Google-Geld kofinanzierten vor allem große Verlage ihre digitalen Strategien in Sachen Bezahlschranken, Daten-Journalismus oder Bewegtbild. Die Regionalzeitung „la Provence“ aus Südfrankreich renovierte ihre Webseite für knapp 300 000 Euro. Der Radiosender „Europe 1“ finanzierte eine neue Videoplattform für eine Million Euro.

In Frankreich wird die Presse allerdings jährlich mit mehr als 1,2 Milliarden Euro vom Staat subventioniert. Die Verwendung von Google-Geldern ist für viele französische Medienhäuser selbstverständlich. Genug Verlagsführungen haben auch in Deutschland wenig Probleme damit, Geld und Know-how von Google anzunehmen. In vielen deutschen Redaktionen muss man sich allerdings erst daran gewöhnen, dass eine bedeutende Summe an Finanzmitteln und Wissen von außen in die journalistische Arbeit fließt – oder auch nicht. Denn von deutschen Verlagen ist auch zu hören: Wenn es mit Google doch nichts wird, trennen wir uns halt wieder.

Der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen sieht für Google eine große Chance bei dieser Kooperation: „Es geht nicht nur darum, dass Google dem Journalismus hilft, es geht auch darum, dass Konzerne wie Google endlich realisieren, dass sie mit ihrer Technologie, in Gestalt von Algorithmen, auch eine redaktionelle Verantwortung tragen, eine Schleusenwärter-Funktion erfüllen.“ Google könne im Dialog auf Augenhöhe mit Verlegern und Journalisten viel lernen, seine wahre Rolle in der Medienlandschaft finden. Vor allem Facebook solle sich daran ein Beispiel nehmen.

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