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Eine Weltsensation, wären sie nicht gefälscht gewesen: angebliche Tagebücher aus dem direkten Umfeld des KZ-Arztes Josef Mengele.

© ZDF und Konstantin Gramalla

Gefälschte Auschwitz-Tagebücher: Dreiste Fälschung

Will die Menschheit betrogen sein? Eine ZDF-Dokumentation über gefälschte Auschwitz-Tagebücher.

Das Vernichtungslager Auschwitz sollte ein weißer Fleck auf der Karte des Nazi-Reiches bleiben. Unerkannt, unbekannt, ein Mysterium, das allenfalls als Drohung ausgesprochen wurde. Wer immer Fotos oder andere Dokumente davon und darüber verbreiten wollte, der musste mit schwersten Repressionen bis hin zur Todesstrafe rechnen. Der Holocaust an den Juden sollte und wollte keine Zeugen, keine Öffentlichkeit haben und keine Zeugnisse kennen.

Jeder Beleg aus dieser, jeder Beweis für diese Menschenhölle galt nach der Befreiung des KZs und nach Kriegsende als kostbar, wenn nicht als Sensation. So auch die Tagebücher eines jüdischen Medizinprofessors aus Budapest, den der KZ-Arzt Josef Mengele, der „Todesengel von Auschwitz“, zu seinem Assistenten gemacht und damit vor dem Holocaust gerettet hatte. Dessen Aufzeichnungen von Mengeles Menschenversuchen lagen in einem Züricher Banksafe und gehörten seiner Enkelin: Sie war eine große Nummer in der Münchner High Society, wie auch anders, hatte Magdolna K. in eine angesehene ungarische Adelsfamilie eingeheiratet, die Medizinprofessorin hatte es sogar zur Leibärztin von Papst Johannes Paul II. und seines Nachfolgers Benedikt XVI. gebracht. Deren Dankesschreiben zeigte die Gräfin gerne herum.

Und nun hielt sie dieses aufsehenerregende Fundstück, die geheimen Auschwitz-Tagebücher ihres Onkels, in Händen. Die ZDFinfo-Reihe „Abgezockt“ (Donnerstag, 20 Uhr 15) rollt diesen Fall auf. Filmautorin Sophie Hafner schildert in den 45 Minuten die Geschichte einer dreisten Fälschung, gut 30 Jahre nach dem Skandal um Hitlers angebliche Tagebücher.

„Die Auschwitz-Tagebücher“ werden mit den Mitteln einer Rekonstruktion decouvriert. Allen anderen voran agiert der deutsch-polnische Historiker Bogdan Musial, zu dessen Forschungsschwerpunkten die deutsche Besatzungszeit in Polen gehört. Er zeigte sich sofort interessiert, als er von den Dokumenten über die Grausamkeiten der SS-Ärzte in Auschwitz erfuhr. Musial sollte das Material aufbereiten und edieren.

Auch die Gräfin war falsch, nicht weniger ihr Professorentitel

Das Tagebuch enthält tatsächlich zahlreiche aufschlussreiche Informationen über Mengele. Sein Verfasser litt demnach darunter, dass auch er selbst unschuldige Häftlinge missbrauchte, um mit dem eigenen Leben davonzukommen. Die Gräfin lieferte noch mehr Dokumente, auf vergilbtem Papier mit Bleistift geschrieben.

Doch Musial war von einer Kleinigkeit irritiert. In den Aufzeichnungen taucht eine siebenstellige polnische Telefonnummer. Derartige Nummern wurden dort erst fast 50 Jahre später verwendet. Dann geht es sehr schnell mit der Aufdeckung der Fälschung: Die Tagebücher sind fern von jeder Originalität, sie wurden aus zahlreichen Vorlagen abgeschrieben.

Auch die Gräfin war falsch, nicht weniger ihr Professorentitel. Da sie als angebliche Vertraute von zwei Päpsten größere Summen für – erfundene – Sozialprojekte in Afrika und Asien ergaunert hatte, wurde sie Anfang 2018 wegen Betrugs zu vier Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Dieser Teil des Betrugs wird im Film mit dem Münchner Kriminalhauptkommissar Tom Gottmann aufgedeckt.

Es erstaunt bei dem Fall der Magdolna K. immer wieder, wie sehr sich Menschen von dieser Hochstaplerin täuschen ließen. Die langjährige Freundin Karin Reischauer berichtet anschaulich vom einnehmenden Wesen der Blenderin, die die Eitelkeit, den Wunsch nach Teilhabe an der Prominenz anderer und die Gutgläubigkeit ihrer Mitmenschen weidlich ausnutzen konnte.

Will die Menschheit betrogen sein?, ist nur eine Frage hinter dem Fall. Interviewanfragen an die Betrügerin und an eine weitere, um erkleckliche Summen betrogene Freundin, eine Münchner Unternehmerin, blieben unbeantwortet. Ob die Gräfin an einer, ihrer echten, falschen Geschichte sitzt? Zeit hat sie ja, im Gefängnis.

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